Kirche hat Bedenken gegen den Ruheforst

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Das blaue Band zeigt an: Dieser Baum ist als "Familientop" für die nächsten 99 Jahre reserviert. Im Umkreis von drei Metern können bis zu zwölf Urnen beigesetzt werden ...
Generalvikar Georg Kestel kann sich für die "Ruheforst"-Idee nur sehr schwer begeistern.
 
Bei Führungen durch den Ruheforst Coburger Land zeigt Heinrich Graf zu Ortenburg eine Mustergrabstelle. Foto: Rainer Lutz
 

Der Generalvikar Georg Kestel vom Erzbischöflichen Ordinariat Bamberg nimmt in einem Interview des Coburger Tageblatts Stellung zu Beisetzungen in einem "Ruheforst". Einen solchen betreibt Heinrich Graf zu Ortenburg im Landkreis Coburg.

Mit über 60 Beisetzungen, zahlreichen Anfragen aus der Region und vielen Besuchern hat sich der „Ruheforst Coburger Land“ als Alternative zu herkömmlichen Bestattungsformen einen Namen gemacht.Dennoch stößt die Philosophie, die hinter den Wald-Friedhöfen steckt, nicht überall auf Begeisterung – unter anderem bei der katholischen Kirche. Das Coburger Tageblatt hat bei Generalvikar Georg Kestel (Erzbistum Bamberg) nachgefragt.

Frage: Wo liegen ihre grundsätzlichen Bedenken bei dieser Bestattungsform?
Generalvikar Kestel: Die liturgische und rechtliche Ordnung der katholischen Kirche sieht vor, dass Tote auf dem kirchlichen Friedhof – soweit vorhanden – zu bestatten sind. Die kirchlichen Friedhöfe können so gestaltet werden, dass sie den christlichen Glauben an das Weiterleben nach dem Tod, an die Auferstehung der Toten und an das ewige Leben ausdrücken. Dies wird zum Beispiel dadurch deutlich gemacht, dass ein Kreuz oder ein anderes Zeichen des Todes und der Auferstehung Jesu Christi an zentraler Stelle des Friedhofs aufgerichtet ist. Ebenso stehen auf den einzelnen Gräbern Zeichen der Hoffnung und des Lebens nach dem Tode. Von daher ist der Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof, ob katholisch oder evangelisch, der Vorzug zu geben.
Glaubensfrage
Was ist, wenn kein christlicher Friedhof in der Näher ist?
Auch die kommunalen Friedhöfe in unseren Bereichen enthalten bis dato Zeugnisse des christlichen Glaubens. Von daher kommen auch sie als Bestattungsort für Katholiken in Betracht. Es können auch private Friedhöfe gewählt werden – besonders solche, auf denen der christliche Glaube in Zeichen ausgedrückt ist und bezeugt werden kann. Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass der Wald oder Park als Bestattungsort und die Art der Bestattung auf einem Naturfriedhof den christlichen Glauben an die Auferstehung der Toten und das Ewige Leben mehr verdunkeln als erhellen. Deshalb kann nur in Ausnahmefällen ein „Ruheforst“ als Bestattungsort in Frage kommen.

Ist die Beisetzung fernab der Heimat in einem „Ruheforst“ ein Problem?
Das kirchliche Recht schreibt vor, dass die Verstorbenen in ihrer Pfarrei beigesetzt werden sollen. Die Kirche hat immer das Pfarreiprinzip zu wahren versucht, weil das Christentum zur Gemeinschaft führen will, die den Einzelnen im Glauben stärkt, ihn im Lebenszusammenhang des Glaubens bewahrt und ihm Stütze auf seinem ganzen Lebens- und Glaubensweg ist. Dies gilt auch in der Stunde des Todes und bei der Verabschiedung der Toten. Deshalb ist die Bestattung in der eigenen Pfarrei mit möglichst vielen Gläubigen einer anonymen Bestattung vorzuziehen.
Unbedingt eine kirchliche Feier
Sollte die liturgische Feier ausdrücklich in einer Kirche stattfinden?
Ja. Katholische Gläubige haben das Recht und von daher hat die Kirche die Pflicht, die Eucharistie oder im Ausnahmefall einen Wortgottesdienst bei einer Beerdigung zu feiern. Besonders in der Eucharistie oder auch in einer anderen liturgischen Feier wird Tod und Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigt. Die Trauerfeier hat in der Regel in der Pfarrgemeinde des Verstorbenen stattzufinden. Diese Regel ist auch bei einer Bestattung in einem Naturfriedhof unbedingt zu berücksichtigen.

Wie stehen Sie zur Einäscherung der Verstorbenen, die bei einem Friedhof in der freien Natur Pflicht ist?
Die Bestattung in einem Naturfriedhof bedeutet Urnenbeisetzung. Die katholische Theologie und die Kirchenordnung bekunden ausdrücklich, dass die Erdbestattung der Einäscherung und Aschenbestattung vorzuziehen ist, weil sie dem Begräbnis Jesu entspricht und durch sie besser der Glaube der Christen bekundet werden kann. Gerade in einer Beerdigung des Leibes bezeugt der christliche Glaube die Würde des Menschen auch über seinen Tod hinaus.
Christliche Tradition
Viele Menschen wollen ihren Nachfahren die Grabpflege ersparen – wie steht die katholische Kirche dazu?
Nicht zuletzt gehört die persönliche und individuelle Grabpflege zur christlichen Tradition. Sie fördert den Prozess der Trauer und des Abschieds. Sie bewahrt das Gedächtnis der Toten. Sie erhält die Beziehung über den Tod hinaus. Sie ist aus christlicher Sicht wünschenswert und zu fördern. Ein „Ruheforst“ kann esoterische und reinkarnatorische Vorstellungen fördern. Auch deshalb ist er für die katholische Kirche fragwürdig.

Dürfen katholische Geistliche an einer Beisetzung im „Ruheforst teilnehmen?
Die Mitwirkung ist unter Umständen möglich, aber weder selbstverständlich noch einforderbar. Ist die Mitwirkung eines katholischen Geistlichen bei einer Bestattung in einem Naturfriedhof erwünscht, erheben wir die Forderung, dass an einem geeigneten Ort innerhalb des Naturfriedhofes ein christliches Symbol errichtet wird. Ein Wegkreuz, Marterl oder eine kleine Kapelle kommen hier in Frage. Dadurch wäre für christliche Urnenbeisetzungen im Naturfriedhof ein geeigneter Ausgangspunkt gegeben und für Christen ein Orientierungspunkt. Eine Bestattung in einem „Ruheforst“ ist aus katholischer Sicht zwar möglich, aber nicht angemessen und deshalb bedenklich. Die katholische Kirche hat grundlegende Vorbehalte gegen diese Bestattungsform.