Vor 200 Jahren wurde der spätere Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha geboren. Sein Wirken reichte über sein Herzogtum hinaus.
Fast war zu befürchten, Ernst II. würde vergessen. Während schon 2016 von 2019 und dem 200. Geburtstag von Prinzgemahl Albert und Queen Victoria die Rede war, sprach niemand von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha. Der wäre am 21. Juni 2018 200 Jahre alt geworden. Doch inzwischen stehen die Termine fest für Vorträge, Festakte und zwei Ausstellungen (siehe unten).
Der Herzog, älterer Sohn aus der Ehe von Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Prinzessin Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg, regierte Coburg ziemlich lange: Von 1844 bis 1893, also fast 50 Jahre lang. In diese Zeit fielen die deutsche Revolution- und Nationalbewegung von 1848, die Erschließung und Verbindung der einzelnen deutschen Staaten durch die Eisenbahn, die Industrialisierung und schließlich, nach mehreren Kriegen, die Reichseinigung unter preußischer Führung.
"Er war ein Fürst an der Schwelle der Moderne", sagen die Historiker Christian Boseckert und Alexander Wolz, Leiter des Staatsarchivs. Sie bereiten die Ausstellung im Staatsarchiv vor und nähern sich der Person Ernst II. unter verschiedenen Aspekten: der Herzog in den Medien, die Bereiche Wirtschaftspolitik und Industrialisierung, die Religionspolitik, Ernst und das Theater, Ernst als Jäger. Sie zeigen sein staatspolitisches Wirken und seine Innenpolitik: Das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha hatte eine der liberalsten Verfassungen in Deutschland.
Der Herzog galt aber auch als Nationalist, was ihm negativ ausgelegt wurde: Er wollte die deutsche Einigung, den Zusammenschluss der Länder zu einem Deutschland. Das fanden natürlich nicht alle seine Standeskollegen gut, und dass der liberale Herzog infolge der 1848er-Bewegung auf den Zusatz "von Gottes Gnaden" verzichtete, gefiel auch nicht allen Regierenden.
Ernst II.' Nationalismus bewirkte, dass in Coburg und Gotha große deutsche Verbände gegründet werden konnten, bevor es ein Deutsches Reich gab: der Schützenbund 1861 in Gotha, der Sängerbund 1862 in Coburg. Das erste deutsche Turnfest fand 1860 in Coburg statt. 1875 wurde in Gotha die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands gegründet (SAP, Vorläufer der SPD), was dem Herzog weniger gefallen haben dürfte, aber aufgrund der bürgerlichen Freiheitsrechte in seinem Gebiet möglich war. "In Coburg ist die erste deutsche Arbeiterzeitung publiziert worden von Feodor Streit", sagt Boseckert.
Ernst habe bei den Turnern, Schützen und Sängern zwar Reden gehalten, aber eher beruhigend, sagt Wolz. "Bei ihm gehören national und liberal zusammen." Die späteren Nationalsozialisten hätten mit Ernst II. nichts anfangen können, sagt Boseckert. "Er kann nicht für völkische und nationalistische Tendenzen herhalten." Im Gegenteil: Weil Ernst II. auch Religionsfreiheit gewährte und die Beschränkungen für Juden aufhob, die in seinem Herzogtum noch galten, "wurde er von den Nazis eher totgeschwiegen", sagt Boseckert.
Innenpolitisch liberal, außenpolitisch in Sachen deutscher Einheit unterwegs und international vernetzt: Dank der verwandtschaftlichen Beziehungen beschränkte sich Ernsts Horizont nicht auf sein Herzogtum. Sein Bruder war Prinzgemahl in England, sein Onkel Leopold König der Belgier. Leopold hatte großen Einfluss auf die Erziehung und Ausbildung seiner beiden Neffen gehabt. "In politischen Fragen steht er in regem Austausch mit Albert. Sie versichern sich gegenseitig der Richtigkeit ihrer Schritte", sagt Boseckert. Ernst wie Albert seien der Ansicht gewesen, dass der Fürst sich in seiner Machtausübung aufs Volk stützen können müsse, nicht auf göttlichen Willen oder höheres Recht. Auch mit ihrem Onkel Leopold tauschen sich beide regelmäßig aus. Als Prinzgemahl Albert 1861 stirbt und König Leopold 1862, "fällt Ernst politisch in eine Sinnkrise".
Seine internationalen Kontakte seien Ernsts Zeitgenossen auch nicht ganz geheuer gewesen, sagt Boseckert. Schon Albert habe als ausländischer Einfluss gegolten. Und spätestens 1865 sei klar gewesen, dass nach Ernsts Tod ein englischer Prinz, nämlich Alberts zweitältester Sohn Alfred, den Thron von Sachsen-Coburg und Gotha beschreiten würde.
Die Diskussion, ob ein englischer Prinz ein deutscher Fürst sein könne, sollte 1899 wieder aufflammen, als nach Alfred erneut ein englischer Prinz kommen sollte: Carl Eduard, der das Wort Nationalismus in einem ganz anderen Sinn interpretieren und leben würde als sein Großonkel.
Doch auch Ernst II. "stirbt nicht als Liberaler", wie Alexander Wolz sagt. Nach der Reichsgründung setzt eine konservative Wende ein. Die Wirtschaftskrise in den 1870er Jahren führt zu Schutzzöllen; der Liberalismus wird zurückgedrängt. Als Kaiser Friedrich III. nach nur 99 Tagen auf dem Thron 1888 stirbt, verliert Ernst II. auch einen Freund, der seine politischen Ideen teilte.
So erinnert Coburg an Herzog Ernst II.Landesbibiothek Vortrag "Der Coburger Schlossplatz - ein Glanzlicht europäischer Schlossarchitektur" von Helke Jost Kienel. Dienstag, 21. Juni, 18.30 Uhr. Ausstellung ab 22. Juni "In Ehrfurcht gewidmet" - Schönes, Kostbares und Bemerkenswertes aus der privaten Büchersammlung Herzog Ernst II (bis 31. Oktober).
Ernestinum Festakt am Dienstag, 21. Juni, 19 Uhr, zum 200. Geburtstag, Mensa.
Staatsarchiv "Ein Fürst an der Schwelle zur Moderne", Ausstellung ab 4. September bis 19. Oktober in Kooperation mit der Historischen Gesellschaft Coburg im Erdgeschoss des Staatsarchivs. Festakt von Stadt Coburg, Staatsarchiv und Historischer Gesellschaft am Freitag, 28. September, 17 Uhr, Riesensaal der Ehrenburg.