Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" feiert Premiere am Landestheater. Was sie an diesem Werk reizt, verrät Gast- Regisseurin Susanne Lietzow im Gespräch.
Eine turbulente musikalische Verwechslungskomödie bildet die letzte Opern-Premiere in der letzten Spielzeit des scheidenden Coburger Intendanten Bodo Busse: Wolfgang Amadeus Mozarts "Die Hochzeit des Figaro". Regie führt Susanne Lietzow, die das Publikum am Landestheater bislang nur von mehreren Schauspiel-Inszenierungen kannte.
"Die Hochzeit des Figaro" ist Ihre erste Opern-Inszenierung überhaupt. Im Vergleich zur Schauspiel-Regie: Was ist der Unterschied?
Susanne Lietzow: Diese Oper ist ein Gesamtkunstwerk. Man darf ins Volle greifen, was manchmal beim Schauspiel nicht so möglich ist. Das ist eine sehr große und schöne Aufgabe.
Sie hatten sicherlich eine bestimmte Erwartungshaltung zu Beginn der Probenarbeit. Wie deckt sich diese Erwartungshaltung mit der Wirklichkeit?
Was ich nicht erwartet hatte, was aber eingetreten ist: Acht Stunden Mozart machen etwas mit mir - sehr viel sogar. Es gibt eine ansteckende Euphorie. Die Musik ist so sophisticated, so genau. Die Freude und das Leid sind so nahe beieinander. Man ist regelrecht emotionalisiert auf eine ganz eigenartige Weise. Das Schöne aus meiner Perspektive als Schauspielregisseurin ist, dass die Figuren keine Schablonen sind. Das sind psychologisch geführte Figuren mit ihren Schmerzen.
Was macht aus Ihrer Sicht den besonderen Reiz dieser "Commedia per musica" aus?
Es gibt eine Seite der wunderbaren Komödie, es gibt diese Buffo-Seite, aber es gibt eben auch diese zweite Seite, die diesen "Figaro" so groß und tiefgehend macht. Mozart geht in vielen Arien und Duetten in eine leidenschaftliche Tiefe, die herausführt aus der Komödienstruktur. Man darf plötzlich eintreten in das Herz und die Seele der Figuren. Das ist etwas, das auch inszenatorisch wahnsinnig interessant ist.
Figaro oder Susanna, Gräfin oder Graf, vielleicht aber auch Cherubino? Welche Figur interessiert Sie in dieser Oper am meisten? Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Nein. Das kann ich so nicht sagen. Ich finde sie wirklich alle wunderbar. Die Zerrissenheiten sind einfach so interessant. Der Graf ist nicht nur ein großes A...loch, er ist sexsüchtig und er leidet auch in dieser Beziehung, weil er in ein negatives Hamsterrad geraten ist mit seiner Gräfin, die am Rande des Selbstmords in einem goldenen Käfig lebt. Natürlich ist "Figaros Hochzeit" ein Stück der starken Frauen, aber die Männer werden nicht nur als die blöden Machos gezeigt. Ich finde alle Figuren wahnsinnig interessant - zum Beispiel diesen Cherubino, der sich zwischen kompletter Unschuld und Testosteron-Alarm bewegt, wie so ein junger Mozart der Bäsle-Briefe - Cherubino, der später fast zu einem Don Giovanni wird.
Bei da Ponte und Mozart spielt das Stück in vorrevolutionären Zeiten um 1780. Wo siedeln Sie diesen "Figaro" an?
Wir haben barocke Elemente drin, aber es gibt auch etwas Punkiges. Wir betreiben einen extremen Aufwand in den Kostümen. Dazu haben wir eine sehr einfache Bühne, die aber mit Video bespielt wird. Die Räume bilden sich durch Videoeinspielungen. So entstehen Gärten, Tapeten. Das ergibt eine wunderbare Dreidimensionalität. Wir begeben uns wirklich in einen Zaubergarten in diesem wahnsinnigen vierten Akt, den Akt der Verwechslungen im Garten. Dieser Abend ist wirklich auf die Figuren fokussiert. Das war uns wichtig. Die Figuren sind ins Zentrum gerückt. Die Figuren sind aus der Zeit gehoben. Es spielt nicht im Jetzt, aber auch nicht im Barock.
Was ist aus Ihrer Sicht das zentrale Thema?
Ausgehend von einem großen Unrecht, dem Recht der ersten Nacht, erleben wir ein Rachespiel an diesem Grafen. Wenn man davon ausgeht, dass sich das ganze Geschehen wirklich an einem Tag abspielt, fühlt sich das an, als sei man auf einen Schleuderkurs der Leidenschaften geraten - bis zu dem Moment, in dem sich der Graf öffentlich bei allen entschuldigt. Wie lange diese Reue hält, lasse ich jetzt mal offen... Es geht um dieses feudale Machtspiel, gegen das die Dienerschaft aufbegehrt.
Was hat uns heute dieses feudale Machtspiel zu sagen?
Machtstrukturen gibt es noch immer. Es gibt nicht mehr das Recht der ersten Nacht, aber es gibt sicher noch Ähnliches an Verhalten. Es ist ja nicht so, dass die Geschichte irgendetwas geheilt hätte...
Was ist die größte Herausforderung bei der Inszenierung dieser Oper?
Eine ganz große Herausforderung bei "Figaro" ist es, die Dramaturgie überschaubar zu machen. Ich habe zur Vorbereitung in Wien einen da Ponte-Spezialisten getroffen. Sogar er ist gedanklich immer wieder gestolpert: Welcher Brief ist das jetzt? Welche Intrige? Wo sind wir gerade? Das muss man natürlich sehr genau auf die Bühne bringen, sonst ist man irgendwann aus der Geschichte draußen.
Haben Sie ein Lieblingsstück in dieser Oper?
Die zweite Arie der Gräfin erzeugt Gänsehaut, aber eigentlich kann ich mich gar nicht festlegen. Ich finde auch die Ouvertüre so großartig in ihren wahnsinnig vielen Schichten. Ich schlafe jeden Tag mit einer anderen Arie ein. Man hört immer mehr - mehr Schichtungen. Es ist nie eindeutig, es ist nicht plakativ.
So kurz vor Ihrer ersten eigenen Opern-Premiere: Wie geht es mit Ihnen beim Thema Musiktheater weiter?
Ich merke, dass es großen Spaß macht. Ich werde sicherlich weitermachen in diesem Bereich. Irgendwann möchte ich gerne die Semi-Operas von Purcell machen - "King Arthur" und "Fairy Queen". Es gibt so einige Sachen, die mich interessieren. Ich finde auch "Hoffmanns Erzählungen" ganz toll. Aber im Augenblick bin ich in Mozart verliebt - von Mozart würde ich alles machen.
Das Gespräche führte
Jochen Berger.Premieren-Tipp "Die Hochzeit des Figaro" - Komische Oper von Wolfgang Amadeus Mozart, in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Samstag, 3. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater
CoburgProduktionsteamMusikalische Leitung: Alexander Merzyn; Inszenierung: Susanne Lietzow; Bühnenbild: Marie-Luise Lichtenthal; Kostüme: Marie-Luise Lichtenthal, Julia Pommer; Video: Petra Zöpneck; Dramaturgie: Renate Liedtke
BesetzungIl Conte d'Almaviva: Salomón Zulic del Canto; La Contessa d'Almaviva: Ana Cvetkovic-Stojnic; Susanna: Julia Da Rio; Figaro: Felix Rathgeber; Cherubino: Verena Usemann/Anna Gütter; Marcellina: Gabriela Künzler; Bartolo: Michael Lion; Don Basilio: Dirk Mestmacher; Barbarina: Francesca Paratore; Don Curzio: Dirk Mestmacher; Antonio: Freimut Hamman; Chor des Landestheaters; Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
Termine8. Juni, 19.30 Uhr, 11. Juni, 18 Uhr, 23. Juni, 19.30 Uhr, 2. Juli, 19. 30 Uhr (Gastspiel im Stadttheater Fürth), 5. 11. Juli, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Darum geht's Mozart und sein Textdichter Lorenzo da Ponte nahmen in ihrer Version der Komödie "Der tolle Tag" das Tempo des gesellschaftlichen Wandels auf. Graf Almaviva, scharf auf Kammerzofe Susanna, wird von Figaro und Ehefrau an der Nase herumgeführt. Erotische Würze liefern der junge Cherubino, die blutjunge Barbarina, und nicht wenige Kostümwechsel.
Susanne Lietzow Geboren 1968 in Innsbruck, besuchte sie zunächst die Modeschule Schloss Hetzendorf in Wien, studierte Bildhauerei in New York und absolvierte die Schauspielschule des Innsbrucker Kellertheaters. 1997 bis 2000 war sie Gastdozentin für Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig. Es folgten Engagements am Theater Phönix (Linz) und am Nationaltheater Weimar. Am Landestheater Coburg war sie bereits mehrfach zu Gast.