Hindemith-Oper in Coburg: Wie "Big Brother" anno 1929

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Gastregisseur Tibor Torell inszeniert in Coburg Paul Hindemiths Oper "Neues vom Tage".Foto: Jochen Berger
Gastregisseur Tibor Torell inszeniert  in Coburg Paul Hindemiths Oper "Neues vom Tage".Foto: Jochen Berger

Wie Gastregisseur Tibor Torell die heitere Oper "Neues vom Tage" von Paul Hindemith in Coburg auf die Bühne bringen will.

In seiner vor 90 Jahren uraufgeführten Oper "Neues vom Tage" erzählt der Komponist Paul Hindemith von den Schwierigkeiten eines frisch verheirateten Paares auf dem Weg zur Scheidung. Was ihn an diesem Werk reizt und warum er Opernregisseur geworden ist, verrät Tibor Torell im Gespräch.

Vor einem Jahr haben Sie als Einspringer die Premiere von Rossinis "Dramma giocoso" "La Cenerentola" inszeniert, nun kommen Sie als Regisseur von Paul Hindemiths lustiger Oper "Neues vom Tage" zurück ans Landestheater Coburg. Sind Sie ein Spezialist für komische Werke?

Tibor Torell: Eigentlich habe ich gedacht: das ist nicht mein Genre. Eigentlich habe ich gedacht, ich sei derjenige, der sich mehr für tiefe, dramatische Werke interessiert. Aber bei "La Cenerentola" habe ich schon gemerkt, dass mir das Spaß macht, sich einfach lustig ausdrücken zu können. Schön finde ich es aber schon, immer auch den Gegenpol zu lustig zu finden - das Ernste. Das Schönste wäre, beim Lachen zu denken: Ich habe jetzt gelacht, aber eigentlich ist das gar nicht lustig.

Wie kommt es, dass Sie jetzt "Neues vom Tage" inszenieren?

Der Vorschlag kam von Intendant Bernhard Loges. Ich kannte natürlich Hindemith, habe seine Oper "Mathis der Maler" gehört, aber "Neues vom Tage" hatte ich noch nicht gehört oder gesehen. Ich habe mir daraufhin die Oper angehört und war sofort begeistert von Hindemith Raffinesse und von seinem Spaß, sich über seine Zeitgenossen lustig zu machen.

Was reizt Sie an dieser Oper?

Die beiden Hauptdarsteller Laura und Eduard. Sie sind die einzigen Personen, die beide Aspekte besitzen - die lustig und traurig sind. Darauf konzentriere ich mich sehr stark - und ich hoffe, dass ich es auch schaffen werde, beides zu zeigen.

Wie erleben Sie Hindemiths Oper "Neues vom Tage" 90 Jahre nach der Uraufführung?

Sicherlich ist das irgendwie auch eine Antwort auf Kurt Weills "Dreigroschenoper". Musikalisch zaubert Hindemith oft riesige Instrumentierungen herbei, die er dann aber durch den Text dramaturgisch bricht. Er verbindet Opernhaftes mit dem normalen Leben.

Wie lässt sich das Ausstattungskonzept beschreiben? In welcher Zeit spielt "Neues vom Tage" in dieser Produktion?

Wir haben uns entschieden für zwei Welten - für die heutige Welt und die Welt der Entstehungszeit. Die Figuren kommen aus der alten Welt.

Was an dieser Oper ist aus Ihrer Sicht aktuell?

Die Geschichte erzählt von Laura und Eduard, die sich scheiden lassen wollen, aber eigentlich kein Geld dafür haben. Sie verkaufen deshalb ihre Geschichte an die Medien. Das erinnert ein bisschen an "Big Brother".

Hindemith hat manches musikantische Werk geschrieben, gilt aber auch heute noch bei vielen Zuhörern als Komponist mit oftmals sprödem Tonfall. Wie würden Sie einen Hindemith-Skeptiker zu überzeugen versuchen?

Die Zuhörer sollten Hindemith einfach eine Chance geben und nicht sofort an Richard Strauss und seinen "Rosenkavalier" denken. Hindemith baut zwar diesen großen musikalischen Bogen, den er aber durch den Text bewusst bricht. Man sollte nicht ständig in Schubladen denken.

Wie würden Sie Hindemiths Musik in "Neues vom Tage" beschreiben?

Für mich ist das wie ein Mosaikspiel. Es gibt Momente, wo aus dem Nichts plötzlich ein großer Choral erklingt, dann wieder gibt es Momente, die total verwirrend klingen, als bewusst gesetzter Kontrast.

Warum sind Sie Opernregisseur geworden?

Ich habe schon immer sehr gerne Geschichten erzählt. Ich habe Theaterstücke geschrieben in meiner Grundschulzeit, habe sie inszeniert und gespielt und war immer der Clown in der Klasse, der aus einer Geschichte immer eine eigene Geschichte machen wollte. Bei meiner ersten Inszenierung war ich sechs Jahre alt. Mein Papagei war gestorben und ich habe die Trauerfeier für den Papagei inszeniert, habe Kinder aus der Nachbarschaft zusammengeholt. Sie mussten den Trauerzug bilden, mussten weinen. Irgendwann habe ich gemerkt: Die Leute interessieren sich dafür, sie hören zu, sie lachen oder sind nachdenklich. Als ich noch sehr jung war, hat mich ein Freund in die Oper mitgenommen - "La Bohème" in Prag im Nationaltheater. Ich war so beeindruckt, dass ich von diesem Moment an alles sehen wollte, was im Theater lief.

Wie sind Sie als Regisseur aus Tschechien schließlich nach Deutschland gekommen?

In Deutschland habe ich gesehen, dass man Geschichten auch anders erzählen kann - nicht nur mit Plüsch. Das war der Grund, warum ich angefangen habe, Hospitanzen zu machen und zu assistieren. In Tschechien ging es früher nur um Bühne und Kostüme, nicht um die Geschichte. Die Situation in Deutschland ist einmalig - fast jede Stadt hat ein eigenes Theater. Ich war letzte Woche in dieser Diskussionsveranstaltung in der Reithalle. Ich war so fasziniert, wie die Leute über das Theater gesprochen haben, wie sie mit Vorschlägen kamen. Ich fand das so spannend, dass sich die Leute Gedanken machen über das Thema Theater. Dieses Theater ist so unglaublich, so wunderschön. Als ich hier letztes Jahr zum ersten Mal ankam, stand ich am 1. Januar um 20 Uhr auf diesem Platz - komplett alleine und war beeindruckt.

Als Einspringer sind Sie im vergangenen Jahr sehr, sehr kurzfristig nach Coburg gekommen. Kennen Sie inzwischen mehr von Coburg?

Nichts, gar nichts. Nur die Veste natürlich - die habe ich besucht und auch eine Führung gemacht. Da habe ich erst verstanden, wie wichtig Coburg früher war - Coburg ist das Epizentrum des europäischen Hochadels.

Pflegen Sie Rituale, wenn es auf den Premierenabend zugeht?

Ich habe eigentlich überhaupt keine Rituale. Ich wehre mich gegen Aberglauben, der am Theater sehr verbreitet ist. Nur das "Toi, toi, toi" wünsche ich allen - das gehört dazu, dieser Blick in die Augen, um Vertrauen zu schenken. Denn mit der Premiere gebe ich die Inszenierung aus der Hand. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Generalprobe und Premiere. Das Publikum macht den Unterschied. Bei der Premiere sieht man zum ersten Mal Reaktionen, merkt, wie die Inszenierung ankommt. Für mich ist am interessantesten, wie die Leute darauf reagieren. Ich liebe es, in der Pause durch das Publikum zu laufen und zu hören, was die Leute sagen. Das ist die Kritik, die mich interessiert.

Sie bringen Hindemiths Oper "Neues vom Tage" in Coburg auf die Bühne

Premieren-Tipp "Neues vom Tage" Lustige Oper in drei Teilen von Paul Hindemith, Libretto von Marcellus Schiffer; Samstag, 30. März, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg. - Aufführungen: 5., 12., 17. 4., 19.30 Uhr, 21.4., 18 Uhr, 23. 4., 8., 16., 23. 5., 19.30 Uhr Werkstattgespräch Montag, 18. März, 18 Uhr, Landestheater Produktionsteam Musikalische Leitung: Johannes Braun; Chorleitung: Mikko Sidoroff; Inszenierung: Tibor Torell; Bühne und Kostüme: Sibylle Gädeke; Dramaturgie Dorothee Harpain

Inhalt Kaum sind Laura und Eduard verheiratet, fliegen auch schon die Fetzen. Beiden ist klar: "Wir lassen uns scheiden!" Frau und Herr M empfehlen ihnen die Dienste des "Büros für Familienangelegenheiten", die als perfekten Scheidungsgrund den schönen Herrn Hermann vermieten. Doch der inszenierte Seitensprung wird zum Desaster: Eduard zerschlägt in rasender Eifersucht die Venusstatue des Museums, Laura wird in der Hotelbadewanne liegend mit Herrn Hermann erwischt. Laura und Eduard sind die Neuigkeit des Tages!

Tibor Torell wurde in Tschechien geboren. Bevor er nach Deutschland kam, war er am Nationaltheater Brünn und am Theater ABC in Prag tätig. Torell inszenierte beispielsweise am Theater Aachen und an der Deutschen Oper am Rhein. Vorverkauf Tageblatt-Geschäftsstelle, Theaterkassered