Frank Förtsch: "In der Lokalzeitung muss das stehen, was die Menschen bewegt, die sie lesen - Tag für Tag und Ausgabe für Ausgabe. Aufgabe der Journalisten ist es, diese Themen in Bild und Text so zu erklären, dass sie möglichst viele Leser ansprechen. Das schafft nicht nur journalistische Qualität, sondern nutzt auch den Menschen, über die wir berichten."
Die Zeitungstitel "Fränkischer Tag", "Coburger Tageblatt", "Bayerische Rundschau", "Saale-Zeitung" und "Die Kitzinger" arbeiten seit zwei Wochen mit einer Doppelspitze in der Chefredaktion, einem Chefredakteur Lokales und einem Chefredakteur Mantel/Neue Medien.
Tageblatt: Was hat der Leser von dieser Doppelspitze?
Frank Förtsch, Chefredakteur Lokales: Das ist erstens ein klares Signal, den lokalen Inhalten - unserem Kerngeschäft - von Kronach und Coburg im Norden bis Forchheim und Herzogenaurach im Süden und von Kulmbach im Osten bis Bad Kissingen und Kitzingen im Westen noch größeres Gewicht zu verleihen. Gemeinsam mit rund 150 Redakteuren und einigen hundert freien Mitarbeitern bieten wir ebenso aktuelle und informative wie spannende Inhalte für rund 377000 Leser.
Die Doppelspitze wird es uns zweitens ermöglichen, noch intensiver an Strategien für elektronische Medien zu arbeiten. Drittens wollen wir natürlich in unserer überregionalen Berichterstattung "ausgezeichnet" bleiben. Erst vor wenigen Tagen sind wir für die grafische Gestaltung unsere Zeitung mit einem Preis beim European Newspaper Award bedacht worden.
Zurück zu Ihrem Schwerpunkt, den lokalen Inhalten: Sie waren Redaktionsleiter in Kronach. Wie gut kennen Sie das gesamte Verbreitungsgebiet?
Ich war in den Jahren 2009 und 2010 als geschäftsführender Redakteur für die Mediengruppe tätig und habe in dieser Zeit die Kolleginnen und Kollegen und das Verbreitungsgebiet intensiv kennenlernen dürfen. Meine wichtigste Erkenntnis: Uns eint es, in Franken daheim zu sein, jeder Teil Frankens natürlich mit seinen Besonderheiten. Wir unterscheiden uns wirtschaftlich: hier Siemens, dort Schaeffler und da die HUK - oder auch Brose gleich an mehreren Standorten in Franken. Hier die Gesundheitsregion und der Maschinenbau, dort Brauereien und da Polstermöbelindustrie. Hier die Landwirtschaft, dort das Handwerk und da der Weinbau. Wir haben unterschiedliche kulturelle Schwerpunkte: den Kissinger Sommer, die Bayerische Staatsphilharmonie der Symphoniker in der Weltkulturerbestadt Bamberg, das Landestheater in Coburg, der HUK-Open-Air-Sommer, die Faust-Festspiele in Kronach, ... Was für die Wirtschaft und die Kultur gilt, das trifft auch auf das Freizeitangebot oder das Ehrenamt zu: Jede Region hat ihre speziellen Reize, jede hat natürlich auch ihre besonderen Herausforderungen.
Erwachsen daraus unterschiedliche Interessen des Lesers? Ist denn der Leser in Coburg anders als in Bamberg, derjenige in Kulmbach anders als derjenige in Forchheim usw.?
Ja und nein. Warum "Nein"? Weil jeder Leser Inhalte, die in Bild beziehungsweise Grafik und Text gut aufbereitet sind, natürlich stärker schätzt. Wir sprechen dabei von journalistischer Qualität, von der Art, wie Zeitung gemacht wird. Jeder möchte - egal ob bei einem Fahrzeug, bei der Leistung eines Handwerkes oder bei seiner Zeitung - hohe Qualität. Hier haben wir als Tageszeitung in den zurückliegenden Jahren in der überregionalen und der lokalen Berichterstattung große Fortschritte gemacht.
Warum "Ja"? Weil sich - wie oben festgestellt - die Verbreitungsgebiete im Lokalen unterscheiden, haben die "Saale-Zeitung", "Die Kitzinger", die "Bayerische Rundschau", das "Coburger Tageblatt" und selbst die sechs Lokalausgaben des Fränkischen Tages ihre Leser in der Vergangenheit mit gutem Grund vor allem in der Themenwahl unterschiedlich bedient. Ein Beispiel: In Kronach - ein Kreis mit 70000 Einwohnern - konnte die Lokalausgabe das gesellschaftliche Leben stärker abbilden, als dies in einer Region wie Bamberg mit 210 000 Einwohnern möglich war. Daraus wiederum haben sich je nach Verbreitungsgebiet unterschiedliche Erwartungen unserer Leserinnen und Leser entwickelt.
Wie wollen und wie können Sie dem in der täglichen Berichterstattung gerecht werden?
Zunächst muss man die Erwartungen der Leser kennen. Hier haben wir die Experten vor Ort in unseren Lokalredaktionen: fest verankerte Redaktionsleiter und Redakteure für Lokales und den Sport. Diese kennen ihr Verbreitungsgebiet - ihre Heimat - wie ihre eigene Westentasche. Mit dieser lokalen Kompetenz gilt es, Strategien für die Berichterstattung in jeder Lokalausgabe zu entwickeln. Abgestimmt auf die Heimat unserer Leser. Ausgerichtet an hoher journalistischer Qualität.
Sie wollen die Erwartungen Ihrer bisherigen Leser bedienen und gleichzeitig die Zeitung attraktiver machen für ein jüngeres Publikum. Ist das nicht ein Widerspruch?
Es ist ein Spagat. Es stellt jedoch keinen Widerspruch dar. Ich knüpfe daran an, dass uns alle der Wunsch nach Qualität eint. Für die lokale Berichterstattung bedeutet dies, dass wir das vorhandene lokale Leben - Politik, Wirtschaft und Gesellschaft - stets so interessant darstellen möchten, dass wir damit auch jüngere Leserinnen und Leser ansprechen. Im Idealfall fühlt sich ein junger Leser von einem interessanten Artikel derart angesprochen, dass er sich zum Beispiel in dem Verein, über den wir berichtet haben, engagieren möchte. Je häufiger uns dies gelingt, desto besser: für die Zeitung und für den Verein.
Manche Vereine und Verbände haben sich in den zurückliegenden Monaten teilweise kritisch mit der Berichterstattung auseinandergesetzt. Zu Recht?
Leider ist in dem einen oder anderen Fall unser Streben nach größerer journalistischer Qualität als falsches Signal verstanden worden. Manche Vereine und Verbände gewannen den Eindruck, sie sollen draußen bleiben aus der Zeitung. Dies ging so weit, dass in manchem Fall die Auffassung entstanden ist, wir würden Vereine und Verbände nicht länger berücksichtigen wollen. Genau das Gegenteil war und ist jedoch richtig. Eine Lokalzeitung will und muss auch die wichtigen Anliegen und Botschaften der ehrenamtlich Tätigen an den Mann oder die Frau bringen. Freilich möglichst so, dass diese Botschaften auch ankommen. Wieder sind wir bei der journalistischen Qualität. Nur dadurch gelingt es uns gemeinsam, dass diejenigen, über die wir berichten, davon auch profitieren: durch größere öffentliche Aufmerksamkeit. Es gibt zahlreiche Verein und Verbände, die diese Erfahrung bereits gemacht haben. Insofern haben wir für die Art, Inhalte mit hoher journalistischer Professionalität aufzubereiten, auch viel Zustimmung erfahren.
Sie sprechen immer wieder von journalistischer Qualität. Wer definiert diese, wer legt die Maßstäbe fest?
Grundsätzlich gilt: Journalistische Qualität definiert jeder unserer Leser für sich. Journalistische Qualität ist aber auch messbar. Aufschluss darüber, was beim Leser ankommt, gibt uns die Leserverhaltensforschung. Eine solche führen wir gerade in drei unserer zehn Ausgaben durch - der Saale-Zeitung, der Bayerischen Rundschau und der Ausgabe Bamberg des Fränkischen Tages. Mit diesem "Readerscan", aber auch mit anderen Methoden der Leserforschung lässt sich klar erkennen, wie Seiten gestaltet, Artikel aufgebaut, Überschriften formuliert, Bilder gewählt werden müssen, damit die darin enthaltenen Informationen beim ganz normalen Leser wirklich ankommen.
Besonders spannend ist es übrigens, wenn man sieht, dass ein und dasselbe Thema, anders geschrieben und illustriert, bei Lesern auch ganz anders ankommt. Aktualität, Mehr-Quellen-Recherche, ethische und rechtliche Grundregeln wie die Trennung von redaktionellen Berichten und Anzeigen sind weitere Kriterien für journalistische Qualität.
Die Zeitung muss sich also ständig verändern?
Nichts ist bekanntlich beständiger als der Wandel. Vergleichen Sie die Zeitung von heute mit derjenigen von vor fünf, zehn oder 20 Jahren: Da liegen teilweise Welten dazwischen. Ohne Sie zu erschrecken: Aber das Gleiche werden wir in fünf, in zehn oder in 20 Jahren feststellen. Eine Tageszeitung will und muss mit der Zeit gehen. Wir, die Teams in den zehn Lokalredaktionen, sind bereit, uns der Veränderung zu stellen. Auch weil wir wissen, dass sich das Mediennutzungsverhalten der Menschen verändert. Jüngere Menschen zum Beispiel, die sich die schnelle Nachricht aus dem Internet holen, verlangen in der Zeitung nach vertiefenden Informationen. Die Zeitung wird sich also wandeln müssen. Das kann aber nur gemeinsam mit denjenigen Lesern gelingen, die uns seit Jahren die Treue halten.
Wie wollen Sie angesichts offensichtlich unterschiedlicher Interessen der Lesergenerationen eine Gemeinsamkeit herstellen?
Indem wir mit den Menschen sprechen, sie an dieser Weiterentwicklung der Zeitung teilhaben lassen. Indem wir die Zeitung - wie in der Vergangenheit - schrittweise verändern. Indem wir die Heimatzeitung der Zukunft bleiben. Zudem muss die Definition einer Zeitung überdacht werden. Der Begriff im engen Sinne betrifft nur das Printprodukt. Zeitungen heute sind aber viel mehr: Sie sind Medienprodukte, die Inhalte über viele verschiedene Medienformate transportieren. Zum Beispiel sind auf den Online-Seiten unserer Tageszeitungen pro Monat 1,5 Millionen Besucher. Die Leser möchten - unabhängig vom Medienkanal - zum einen lokale Informationen. Zum anderen wollen sie wissen, welche Auswirkungen internationale Ereignisse auf unsere Region Franken haben. Medienprodukt heißt in diesem Zusammenhang also, dass sich die Zeitung durch verschieden Online- und Mobil-Angebote ergänzen muss.
Sie möchten stärker in den Dialog mit den Lesern treten. Werden Sie der Heimat auch in der Tageszeitung mehr Platz widmen?
Ja. Wir möchten auch in der Berichterstattung noch näher an die Menschen in der Region heranrücken. Das wird schon am kommendem Samstag sichtbar werden: Ab dann werden wir - je nach Bedarf in den unterschiedlichen Verbreitungsgebieten - Berichte, die unseren Lesern wichtig sind, auf einer Seite "Bei uns zu Hause" anbieten.
Auf was dürfen die Leser in Coburg demnächst gespannt sein?
Oliver Schmidt, Redaktionsleiter Coburger Tageblatt: Wir werden eine gute Mischung aus Kür und Pflicht bieten. An Themen mangelt es uns ja zum Glück nie: Die Stadt Coburg muss mit ihrer schwierigen Haushaltssituation fertig werden, Rödental fiebert der Fertigstellung der Ortsumgehung entgegen, die noch dazu Neustadt näher an die Vestestadt rücken wird, und in Bad Rodach werden die Weichen für die Zukunft des Stadtmarketings gestellt. Dazu hält uns auch der Sport auf Trab: Kann sich der HSC 2000 in der 3. Liga weiter an die Tabellenspitze heranpirschen und können die Volleyballer der VSG Coburg/Grub in der Zweiten Bundesliga den Abstiegskampf vermeiden? Darüberhinaus werden wir unseren Leser natürlich auch weiterhin kritische Blicke hinter die Kulissen von Politik und Gesellschaft bieten sowie Geschichten und Reportagen rund um engagierte Menschen. Eckpfeiler im Tageblatt sind und bleiben zudem unsere beliebten Glossen "Cokeriki", "Land in Sicht", "Mannsbilder" und "SamsTage" - und schon jetzt freue ich mich auf den satirischen Ausblick auf 2012, der längst eine schöne Tradition in der Silvester-Ausgabe ist. Und 2012 wird auch wieder spannend: Wer wohl zu den Schlossplatz-Open-Airs kommt? Wird eine Lösung für die knifflige Sanierung des Landestheaters gefunden? Außerdem stehen große Jubiläen an: Der Deutsche Sängerbund feiert in Coburg sein "150-Jähriges", die Gemeinde Ebersdorf ihr 750-Jähriges.
Doppelspitze
Chefredakteur Mantel/Neue Medien Christian Reinisch ist seit 26 Jahren Redaktionsmitglied des Fränkischen Tages. Ab 1988 war er in der Politikredaktion tätig und wurde 1998 zum Ressortleiter Politik. Darüber hinaus arbeitete Reinisch unter dem damaligen Chefredakteur Siegfried Hännl mehrere Jahre als stellvertretender Chefredakteur. Nach der Einführung des News desks in der Zentralredaktion 2005 übernahm Reinisch die Position des Nachrichtenchefs am Desk.
Chefredakteur Lokales Frank Förtsch ist seit 1999 Redaktionsmitglied des Fränkischen Tages. Ab 2004 leitete er die Lokalredaktion Kronach. 2009 und 2010 war er als geschäftsführender Redakteur der Mediengruppe Mitglied der Chefredaktion.
red
natürlich! Das heißt noch lange nicht, dass man jede Sprachpanscherei akzeptieren muss. Nicht jeder Neologimus eines Werbefritzen verdient es, ernst genommen zu werden - erinnert sei an missverständliche und alberne Blüten wie "Bodybag", "Backshop" oder auch "Handy" - von den verschleiernden Sprachschöpfungen von Telekom und Bahn möchte ich erst gar nicht anfangen. Bei native speakers erntet man mit diesen vermeintlich englischen Begriffen bestenfalls mitleidiges Grinsen, oft aber blankes Unverständnis.
Kürzlich sah ich zwei bezeichnende Beispiele für diese Art von Sprachverwilderung (zwei Geschäftsschilder):
- "Coffee to go - jetzt auch zum Mitnehmen"
- "point - shop to go"
Ergibt das irgendeinen Sinn? (Oder neudeutsch a la Spiegel: "Macht das Sinn?")
Fazit für mich: Dr Pflichtfeld muss "supported" werden, innit?
gez. Beutebayer (Anglist und Denglisch-Hasser)
"Haltet die deutsche Sprache clean!" –
Der neueste Blödsinn scheint "liefern" zu werden, angelehnt an das englische "deliver" was umgangssprachlich im Sinne von "Erwartungen erfüllen" verwandt wird.
Keinen Fisch mögen, aber Anglistik studieren ...
Herr Dr. Pflichtfeld!
Als sprachwissenschaftlich Interessierte möchte ich Ihnen sagen, dass wir ohne Sprachwandel uns noch auf Mittel- oder sogar Althochdeutsch unterhalten würden! Auch als älterer Mensch sollte man dieser Entwicklung aufgeschlossen gegenüberstehen!
... aber das ändert nichts an der Tatsache, daß "Unterschied machen" im Deutschen "blühender Blödsinn" ist. Vielleicht sollten wir darüber mal einen "Kaffee zum Gehen" trinken.
Stets der Ihre
Dr. Pflichtfeld
(in echt promovierter Indogermanist und immer aufgeschlossen für wirkliche Sprachbereicherungen)