Wie Hazel Brugger bei ihrem Coburg-Debüt das Publikum im ausverkauften Jugendzentrum "Domino" irritiert und doch in Bann zieht.
Der Titel auf dem Plakat an der Eingangstür zum Coburger Jugendzentrum "Domino" liest sich im ersten Moment etwas irritierend: "Hazel Brugger passiert". Doch wer die Künstlerin aus der Schweiz bei ihrem Coburg-Debüt vor ausverkauftem Haus erlebt, kommt schnell zu der Erkenntnis: Der Titel passt.
Welches Etikett passt?
Denn dem Publikum widerfährt tatsächlich die Begegnung mit einer Bühnenkünstlerin, die in keine gängige Schublade passen will. Kabarett? Comedy? Pure Sprachakrobatik oder vielleicht doch Selbsttherapie auf offener Bühne? Hazel Brugger ist eine gnadenlose Zerstörerin von Illusionen.
Wo Pointen lauern
Sie treibt ein Spiel mit ihrem Publikum, bei dem es kein Entrinnen gibt. Das Publikum weiß, dass Hazel Bruggers Geschichten immer auf ein irgendwie erschreckendes Ende zulaufen. Die Zuhörer wissen, dass nach jedem Komma, in jedem Nebensatz eine zynische Pointe lauern kann - eine Pointe, vor der es kein Entrinnen gibt.
Tod am Snackautomaten
"Ich lese gerne exotische Todesanzeigen", versichert Brugger und listet dann zum Beweis ein paar besonders ungewöhnliche Todesarten auf. Wer schließlich erwartet es, beim Kauf an einem Snackautomaten auf einem Bahngleis irgendwo in der fränkischen Provinz zu Tode zu kommen?
Publikumsbeschimpfung
Hazel Brugger beherrscht die Kunst der subtilen Publikums-Beschimpfung. Sie bringt ihre Zuhörer dazu, dort zu applaudieren, wo sie wütend sein könnten, weil sie gerade mal wieder verbal attackiert werden. Damit gar keine Illusionen aufkommen können, erklärt Brugger: "Sie sind der Kunde und ich bin das Produkt."
Den Irrsinn der Welt erklären
Warum aber lässt sich das Publikum auch in Coburg ein auf diese ganz und gar nicht verklärende Art der Weltbetrachtung und Welterklärung? Vielleicht, weil sie in Bruggers (scheinbarem?) Zynismus den Versuch erkennen, sich den Irrsinn der Welt nicht heuchlerisch verklären zu wollen und trotzdem nicht zu verzweifeln.
Twitter des 18. Jahrhunderts
Vielleicht aber hat Hazel Bruggers Erfolg auf der Bühne wie im Fernsehen mit ihrer Fähigkeit zu tun, Dinge des alltäglichen Lebens so suggestiv und anschaulich zu beschreiben, dass sie plötzlich in einem völlig neuen Licht erscheinen. Wie zum Beispiel erklärt man einem mit einem Smartphone aufgewachsenen jungen Menschen, was eine Postkarte ist? Ganz einfach: "Eine Postkarte ist das Twitter des 18. Jahrhunderts."
Wiedersehen im Kongresshaus
"Ich sage lieber, dass ich aus dem Poetry Slam komme", erklärt Brugger gleich am Anfang. Immer wieder kokettiert sie mit dem Etikett Kleinkunst - und erntet am Ende tosenden Applaus. Hazel Bruggers nächstes Coburg-Gastspiel ist übrigens schon gebucht für das nächste Jahr, verrät Veranstalter Wolfgang Friedrich am Rande - dann freilich in größerem Rahmen: im Kongresshaus.
Aus dem Leben einer jungen Kabarettistin
Hazel Brugger, 1993 in San Diego in den USA geboren, erhielt als Schweizer Slam-Poetin, als Stand-up-Comedian und Kabarettistin bereits zahlreiche Auszeichnungen. Sie wurde Schweizer Meister im Poetry Slam (2013)und Schweizer Kolumnistin des Jahres (2016). 2017 wurde sie gleich mehrfach ausgezeichnet: Förderpreis des Deutschen Kleinkunstpreisen der Stadt Mainz, Salzburger Stier, Bayerischer Kabarettpreis (Senkrechtstarter-Preis), Swiss Comedy Award (Jurypreis), Deutscher Comedypreis (Beste Newcomerin). Sie tritt regelmäßig in verschiedenen Satireformaten im TV auf ("heute-show", "Die Anstalt", "Nuhr im Ersten") und tourt mit ihrem Soloprogramm "Hazel Brugger passiert" durch die Schweiz, Deutschland und Österreich. Zudem tritt sie als Kolumnistin hervor ("Das Magazin"). Gesammelte Kolumnen und weitere Texte sind in dem Band "Ich bin so hübsch" erschienen.