Ulrich S. will seine Frau Maria im Alten Schützenhaus erschossen haben, weil er mit der Flinte in der Hand über seinen Hund stolperte. Beim gestrigen Prozess-Auftakt wurde schnell klar, dass Gericht und Staatsanwältin ihm nicht glauben.
Mit der Original-Waffe in der Hand demonstrierte der ehemalige Coburger Gastronom Ulrich S. gestern der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Coburg, wie er am 6. Oktober vergangenen Jahres seine Ehefrau Maria S. erschossen hatte. Der 55-Jährige stellte das Geschehen jener Nacht beim gestrigen Prozessauftakt als tragischen Unfall dar.
Aufgrund der Spurenlage und speziell der Bewertung eines Waffen-Sachverständigen tat sich Vorsitzender Richter Gerhard Amend allerdings äußerst schwer, dem Angeklagten die Unfall-Version abzunehmen. Amend ordnete eigens eine "etwas längere" Mittagspause an, um Ulrich S. Gelegenheit zu geben, gemeinsam mit seinem Verteidiger Hans-Heinrich Eidt seine Darstellung der Ereignisse noch einmal in Ruhe zu überdenken.
Amend ging zunächst davon aus, dass der Angeklagte das Reden seinem Verteidiger überlassen werde, sprich, dass Eidt eine Erklärung zum Tathergang verlesen werde.
Doch Ulrich S. wollte selbst umfassend aussagen. So waren die ersten drei Stunden der Verhandlung dem Werdegang des Angeklagten, der - offenbar nicht unkomplizierten - Beziehung zu seiner Ehefrau Maria, der Waffe und dem Ablauf der Ereignisse am späten Abend des 6. Oktober 2012 gewidmet. Immer wieder verhaspelte sich der Angeklagte, verstrickte sich gar in Widersprüche, besonders dann, wenn es um die zeitliche Einordnung von Ereignissen ging. So konnte er sich beispielsweise nicht mehr erinnern, wann seine erste von drei Ehen geschieden wurde: "1998 oder 99, ich weiß es nicht mehr so genau."
Ulrich S., ein großer, schlanker Mittfünfziger mit grau-meliertem Haar, berichtete der Kammer zunächst noch flüssig, wie der verhängnisvolle Abend damals abgelaufen war, doch je näher er dem Todesschuss auf seine Frau kam, desto stockender wurde seine Erzählung.
Das Paar verbrachte den Abend in der Gaststätte Altes Schützenhaus im Weichengereuth, das die beiden als Wirtsleute betrieben. Nachdem die letzten Gäste und die Angestellten gegangen waren, begab sich Maria S. gegen 22.15 Uhr nach oben in die gemeinsame Wohnung, während Ulrich S. Lily, den Yorkshire-Terrier der Familie, Gassi führte. Danach, so gibt S. an, holte er die Bockdoppelflinte aus dem Waffenschrank und lud sie noch in der Wohnung, um im Keller auf Rattenjagd zu gehen. Seine Frau habe ihm etwas zugerufen. Ulrich S. drehte sich zu ihr herum, "da ist mir Lily zwischen die Beine gelaufen".
Angeklagter wollte die Trennung Der 55-Jährige machte dem Gericht vor, wie er angeblich ins Stolpern geriet, wie daraufhin die Flinte, die er unter dem Arm trug, erst mit dem Lauf auf dem Boden aufschlug und ihm dann aus der Hand rutschte.
Als er das Gewehr mit beiden Händen abfangen wollte, habe sich der tödliche Schuss auf seine Frau gelöst. Als er bemerkte, was er angerichtet hatte, wollte Ulrich S. nach eigenem Bekunden selbst nicht mehr leben und versuchte, sich mit einem Schuss ins Herz selbst zu töten.
Obwohl die Demonstration mit der Waffe den Anschein erweckte, es könnte so gewesen sein, haben Gericht und Staatsanwaltschaft erhebliche Zweifel an der Unfall-Version. Zu vieles spreche dagegen, sagte Vorsitzender Richter Gerhard Amend. Zum einen passe die Spurenlage, etwa der Einschusswinkel und die Streuung der Schrotkugeln in der Leiche, laut Gutachter nicht zur Darstellung des Angeklagten. Außerdem soll das Paar noch im August kurz vor der Trennung gestanden haben. Ein E-Mail-Wechsel, der dem Gericht vorliegt, belegt, dass Ulrich S. ernsthaft vorhatte, sich von seiner Frau zu trennen, weil diese ihren Arbeitsplatz nach München verlegen wollte.