Mit Emmerich Kálmáns "Zirkusprinzessin" gelingt eine bemerkenswert wetterfeste Inszenierung auf der Waldbühne Heldritt. Bei der ausdauernd bejubelten Premiere lassen sich Künstler und Publikum auf von den widrigen Witterungsbedingungen nicht irritieren.
Es regnet in Strömen in Heldritt. Nur noch eine Dreiviertelstunde bis zum Premierenbeginn der "Zirkusprinzessin" auf der Waldbühne. Doch bei den Machern der "Coburger Sommeroperette" herrscht Zweckoptimismus. Derweil übt sich Regisseur Thomas Mittmann singend in leiser Ironie. Während er vor den Umkleideräumen auf besseres Wetter wartet, stimmt er passend eine Kálmán-Melodie an: "Wo ist der Himmel so blau wie in Wien?"
Stimmungsvolles Bühnenbild Der Himmel über Heldritt aber bleibt an diesem Abend unerbittlich grau. Immerhin lässt der Regen dann doch etwas nach, als die Ouvertüre zu Kálmáns "Zirkusprinzessin" ertönt. Das Spiel an diesem reichlich feuchten und schon herbstlich kühlen Abend kann beginnen. Und dieses Spiel heißt: Reiche Witwe liebt einen scheinbar mittellosen Außenseiter.
Das klingt ein wenig nach "Lustiger Witwe" und bietet in der Verbindung mit der scheinbar unverwüstlichen Kraft der Kálmán-Melodien auch heute noch reichlich Bühnenpotenzial, wie die Neuinszenierung der "Coburger Sommeroperette" beweist.
Wie aber bringt man im Jahr 2014 ein 1926 uraufgeführtes Werk auf die Bühne, in dem immer wieder von Fürsten und Husaren die Rede ist und in dem der unsichtbar bleibende russische Zar eine dramaturgisch gar gewichtige Rolle spielt? Gastregisseur Thomas Mittmann setzt ganz bewusst und unverstellt auf die Kraft des Originals. Wie schon bei Millöckers "Gasparone" an gleicher Stelle vor zwei Jahren beweist Mittmann, dass eine im besten Sinne werktreue Inszenierung keineswegs verstaubt daher kommen muss.
Thomas Mittmanns Regie folgt völlig uneitel der Dramaturgie des Stückes und setzt vor allem auf präzise Charakterisierung der einzelnen Rollen.
Zudem beweist Mittmann sein Geschick für lebendig und präzis durchgestaltete Massenszenen mit Chor und Ballett (Elevinnen des Ballettstudios Ramona und Dominique Scholz, Choreografie: Jan Reimitz).
Den passenden Rahmen liefert Frieder Klein mit seinem stimmigen, geschmackvoll arrangierten Bühnenbild, das im ersten Akt glitzernde Zirkusatmosphäre mit Lichterketten und gerafften Vorhängen auf die Waldbühne zaubert und den folgenden beiden Akten mit wenigen Versatzstücken und geschickter Lichtregie (Ralf Beyer) wirkungsvolle Verwandlungen ermöglicht. Prachtvolle, üppige Kostüme sind die perfekte Ergänzung dazu.
Souveräner Dirigent Ganz zentral postiert ist in dieser Inszenierung das Orchester.
Die Musiker sitzen nicht wie üblich seitlich im vertrauten Orchesterpavillon, sondern thronen regelrecht in der Mitte des Bühnenbildes - direkt über dem Haupteingang zum Zirkus. Das ist optisch eine gelungene Lösung, die dem Dirigenten freilich Schwerstarbeit abverlangt, weil er kaum Blickkontakt zu den Sängern aufnehmen kann.
Doch Christian Simonis bewältigt auch diese Herausforderung mit ruhiger Souveränität. Simonis, der die musikalische Leitung wenige Wochen vor Probenbeginn für den erkrankten Ivan Boldog übernommen hat, ist nicht nur ein Routinier, sondern vor allem ein Maestro mit sicherem Stilgefühl für die Operette. Er hält nicht nur Bühne und Orchester reaktionsschnell zusammen und fängt dabei auch kleine Temposchwankungen mühelos auf, sondern achtet zudem auf lebendig gestaltete Übergänge.
Unter seiner Leitung überzeugt das Orchester der Sommeroperette durch konzentriertes, klanglich gut ausgewogenes Musizieren.
Gut vorbereitet (Einstudierung: Stefan Meier) und vor allem bemerkenswert spielfreudig agiert der Chor der Sommeroperette. Artisten des "Kinder- und Jugendcircus Maria Krumm" beleben einige Szenen zusätzlich mit ihren Darbietungen.
Solistisch ist diese Heldritter "Zirkusprinzessin" bis in die Nebenrollen hinein sehr überzeugend besetzt. In der Titelrolle: Katharina Melnikowa als verwitwete, von vielen Verehrern umschwärmte Fürstin Fedora. Sie überzeugt vor allem in darstellerischer Hinsicht, setzt aber auch ihren betont schlanken Sopran geschickt ein.
Adam Sanchez als Mister X Hinter der Maske des geheimnisvollen Mister X verbirgt sich der enterbte Neffe eines Fürsten, der seinen Lebensunterhalt mit abenteuerlichen Darbietungen im Zirkus verdient. Stimmlich ist diese Partie eine echte Herausforderung für einen Tenor mit dramatischen Anlagen. Adam Sanchez bewältigt sie mit Elan und vokalem Durchsetzungsvermögen.
Als Buffopaar begeistern Elisabeth Jahrmann in der Rolle der Miss Mabel und Alexander Helmer als Toni Schlumberger. In bester Operettenmanier streiten sich die Beiden bis zum letztlich doch unvermeidlichen Happyend. Jederzeit präsent: John Sweeney als intriganter Prinz Sergius.Und Ernst Prassel beweist, dass die Sprechrolle des altgedienten Kellners Pelikan auch heute noch umwerfendes komödiantisches Potenzial besitzt.
Das unerschütterlich wetterfeste Publikum der "Sommeroperette" spendiert am Ende allen Mitwirkenden sowie dem gesamten Produktionsteam bemerkenswert ausdauernden Beifall.