Das Strafmaß für die vier Angeklagten im Prozess um den Tod von Wolfgang R. steht fest, doch nicht alle Beteiligten sind zufrieden. Verteidiger und Staatsanwaltschaft denken nun über eine Revision nach. Lediglich der Angeklagte Paul K. scheint das Urteil zu akzeptieren.
Maria S. lauscht dem leisen Flüstern ihrer Portugiesisch-Dolmetscherin, ihr Noch-Ehemann Helmut S. sitzt regungslos auf seinem Stuhl, ebenso Peter G., einer der beiden Haupttäter. Sein Komplize, Paul K. macht sich derweil eifrig Notizen. Auf der anderen Seite des Schwurgerichtssaales die Tochter von Wolfgang R., der in der Nacht des 11. Dezember 2013 von Peter G. und Paul K. zu Tode getreten wurde. Sie hat den Blick gesenkt und schüttelt immer wieder kaum merklich den Kopf, während Gerhard Amend die Begründung des Urteils vorträgt. Für das Gericht war es eine schwierige Entscheidung, weil in den vielen Verhandlungstagen nicht alle Abläufe zweifelsfrei geklärt werden konnten.
13 Jahre und sechs Monate, so hat die Erste Große Strafkammer am Landgericht Coburg entschieden, müssen Peter G. und Paul K. ins Gefängnis. Für Maria S. und ihren Noch-Ehemann Helmut S. sind es immerhin noch jeweils sieben Jahre Haft.
Mit ihrem Urteil bleibt die Kammer einiges unter dem, was Staatsanwalt Matthias Huber am Donnerstag in seinem Plädoyer gefordert hatte: je neun Jahre für Maria und Helmut S., zweimal "lebenslänglich" für die beiden Haupttäter. "Lebenslänglich" an einem Freitag, den 13.? Das gibt es wohl nur in Hollywood.
"Es ist richtig, dass Gerichte die Wahrheit aufklären müssen", sagt Amend nach der Verkündung des Strafmaßes. Was den Totschlag von Wolfgang R. angehe, könne man aber nur von einer "forensischen, von einer begrenzten Wahrheit" sprechen. Nach den Vorgaben der Strafprozessordnung haben die Ermittler und seit Prozessbeginn am 26. November 2014 auch das Gericht alles Mögliche getan, um Beweismittel zu sammeln.
Spuren und Geständnisse "Wir haben Zeugenaussagen, aber keine direkten zum Tatgeschehen.
Wir haben den Leichnam, haben Spuren, die ausgewertet wurden, haben Fußtritte, die von Sachverständigen untersucht wurden, DNS-Spuren und sogar einen Augenschein unter gleichen Bedingungen wie in der Tatnacht", zählt Amend auf. Beweiswert hätten auch die Geständnisse, die die vier Angeklagten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlicher Intensität abgelegt hatten. Was aber fehlt, ist ein Zeuge, der bei der Tat dabei war, der dem Gericht zweifelsfrei hätte berichten können, was sich zugetragen hat. "Wenn wir alles was wir haben, kritisch hinterfragen, liegen manche Bereiche immer noch im Dunkeln."
Darin sieht auch Felix Leyde, der Anwalt von Helmut S., das größte Problem: "Keiner weiß, was wirklich die Wahrheit ist. Ob es so gewesen ist, wie es das Gericht darstellt, weiß - wenn überhaupt - mein Mandant." Will er gegen das Urteil vorgehen? "Wir haben jetzt eine Woche Zeit, es uns zu überlegen.
Im Moment sieht es eher danach aus, dass wir in Revision gehen, weil mein Mandant nicht davon überzeugt ist, hier zu recht verurteilt worden zu sein."
Kerstin Rieger, die Verteidigerin von Paul K. geht dagegen davon aus, dass ihr Mandant das Urteil akzeptieren wird: Das Urteil entspreche eigentlich genau ihrem Antrag - "Totschlag mit Diebstahl. Wir müssen es jetzt prüfen und es sich erst einmal setzen lassen. Aber ich gehe davon aus, dass es von unserer Seite so bleibt." Was passiert sei, tue ihrem Mandanten sehr leid. "Er hat sich in seinem Schlusswort auch noch einmal bei den Angehörigen entschuldigt - im Rahmen dessen, was möglich war." Ungeschehen machen könne man es leider nicht mehr.
Traumatisches Erlebnis Anwalt Thomas Weckbrodt, der die Tochter von Wolfgang R.
als Nebenklägerin vertrat, will angesichts des "traumatischen Erlebnisses" für seine Mandantin nicht von Zufriedenheit mit dem Urteil sprechen. "Es ist ein Mensch gestorben. Damit wurden Leben zerstört, auch das der Angehörigen. Man kann vielleicht sagen, das Strafmaß für die beiden Angeklagten G. und K. ist eine Erleichterung für meine Mandantin. Wir müssen jetzt abwägen, ob es für sie nicht eine zu große Belastung wäre, das Verfahren weiterzuführen, sprich, in Revision zu gehen. Sie muss das erstmal verarbeiten."