Ein Stück Heimat um den Hals

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Keine abstrakte Kunst, sondern ein Stadtplanausschnitt, als Erinnerung an die Heimat. Der Stadtplan wurde in Holz gelasert und ist als Schmuckstück zu tragen. Foto: Simone Bastian
Keine abstrakte Kunst, sondern ein Stadtplanausschnitt, als Erinnerung an die Heimat. Der Stadtplan wurde in Holz gelasert und ist als Schmuckstück zu tragen. Foto: Simone Bastian
Moritz Schröer, Georg Bayerlein und Felix Klein bauten Möbel mit Flüchtlingen.
Moritz Schröer, Georg Bayerlein und Felix Klein bauten Möbel mit Flüchtlingen.
 
Carina Fobbe (links) baut mit Hilfe von Susanne Weishaupt ihr Flüchtlingsbett auf.
Carina Fobbe (links) baut mit Hilfe von Susanne Weishaupt ihr Flüchtlingsbett auf.
 
Modell einer sich selbst aufblasenden Rettungsinsel. Der Biokunststoff verrottet nach zwei Wochen im Meer.
Modell einer sich selbst aufblasenden Rettungsinsel. Der Biokunststoff verrottet nach zwei Wochen im Meer.
 

Was brauchen Flüchtlinge? Zwölf Studierende des Integrierten Produktdesigns fanden höchst unterschiedliche Lösungen.

Flüchtlinge erzählen von Verlusten: Heimat, Angehörige, Erinnerungsstücke. Vieles, wenn nicht gar alles, haben sie zurücklassen müssen. In den Notunterkünften fehlt es an Privatheit, in den Flüchtlingsheimen an Eigenem, so, als habe der Mensch ein Bedürfnis zu sagen "das gehört (zu) mir".

Die Studierenden des vierten Semesters im Integrierten Produktdesign sollten im Auftrag von Professor Peter Raab Dinge entwickeln, die Flüchtlingen nützen. Diese Produkte oder Konzepte sollten "um- und durchsetzbar sein", sagte Raab bei der Präsentation. "Wir können als Gestalter nicht in Syrien eingreifen" - aber es gab mit Daniel Härdtl einen Studierenden, der helfen will, den Weg der Flüchtenden übers Meer sicherer zu machen, wenn sich die Ursachen der Flucht schon nicht beseitigen lassen.
Dafür entwickelte er das Modell einer selbstaufblasenden flexiblen Rettungsinsel aus Biopolymeren, die nach einer gewissen Zeit im Meer rückstandsfrei verrotten.

Nicht nur, dass jedes der entwickelten Dinge einen Namen erhielt - die Studierenden mussten auch geeignete Materialien finden und begründen, welchen Nutzen ihre Produkte für die Zielgruppe haben.


Ein Stück Privatsphäre

Die übrigen Arbeiten befassten sich mit der Situation der Angekommenen. Annika Tessmer und Carina Fobbe versuchten mit ihren Arbeiten, die Situation in den Notunterkünften zu verbessern. Dort steht Feldbett an Feldbett, es gibt kaum eine Chance auf ein bisschen Privatsphäre oder einen Rückzugsort. Dafür entwarf Annika Tessmer Seitenwände, die an jedem Feldbett befestigt werden können und so zumindest knapp zwei Quadratmeter blickgeschützten Raum gewähren. Carina Fobbe entwickelte einen neuen Typ Bett: Miteinander verbundene stabile Kartons bilden einen Bettkasten, obendrauf liegt eine Luftmatraze, so dass der Nutzer wenigstens seine Habseligkeiten verstauen kann.

Menschen, die in Unterkünften leben, haben mehr Platz - aber es fehlt ihnen das Eigene. Das griffen Georg Bayerlein, Felix Klein und Moritz Schröer auf, die mit Coburger Flüchtlingen Möbel nach deren Bedürfnissen bauten. Gewünscht waren Regale und Tische - die drei Studierenden entwarfen ein Regal, das zur Sitzbank umfunktioniert werden kann, schraubten aus Bettlatten und einem Kunststoff-Monoblocksessel einen Schaukelstuhl zusammen. "Der wäre auch in Kreuzberg hip", urteilte Professor Raab, der auch Praxisbeauftragter ist.


Praktische Alltagshinweise

Die drei Studierenden mussten für die beiden Workshops nicht nur das Material organisieren, sondern auch das Werkzeug - aus versicherungstechnischen Gründen, wie sie erzählten. Lea Böhner und Eva Rieth entwickelten ein Spiel, das beim Sprachenlernen helfen kann, Sebastian Dennert merkte in seinem Heimatort Pommersfelden, dass Flüchtlinge im Deutschkurs zwar viel Allgemeines über Deutschland lernen, aber wenig Spezielles über den Ort, in dem sie leben. Also entwarf er ein Beschilderungssystem, unterstützt von einer Handy-App, das markante Punkte oder Gebäude erläutert, und zwar mit wenigen Worten und auf den ersten Blick verständlichen Symbolen.

Da sind dann auch Verbotszeichen dabei. Darüber habe er lange nachgedacht, sagte Dennert. Aber von den Flüchtlingen habe er erfahren, dass sie auch Verbotshinweise als hilfreich empfinden - es gibt Sicherheit, zu wissen, was erlaubt ist und was nicht.

Andrea Ruff sowie Inga Hamelmann und Nam Fon Nather hatten sich mit dem Thema Heimatverlust auseinandergesetzt. Heraus kamen Schmuckstücke - individuell geformte Scheiben aus Heimaterde, mit Fingerabdrücken der Verwandten. Andrea Ruffs Idee lässt sich freilich nur von denjenigen verwirklichen, die sich noch nicht auf den Weg gemacht haben. Inga Hamelmann und Nam Fon Nather lasern Stadtplanausschnitte in Holz oder Leder. Sie zeigen den Ort, an dem jemand wohnte, als tragbare Erinnerung. Tragbares schuf auch Viktoria Siegel: Sie funktionierte alte Kleidungsstücke zu Rucksäcken und Taschen um. "Das ist vielleicht nicht nur etwas für Flüchtlinge", sagte sie. Liebgewordene T-Shirts haben viele.