In Zeiten steigender Ölpreise, schießen die Heizkosten durch die Decke. Alternativen sind dezentrale Energieversorgung oder Nahwärme. Einige Bewohner der Eichaer Kastanienallee gehen genau diesen Weg.
Die steigenden Heizölpreise ärgern Sven Siegel schon lange nicht mehr. In seinem Haus ist zwar eine Ölheizung eingebaut, aber seit einigen Jahren schmeißt er sie höchstens zweimal im Jahr an, damit der Schornstein nicht vermoost, so Siegel. Aber er ist kein überengagierter Energiesparer oder hat gar eine Ölquelle im Garten. Womit hält er sein Haus sonst warm und sorgt für das täglich benötigte warme Wasser? Siegel bekommt seine Wärme von Landwirt Timo Sollmann, seinem Nachbarn.
Rund 1,10 Meter tief in der Erde liegen die Leitungen, die vom Hof der Sollmanns unter der Straße in den Heizungsraum der Siegels verlaufen. Neben der kaum noch benutzten Ölheizung hängen Wärmetauscher und ein kleiner Zähler an der Wand. Mehr ist nicht nötig, um die Wärmeenergie in die Heizung oder die Dusche des Nachbarn zu bringen.
Dezentrale Energieversorgung und Nahwärme heißt das in der Sprache der Energiewende. Sven Siegel nennt es einfach "Glücksfall". Er war im Herbst 2010 auf der Suche nach einer neuen Heizungsanlage: "Ich habe mit Timo gesprochen, er hat sein Konzept vorgestellt und ich habe zugestimmt. Seitdem habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Es ist wie Wärme aus der Steckdose."
Aber Siegel ist nicht der einzige Bewohner der Kastanienallee in Eicha, der von der Biogasanlage des Landwirtes Sollmann profitiert. "Momentan sind drei Grundstücke angeschlossen, aber durch die Bauarbeiten in der Straße werden es bald acht sein", sagt Sollmann. Denn vor seiner Tür schaufeln bereits Bagger - die Kastanienallee wird saniert. Eine gute Gelegenheit Nahwärme-Leitungen zu verlegen. "Eine Heizungsbaufirma macht die ganzen Facharbeiten und verlegt die Leitungen. Danach wird die Wärme eingespeist", sagt Sollmann.
Ölheizung nur noch für Notfälle Größtenteils behalten die Nahwärme-Kunden von Sollmann ihre Ölheizungen, um diese im Notfall oder bei besonders niedrigen Temperaturen, zuschalten zu können. Aber ihre Wärme bekommen sie für 4,6 Cent netto pro Kilowattstunde von ihrem Straßennachbarn. "Das Potenzial ist vorhanden", sagt Sollmann und klettert die Leiter an einem großen Containern hinauf. Darin liegen Holzschnitzel, die er mit der Wärme seiner Biogasanlage trocknet. Große gelbe Schläuche leiten die Wärme in die Container, mehrere pro Woche kann er so bearbeiten. "Die getrockneten Holzschnitzel haben eine 30-prozentige Ersparnis gegenüber Ungetrockneten", erklärt Sollmann, der inzwischen wieder heruntergeklettert ist und einen der gelben Schläuche abmacht. Warme Luft, wie aus einem Föhn, strömt heraus.
Hinter den Containern stehen die Silos seiner Biogasanlage, deren Bau 2006 begonnen hat. "Wir mussten mehrmals umbauen, weil wir Anfangs stärker auf Getreide gesetzt hatten und jetzt mit einer Mischung aus Mais, Gülle und Grassilage arbeiten. Es waren mehrere Investitionsschritte nötig", sagt Sollmann. Nach der Gasgewinnung kommt die Biomasse in das Endlager, welches aber mit dem problembelasteten Begriff aus der Atomenergie wenig zu tun hat. "Die Gärreste sind ein wertvoller Dünger, der auch weniger geruchsintensiv ist, wie der unbehandelte, weil das Methan raus ist", sagt Sollman. Er spricht viel von Veredelung seiner landwirtschaftlichen Produkte und von regenerativen Energien. Er ist eben Land- und Energiewirt in einem.
Immerhin produziert er, wenn beide Motoren laufen, rund 230 Kilowattstunden Strom pro Stunde. Dementsprechend viel Wärmeenergie entsteht nebenbei. "Ich nutzte die Wärme zu einhundert Prozent", sagt Sollmann.
Die Motoren stehen in einem unscheinbaren Gebäude neben der Vorgrube. Diese misst sieben Meter im Durchmesser und drei Meter in der Tiefe. Dort wird die Biomasse gerührt und vorfermentiert, bevor sie durch einen Häcksler in den Fermenter zur Gasgewinnung gepumpt wird.
Beim Betreten des Technik raums wird es laut und warm. Eine Treppe führt in den Pumpenkeller, wo die Leitungen für die Nahwärme in der Wand verschwinden. Hinter einer weiteren Tür: der Maschinenraum, es wird noch lauter und sieht ein wenig aus wie im Maschinenraum eines Schiffs. "Eigentlich funktioniert das ganz ähnlich wie bei der Verdauung einer Kuh. Ein Motor läuft immer, der zweite wird zugeschaltet. Es sind sehr effiziente Motoren, damit möglichst wenig Energie verloren geht", so Sollmann.
Er zieht den Ölstab aus dem Motor und wirft einen prüfenden Blick darauf - alles in Ordnung, die Motoren brummen weiter.
Wenn das Handy von Sollmann klingelt, sind es nicht immer Freunde oder Familie die anrufen. Es können auch die Motoren sein. Durch ein Überwachungssystem schlagen diese Alarm: "Man muss sich um die Anlage kümmern, wie um ein Kind. Auch am Wochenende, das ist schon eine gewisse Belastung", sagt Sollmann.
Von der ganzen Technik, den Motoren und Pumpen, bekommt Nachbar Sven Siegel nichts mit, wenn er im Winter seine Heizung aufdreht. Die Leitung wurde damals unter der Straße durchgebohrt und die Grabungsarbeiten hat Sollmann gemacht. "Ich habe lediglich rund 2000 Euro investiert, aber da waren auch neue Thermostate mit dabei. Kurze Wege, kein Schornsteinfeger mehr und der Umweltaspekt ist auch nicht zu vergessen. Vertrauen ist auch ein wichtiger Aspekt, der vorhanden ist", sagt Siegel. Er ist zufrieden mit seinem neuen Nahwärme-Versorger - seinem Nachbarn.