Der engagierte Bürger und Leserbriefschreiber ist entsetzt, dass es am Donnerstag wohl eine klare Mehrheit im Coburger Stadtrat für eine Rehabilitierung von Max Brose geben wird.
Edmund Frey, der vor wenigen Tagen bereits an alle Stadtratsmitglieder appelliert hat, Max Brose nicht zu rehabilitieren, hat sich am Mittwoch mit einer weiteren Erklärung zu Wort gemeldet. Darin heißt es wörtlich:
"Sehr geehrte Mitglieder des Coburger Stadtrats,
1. Sie werden sich morgen mehrheitlich dem ökonomischen Druck des Unternehmers Michael Stoschek unterwerfen und sich damit in einer Weise demütigen, die Demokraten nur als Schande wahrnehmen können.
2. Sie werden morgen, wenn Sie für eine "Rehabilitierung" des Parteigenossen Max Brose stimmen, den frei gewählten Stadtrat von 2004 bezichtigen, dass er im Jahr 2004 unfähig war, eine Entscheidung über eine "Max-Brose-Straße" sachgerecht zu treffen.
3. Sie werden sich dabei auf ein Auftragswerk von Gregor Schöllgen (Brose: ein deutsches Familienunternehmen; Berlin, 2008) berufen, das wissenschaftlichen Standards nicht gerecht wird (siehe: Tim Schanetzky (Universität Jena): Die Mitläuferfabrik: Erlanger Zugänge zur "modernen Unternehmensgeschichte" (im Anhang); http://www.zeit.de/2011/18/Schoellgen) und das in seiner Darstellung des "Dritten Reiches" dem "Geist der frühen Adenauerjahre" entspricht und nicht dem Stand der Erforschung des Nationalsozialismus des Jahres 2008, in dem das Buch erschien.
4. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, kommt 2015 zum Ergebnis, dass "Max Brose kein Vorbild" ist (SZ, 21. März 2015). Seine Gründe für dieses Urteil entsprechen denjenigen, die 2004 eine "Max-Brose-Straße" verhinderten.
5. Nach der Logik der Befürworter einer "Rehabilitierung" Max Broses müsste sich also auch Josef Schuster - obwohl er doch das Buch Schöllgens kennt - für seine "völlige Fehleinschätzung von Max Brose und dessen Verhalten in der NS-Dikatur" (Tessmer über den Stadtrat von 2004; Neue Presse, 21.03.2015) heute im Jahr 2015 "entschuldigen".
6. In Coburg wurden "Stolpersteine" zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt; auch ich habe gemeinsam mit meiner Frau einen Stein gestiftet. Nach einer "Rehabilitierung" Max Broses durch den Stadtrat sollte die Stadt Coburg alle "Stolpersteine" entfernen - Coburg wird seiner bisherigen "Erinnerungskultur" mit der geschichtsvergessenen "Rehabilitierung" irreparablen Schaden zufügen.
7. Eine "Rehabilitierung" Max Broses ist ein Zeichen für den "Schlussstrich" unter die nationalsozialistische Vergangenheit dieser Stadt und ihrer Bewohner. Trotzdem wird die Debatte um die nationalsozialistische Vergangenheit Max Broses auch in Coburg weitergehen.
8. Coburg kann in Zukunft an keiner Aktion gegen "Neonazis" und Rassismus - Stichwort: "Coburg ist bunt" - mehr glaubwürdig teilnehmen, wenn es dieser "Buntheit" die Farbe "NSDAP-Braun" hinzufügt.
9. Zu meiner Familie gehören Menschen, die Im KZ Dachau eingesperrt waren; zu meinen Vorfahren zählen Menschen, die von den Parteigenossen des Pg. Max Brose (....) beleidigt, ausgegrenzt, ausgeplündert und barbarisch ermordet wurden.
10. Ich werde in Zukunft an keiner Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in Coburg mehr teilnehmen, die von der Stadt Coburg veranstaltet wird und bei der von Repräsentanten der Stadt bzw. von Befürwortern der "Rehabilitierung" das Wort ergriffen wird. Gleiches gilt für Aktionen von "Coburg ist bunt".
Ich schäme mich für Coburg."
... empfehle ich den Kommentar von Simone Bastian in der heutigen (27.3.) Ausgabe des Coburger Tageblatts, in dem die richtige - nämlich distanzierte - Sicht auf die Angelegenheit mit den m.b.M.n. richtigen Beobachtungen beider Seiten sowie den richtigen Vorschlägen für die weitere Behandlung des Themas - auf sachliche Art.
Wenn Sie z.B. sagen '......bei genügend Abstand zu diesem Desaster, wird man sagen, dass die heutigen Stadträte mit ihrem hirnverbrannten Beschluss die Axt an die Demokratie legten und die Stadt Coburg zum Gespött in ganz Deutschland machten', überschätzen Sie ganz gewaltig die Bedeutung dieser Entscheidung einer Kleinstadt für die Demokratie und ganz Deutschland. Außer einer kleinen Minderheit von eifernden moralisierenden Oberlehrern schert sich in Deutschland kein Mensch über solche 'Probleme' in der oberfränkischen Provinz. Inzwischen ist nämlich in Deutschland eine Generation in der Verantwortung, die es leid ist, dauernd die Knüppel einer unverschuldeten Vergangenheit zwischen die Beine geworfen zu bekommen. Ihr rhetorischer Amoklauf passt eigentlich nicht zu Ihrer Seniorität und Lebenserfahrung. Schade.
weil Sie sich hier so intensiv an der Diskussion beteiligen, wie viele und vor allem welche Herrschaften nach dem Krieg in Ämter gekommen sind, die vor und während des Krieges der NSDAP nahe gestanden sind oder sogar in deren Sinne "gehandelt" haben in den 12 Jahren von 1933 bis 1945. Entsprechende Machenschaften werden die wenigsten auch zugegeben haben. Und man zeige mir die Damen und Herren aus der Politik, die keinen Dreck am Stecken haben, denn auch heute gibt es genügend Beispiele, wobei man keine Partei da herausnahmen muss, werter Herr Stenglein. Ihr Coburger könnt in eurem kleinen Städtchen wirklich treiben was ihr wollt, gebt der Straße den Namen von diesem Herrn Max Brose oder lasst es bleiben. Ich wiederhole es immer wieder, und das gilt jetzt auch wieder für Sie, werter Herr Stenglein, dass die Hallstadter Politiker, darunter Bürgermeister und Stadträte, nicht so ein G´schiss (sorry - aber ein besserer Ausdruck fällt mir da nicht ein) machen; in Hallstadt gibt es die Max-Brose-Straße (und eine großen Brose-Standort). Dieses aus meiner Sicht kluge Verhalten der Hallstadter ist auch mit ein Grund, warum es dieser winzig kleinen Stadt finanziell um Längen besser geht als der viel größeren Stadt Coburg mit ihrem adligen Hintergrund; gleiches gilt für die Stadt Bamberg. Mit G´schiss machen bringt man sich halt gerne mal wieder ins Gespräch, stimmt´s ? Was jetzt aber nicht heißen soll, dass man dem Herrn Michael Stoschek jetzt bei jeder Forderung in den Allerwertesten kriecht, nicht in Coburg und auch nicht in Bamberg. Man muss da halt abwägen (lernen), auch auf die Gefahr hin, dass MS dann beleidigt seine Konsequenzen zieht. Das ist dann auch sein gutes Recht und fertig aus. Im Großen und Ganzen ist doch alles eine Sache von Geben und Nehmen und kein bisschen mehr. Gegenargumente gegen meinen Beitrag gibt es ja schon genug, deswegen existiert ja jetzt auch der Meine. Danke für die Aufmerksamkeit und noch einen guten Tag.
... ist äußerst bedauerlich. Niemand hier - und schon gar nicht Herr Frey - scheint sich die Mühe zu machen, den anstehenden Stadtratsbeschluss im Wortlaut zu betrachten. Denn in selbstgerechtem, ethischem Absolutismus die moralische Überlegenheit in Anspruch zu nehmen indem man "Der war in der NSDAP!" schreit ist ja viel einfacher. Das Wort "Rehabilitation" reicht aus, um den Gutmenschen den Schaum vor den Mund stehen zu lassen. Als ob eine Geschichtsfälschung geplant wäre, als ob aus Max Brose plötzlich Mutter Theresa gemacht werden soll.
Eifern war noch nie gut. Es hat noch nie etwas grundsätzlich Positives bewirkt, aber dagegen viel Leid und Opfer verursacht.
Hier einmal der Beschlusstext im Wortlaut:
"Nach wissenschaftlicher Aufarbeitung liegen keine Erkenntnisse vor, nach denen Max Brose in den Jahren von 1933 bis 1945 als Unternehmer und IHK-Präsident ein Fehlverhalten vorgehalten werden kann. Der Stadtrat bedauert, dass bei der Entscheidung im Jahre 2004 der geschichtliche Hintergrund nicht gewürdigt wurde."
Nur, damit auch alle wichtigen anonymen Kommentatoren wenigstens zur Abwechslung mal wissen, worüber tatsächlich gesprochen werden soll.
Im Übrigen hat AntoniaFr genau die richtigen Worte gewählt. Es wäre zu wünschen, dass noch mehr vernünftig denkende Menschen sich diese Zeit nähmen.
„Der Stadtrat bedauert, dass bei der Entscheidung im Jahre 2004 der geschichtliche Hintergrund nicht gewürdigt wurde“ bringt es auf den Punkt. Die heutigen Stadträte versteigen sich zu der Behauptung, dass die damaligen Stadträte samt Oberbürgermeister Volltrottel und Blödiana gewesen sind. Host mi?
Eines Tages, bei genügend Abstand zu diesem Desaster, wird man sagen, dass die heutigen Stadträte mit ihrem hirnverbrannten Beschluss die Axt an die Demokratie legten und die Stadt Coburg zum Gespött in ganz Deutschland machten. Oder was genauso schlimm sein wird: Es wird heißen, dass sich die Coburger Stadträte nicht als aufrechte Frauen und Männer erwiesen, sondern als Handlanger eines machthungrigen und geschichtslosen Industriellen, der den Stadtrat korrumpierte und wie Tanzbären vorführte.