Am Donnerstag, 21. Mai, soll der Coburger Stadtrat entscheiden, ob nach Max Brose eine Straße benannt wird. Das Unternehmen sieht seinen Gründer entlastet -der Bamberger Historiker Andreas Dornheim sieht die Aktenlage kritischer.
Max Brose lebte von 1884 bis 1968. Doch nur zwölf Jahre seines Lebens scheinen wichtig zu sein: 1933 trat als Max Brose, zu dieser Zeit Metallwarenfabrikant in Coburg, der NSDAP bei, 1945 war der von Deutschland entfesselte Krieg vorbei und damit die Herrschaft der Nationalsozialisten. Max Brose musste sich, wie alle anderen erwachsenen Deutschen, einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen.
700 Seiten ist die Akte aus jenem Verfahren stark, die unter StACo Spk Co-St B312 im Coburger Staatsarchiv gelagert ist. Der Historiker Gregor Schöllgen hat diese Akte schon im Auftrag von Brose durchforsten lassen, nun gingen Brose-Mitarbeiter selbst noch einmal daran. Ziel des Ganzen: Beweisen, dass Max Brose es trotz seiner Parteimitgliedschaft und des Entnazifizierungsurteils "Mitläufer" verdient hat, dass die Von-Schultes-Straße am Donnerstag nach ihm umbenannt wird. Dann läge der Hauptsitz von Brose Fahrzeugteile in Coburg an der Max-Brose-Straße.
Diese Diskussion spaltet die Stadt spätestens seit Februar und hat auch überregionale Medien schon beschäftigt. Deren Tenor: Geht gar nicht. Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung und jahrzehntelang geschäftsführender Gesellschafter von Brose, warb um eine "Rehabilitierung" seines Großvaters. Denn schon 2004 ging es um die Straßenumbenennung; damals stimmten einige Stadträte angeblich deshalb nicht zu, weil Broses Verhalten im Nationalsozialismus ungeklärt sei. Diese Entscheidung hat der Coburger Stadtrat in seiner Sitzung Ende März 2015 bedauert und erklärt, dass Brose als IHK-Präsident und als Unternehmer nichts vorzuwerfen sei.
Die Diskussionen waren damit nicht zu Ende. Anfang Mai legte Michael Stoschek das Spruchkammerurteil gegen seinen Großvater vor - darin sei festgehalten, dass Brose dem Nationalsozialismus nicht nahe stand. Nun legt die Brose-Presseabteilung nach: "Ein nochmaliges intensives Studium der mehr als 700 Seiten umfassenden Akte der Spruchkammer hat zu folgenden Ergebnissen geführt: Alle in den Akten beschriebenen Vorwürfe wurden in dem Spruchkammerverfahren behandelt und nicht ein einziger davon hat sich als berechtigt erwiesen." Brose habe sich "im Interesse seiner Mitarbeiter und anderer Coburger Unternehmen sogar aktiv gegen Anordnungen der Nationalsozialisten gestellt". So habe er einen Kommunisten vorm KZ bewahrt, indem er gegenüber der Gestapo persönlich für ihn bürgte. Er habe dafür Sorge getragen, dass die russischen Kriegsgefangenen, die bei Brose Zwangsarbeit leisteten, gut behandelt wurden. Brose habe sich den Rüstungsaufträgen nicht entziehen können, und gegen Kriegsende habe Max Brose gegen den Befehl verstoßen, Maschinen und Anlagen zu zerstören. Er habe Anweisung gegeben, sie lediglich unbrauchbar zu machen, so dass sie mit wenigen Handgriffen wieder in Betrieb genommen werden konnten. Dieses Vorgehen habe er auch anderen Coburger Fabrikanten empfohlen.
Humanität untersagt Das abschließende Urteil über Brose fiel 1949. Zu diesem Zeitpunkt, so sagen Historiker, hatten weder die Siegermächte noch die junge Bundesrepublik Deutschland selbst ein Interesse, die nationalsozialistische Vergangenheit wirklich aufzuarbeiten.
Auch Andreas Dornheim, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bamberg, kennt die Akte über Max Brose. Sie enthalte sehr viele widersprüchliche Dokumente, gibt er zu bedenken: Unter anderem findet sich da ein von Brose unterzeichneter Aushang zum Umgang mit den Zwangsarbeitern, in dem es heißt, "Humanitätserscheinungen sind keineswegs am Platze" (Blatt 103, Aushang vom Jahr 2. März 1944). In dem Aushang sei die Rede davon, dass einer der Gefangenen deutsches Geld bei sich gehabt habe und der Fall der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) übergeben worden sei. Womöglich, sagt Dornheim, habe Brose selbst den Vorfall gemeldet. Denn Brose war auch der "Abwehrbeauftragte" in seiner Firma. Zu den Aufgaben dieser Abwehrbeauftragten gehörte es, Verstöße von Zwangsarbeitern zu melden.
Dass Brose Abwehrbeauf tragter war, erwähnt Gregor Schöllgen in seiner Unternehmensgeschichte auch, aber erläutert es nicht. Laut Dornheim mussten die Abwehrbeauftragten mit den "entsprechenden Leuten des Reichssicherheitshauptamtes zusammenarbeiten, die in diesem Unrechtsstaat die zentralen Positionen hatten". Brose sei zudem einer der Wehrwirtschaftsführer gewesen, die vom Militär ernannt wurden. Diese mussten, so Dornheim, "sehr stark kooperieren mit der Rüstungswirtschaft". Die vom Wirtschaftsministerium ernannten Wehrwirtschaftsführer hatten einen eher repräsentativen Titel.
Dornheim, der vor kurzem ein Buch über den Schweinfurter Unternehmer Willy Sachs veröffentlicht hat, hält den Zeitpunkt einer Straßenbenennung für falsch: Erst sollten unabhängige Experten Max Broses Rolle unter Heranziehen aller verfügbaren Quellen klären. Schöllgens Buch reiche da wegen methodischer Mängel nicht aus, unter anderem, weil Quellenangaben fehlen. "Irgendwann wird das sowieso jemand machen, den das interessiert - vielleicht auch, wenn die Straße umbenannt ist."
Dass nun bundesweit über Max Brose diskutiert wird, hält Dornheim auch im Sinne des Unternehmens nicht für glücklich. Auch deshalb sei es sinnvoller, die Straßenumbenennung zunächst ruhen und noch einmal prüfen zu lassen. Doch was das Ergebnis angeht, ist Dornheim skeptisch: "Nach meinen Erfahrungen als Historiker ist zu vermuten, dass Max Brose relativ stark belastet ist."
Wenn man die Veröffentlichungen des Professors liest, weiß man woher der Wind weht. Wissenschaftlich traurig genug, wenn man sich auf die Interpretation einer 'Aktenlage' beschränken muss. Wo ist hier die Grenze zur Diffamierung ohne handfeste Beweise? Als Naturwissenschaftler könnte ich mir eine Arbeit mit unbeweisbaren Schlussfolgerungen nicht erlauben. Aber ist das vielleicht ein Vorteil der "Laberwissenschaften"?
Ich kann, auch wenn ich die Zeit nach 1945 betrachte, kein ehrenwertes Verhalten Max Broses erkennen. Hier ein paar Fakten:
1919 gründet Max Brose, gemeinsam mit seinem Partner Ernst Jühling, in Coburg das „Metallwerk Max Brose & Co.“ Gesellschafter sind Max Brose und Ernst Jühling, die das Gesellschaftskapital von 500 000 Reichsmark je zur Hälfte einbringen“ (Schöllgen 2008, S. 34).
1953 schreibt Ernst Jühling an seinen Partner Max Brose: "als besonders unerquicklich musste seit langem von mir empfunden werden, dass Sie als mein einziger Teilhaber mehr und mehr die Führung der Geschäfte an sich rissen und wie ein Alleininhaber des Betriebes betriebliche Entscheidungen und Massnahmen trafen, ohne meine Einwendungen zu berücksichtigen und ihnen ... nachzugeben. Nur meiner Mäßigung, meiner Zurückhaltung und meiner Rücksichtsnahme auf das Wohl des Betriebes ist es ... zu verdanken, dass der Riss zwischen uns nicht eher entstand" (ebd. S. 133).
Lüdtke und Rohm berichten in der 1994 verfassten Firmenchronik ("75 Jahre Brose Technik für Automobile. Firmenchronik 1919-1994") beispielhaft von dem Umgang des Max Brose mit Mitarbeitern: Ein Technischer Zeichner wendet sich an Max Brose und bittet um die Anschaffung eines Zeichentisches. Er verweigert die Anschaffung. Erst im zweiten Anlauf gelingt diese Modernisierung, da der Fachmann sich an Ernst Jühling wendet und der die Anschaffung aprobiert.
1956 kündigt Ernst Jühling "schweren Herzens, jedoch nach reiflicher Überlegung" (Schöllgen 2008, S. 137) das Gesellschafterverhältnis. Dieser Entscheidung Jühlings ging die Weigerung Max Broses voraus, Peter Jühling, den Sohn seines Partners, in den Betrieb zu lassen, obwohl dieser das Studium beendet hatte. Dieser Peter Jühling leitete dann später den Enkel Max Broses, Michael Stoschek, in die Werksführung ein. Peter Jühling war inzwischen Leiter des Siemens-Werks in Neustadt.
Ehrenwert ist eher die Loyalität Peter Jühlings.
wurde ja schon in erster Instanz als Mitläufer eingestuft.
Max Brose benötigte dazu schon ein paar Versuche, bis er genug "Persil-Scheine" zu seiner Entlastung zusammen hatte.
Peter Jühling ist der Sohn von Ernst Jühling. Ernst Jühling war der Geschäftspartner von Max Brose. Ernst Jühling wurde als "Mitläufer" im Entnazifizierungsverfahren eingestuft. Peter Jühling war 1971 Leiter des Siemens-Werks in Neustadt b.C. Für ein halbes Jahr war Michael Stoschek Assistent des Werkleiters dort, bevor er dann im Oktober 1971 "das Ruder" von seiner Tante Gisela Brose übernahm. (Schöllgen, 158ff)
Habe die Vornamen versehentlich vertauscht.
Natürlich meinte ich Ernst Jühling.