Im Kern geht es um die Diskrepanz zwischen dem, wovon man träumt und was man sich wünscht, und dem, was im Alltag in der Wirklichkeit passiert.
Wo und in welchem zeitlichen Kontext spielt Ihre "Fledermaus"?
Bei uns spielt "Die Fledermaus" im Heute. Eisenstein ist bei uns nicht einfach ein Arzt, sondern ein Schönheitschirurg und das erste Bild spielt nicht im Hause Eisenstein, sondern in seiner eleganten Praxis. Der zweite Akt mit dem Ball beim Prinzen Orlofsky spielt in einem Palais, einem poetischen Raum mit morbiden Charme, der real und zugleich ein Seelenraum ist. Bei uns braucht niemand Angst haben, dass "Die Fledermaus" geschreddert wird. Wir bleiben sehr nah am Stück, wollen es aber flott und zeitgemäß erzählen.
Wo sehen Sie der Operetten-Regie grundsätzliche Herausforderungen?
Mir ist wichtig, dass die Figuren nicht als naiv vorgeführt werden, nur weil sie in einer Operette auftreten. Wir wollen Menschen zeigen, die das Leben kennen, die Durchblick haben.
"Die Fledermaus" ist reich an populären Melodien. Haben Sie ein Lieblingsstück in dieser Partitur?
Ja - das Couplet der Adele "Spiel' ich die Unschuld vom Lande". Adele ist aus meiner Sicht eine verhinderte Schauspielschülerin, die von jeder Schauspielschule abgelehnt wurde, die aber in dieser Szene zeigen will, welches Talent sie besitzt.
Welche Rolle spielt für Sie der Umstand, das Johann Strauß Coburger Bürger war?
Inhaltlich spielt das im Grunde keine Rolle, aber es ist natürlich schön zu wissen, welche Bedeutung Strauß für
Coburg hat.
Haben Sie schon die Strauß-Orte in Coburg besucht wie zum Beispiel den Gedenkstein im Rosengarten?
Noch nicht, aber ich hoffe, dass ich vor der Premiere noch Zeit dafür habe. Bevor mich der Intendant wegen der "Fledermaus" angerufen hat, war ich noch nicht in Coburg gewesen. Ich bin dann nach Coburg gefahren, habe mir die Stadt angeschaut, bin zur Veste hoch gelaufen - das war sehr schön.
Warum sind Sie Regisseur geworden?
Als Jugendlicher fand ich Opern eigentlich doof. Oper - das waren für mich dicke Sänger, die an der Rampe stehen und nicht spielen können. Dann habe ich zufällig im Fernsehen mit meinem Bruder eine Aufführung von Mozarts "Cosi fan tutte" gesehen und fand das faszinierend. Gemeinsam sind wir dann in eine "Rigoletto"-Vorstellung in der Deutschen Oper in Berlin gegangen - tolle Sänger, die auch toll gespielt haben. Danach hin ich sehr häufig alle drei Berliner Opernhäuser gegangen. Das Schlüsselerlebnis war eine Repertoirevorstellung von Puccinis "La Bohème" an der Deutschen Oper - da wusste ich, dass ich zum Theater wollte.
Gibt es Wunschstücke, die Sie gerne einmal inszenieren würden?
Puccinis "La fanciulla del west" - das würde ich seit Jahren gern mal inszenieren. Das ist eine Oper, die noch immer unterschätzt wird. Ihr Problem ist, dass sie im Western-Milieu spielt. Aber auch Aribert Reimanns "Das Schloss" und "Lear" würden mich sehr interessieren. "Don Giovanni" würde ich auch einmal sehr gerne machen - ein sehr schwieriges Stück.
Sie bringen "Die Fledermaus" in Coburg auf die Bühne
Premieren-Tipp Johann Strauß "Die Fledermaus", Samstag, 9. November, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg Produktionsteam Musikalische Leitung: Johannes Braun; Chorleitung: Mikko Sidoroff; Inszenierung: Holger Potocki; Bühne und Kostüme: Lena Brexendorff; Lichtdesign: Andreas Rehfeld; Dramaturgie: Dorothee Harpain
Besetzung
Gabriel von Eisenstein: Marvin Zobel
Rosalinde: Judith Kuhn
Prinz Orlofsky: Emily Lorini
Alfred: Peter Aisher
Frank: Michael Lion / Bartosz Araszkiewicz
Dr. Falke: Christian Huber
Dr. Blind: Dirk Mestmacher
Adele: Francesca Paratore / Laura Incko
Ida: Laura Incko / Francesca Paratore
Frosch: Stephan Mertl
Chor des Landestheaters Coburg
Statisterie des Landestheaters Coburg
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
Holger Potocki inszenierte nach seinem Studium der Musikwissenschaft, Kulturwissenschaft und Geschichte an der Humboldt-Universität über 50 Musiktheaterwerke an deutschen Theatern und gastierte für die Uraufführung "Das verräterische Herz" an den Nationaltheatern von Tokyo und Seoul. Am Theater Magdeburg war er ab 2002 als Oberspielleiter, von 2006 bis 2009 als Operndirektor engagiert. Als Autor von Theatertexten - darunter zahlreiche Opernlibretti - und als freischaffender Regisseur lebt und arbeitet Holger Potocki heute in Berlin. Termine 21., 29. November, 19.30 Uhr, 8. Dezember, 15 Uhr, 11., 19. Dezember, 19.30 Uhr, 26. Dezember, 18 Uhr, 31. Dezember, 15 und 19.30 Uhr, 11., 14., 22., 24. Januar, 19.30 Uhr, 2. Februar, 15 Uhr, 9. Februar, 18 Uhr, 15. Februar, 2. Mai, 14. Juli, 19.30 Uhr Vorverkauf Tickets im Vorverkauf gibt es in der Tageblatt-Geschäftsstelle, Hindenburgstraße 3a, Coburg.