Der Preis für den Handel mit Autokraten

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Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) sind Verbündete. Nun soll Russland seinen Verbündeten um Unterstützung im Ukraine-Krieg gebeten haben. Was würde es für Deutschland bedeuten, wenn sich Xi Jinping im Krieg auf die Seite Russlands schlägt?
Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping (rechts) sind Verbündete. Nun soll Russland seinen Verbündeten um Unterstützung im Ukraine-Krieg gebeten haben. Was würde es für Deutschland bedeuten, wenn sich Xi Jinping im Krieg auf die Seite Russlands schlägt?
Foto: Ramil Sitdikov/Pool Sputnik Kremlin/dpa

Welche Konsequenzen würde Deutschland ziehen, wenn China im Ukraine-Krieg Russland unterstützt? Ein Embargo russischen Öls und chinesischer Waren kann sich Deutschland gar nicht leisten, sagt unsere Autorin.

Der Krieg ist nicht mehr derselbe wie vor 100 Jahren. Wenn Russland die Ukraine überfällt, betrifft das auch ihre Handelspartner. Und so bekommt Deutschland die Auswirkungen dieses Krieges bereits zu spüren, nicht nur in Person von tausenden geflüchteten Menschen, die hier Schutz suchen. Weil Europas Kornkammer unter Beschuss steht, wird das Öl im Supermarkt knapp. Wo sonst Wodka, Kondensmilch und Konfekt aus Russland stehen: leere Regale. Und auch der Blick auf die Preistafel an der Tankstelle oder die Heizöl-Rechnung schmerzt, weil Benzin-, Diesel- und Gaspreise in astronomische Höhen schnellen.

Letzteres liegt noch nicht an den Sanktionen, die Deutschland und die EU bereits gegen Russland verhängt haben. Da sind der Import von Öl und Gas bislang ausgenommen. Drei Wochen nach Kriegsbeginn fließen dafür noch immer täglich hunderte Millionen Euro aus der EU nach Russland. Alleine die Ungewissheit, die Sorge der Verbraucher, im nächsten Winter ohne Heizöl in einem kalten Haus zu sitzen, treibt die Preise derzeit nach oben.

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Dabei könnte es noch weitaus schlimmer kommen. Der Nachrichtensender CNN hat jüngst unter Berufung auf verschiedene Quellen berichtet, dass Russland seinen Verbündeten China um Unterstützung im Ukraine-Krieg gebeten hat. Konkret soll es um Fertiggerichte, darunter Tütensuppen, für die russischen Soldaten gehen. Zwar hat China diese Nachricht sofort als Falschmeldung dementiert. Aber was das Wort eines Autokraten wert ist, muss der Westen, allen voran aber die Ukraine, gerade auf schmerzvolle Art lernen.

Xi Jinping hat bislang zum Krieg geschwiegen. Aber auch ein Schweigen kann ohrenbetäubend laut sein. Für den Präsidenten der Volksrepublik wird es immer schwieriger, nicht zwischen die Fronten zu geraten. Zum einen ist da der Westen mit den wichtigen Handelspartnern und Zukunftstechnologien. Zum anderen die Großmacht Russland mit einem ähnlich totalitären Herrscher wie es eben Xi Jinping ist. Der Freund Wladimir Putin, der die selben Grundsätze teilt und gerade noch zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele am 4. Februar in Peking war. Es heißt, schon da habe Xi Jinping von der Invasion der Ukraine gewusst und geschwiegen. Er soll seinen Freund lediglich darum gebeten haben, mit dem Angriff bis zum Ende der Winterspiele zu warten. Nachzuweisen ist ihm das freilich nicht.

Die "Zeit" nannte Xi Jinping jüngst den Komplizen Putins. Sollte er Russland tatsächlich im Krieg gegen die Ukraine unterstützen - und sei es nur mit Tütensuppen, um die russischen Soldaten für ihre nächsten Angriffe zu stärken - wäre Xi Jinping genau das. Und China wäre Mittäter.

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Welche Konsequenzen würde der Westen ziehen? Der Deutsche mag aktuell beim Blick auf den Dieselpreis zwar fluchen und ein leeres Ölregal im Supermarkt stirnrunzelnd akzeptieren. Aber was wäre, wenn er neben chinesischer Tütensuppen künftig auf Xiaomi-Handys verzichten müsste oder auf Produkte von Apple, die nun einmal in China produziert werden? Auf Staubsauger und Kaffeemaschinen von Philipps - oder, anders gesagt: auf fast jedes Kleidungsstück und Alltagsprodukt, das dort - und wenn nur in Teilen - produziert wurde?

Bevor jemand zum Hamsterkauf ansetzt: So weit kommt es - aller Voraussicht nach - nicht. Ein Embargo chinesischer Waren kann sich Deutschland aus demselben Grund nicht leisten, aus dem es noch immer Öl und Gas aus Russland bezieht. Weil Deutschland nicht nur militärisch gesehen ein Leichtgewicht ist, sondern sich wirtschaftlich in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive von Russland und China abhängig gemacht hat.

Es ist ja nicht so, dass wir nicht wüssten, was Xi Jinping in seinem Land treibt. Doch so lange er "nur" sein eigenes Volk unterdrückt, ist das zwar nicht besonders westlich, aber angesichts der Handelsbeziehungen irgendwie akzeptabel. Das ist der Preis, den wir für den Handel mit Autokratien zahlen. Ihn zu beenden, würde nicht nur das Ende des Wohlstands bedeuten: Er käme einem wirtschaftlichen Bankrott gleich. Firmen könnten pleite gehen, hunderttausende Menschen ihren Job verlieren. Solidarität endet dort, wo der eigene Wohlstand auf dem Spiel steht. Macht uns das zu verlogenen, zu schlechten Menschen? Nein. Aber wir sollten so ehrlich sein, das zumindest zuzugeben.