Pünktlich zum 10. Jubiläum haben sich im Dorfladen Heilgersdorf Umsatz und Kundenzahlen erholt. Am Samstag feierte das Vorzeigeprojekt Geburtstag.
Als der Dorfladen Heilgersdorf am 2. Februar 2008 seine Türen öffnete, war er der einzige Einkaufsmarkt dieser Art in Nordbayern. Schnell stand das erfolgreiche Nahversorgungs-Modell Pate für nachfolgende Läden. Beispielhaft demonstrierte der Laden, was das bürgerschaftliche Engagement einer funktionierenden Dorfgemeinschaft zu leisten imstande ist. Nach vier Jahren jedoch sanken die Umsätze. Beim 10. Jubiläum am Samstag blickten die Verantwortlichen zurück auf die Gründe und kündigten weitere Gegenmaßnahmen an.
Nähe lautet das Erfolgsrezept - das gilt nicht nur für Lage und Warenangebot. "Hier menschelt es noch", meint Andrea Jahn, die seit fast zwei Jahren hinter der Dorfladen-Theke steht. "Was möchten Sie denn an Getränken bestellen?", fragt sie gerade Kundin Gerda Rippl. Die Heilgersdorferin kauft gern hier ein, nicht nur wegen der "freundlichen und fachkundigen Bedienung": "Hier bekomme ich fast alles." Das bestätigt auch Nachbarin Erika Pfeil, die im Geschäft um die Ecke schnell einige Dinge besorgen möchte. Egal ob bestimmte Marken oder spezielle Produkte, die fünf Beschäftigten bemühen sich, allen Kundenwünschen nachzukommen. Marktleiterin Vera Metz: "Schließlich möchten wir, dass die Leute hier und nicht woanders einkaufen."
Verlust an Lebensqualität
"Vor einem Jahrzehnt hat niemand zu hoffen gewagt, dass wir uns so entwickeln würden", sagt Geschäftsführer Volker Hahn rückblickend. Als die letzte Einkaufsmöglichkeit im Ort 2006 dichtmachte, wollten die Heilgersdorfer den Verlust an Lebensqualität nicht akzeptieren. Eine Projektgruppe entwickelte das Dorfladen-Konzept, erkundigte sich nach den Wünschen der Bürger hinsichtlich Sortiment und Öffnungszeiten und gründete eine GmbH & Co. KG. An der beteiligten sich Interessierte mit 40.000 Euro, die Stadt Seßlach steuerte 25.000 Euro an Startkapital bei. Gemeinsam mit ortsansässigen Firmen halfen Jung und Alt mit, die ehemalige Bankfiliale in ein Ladenlokal umzubauen. Die Euphorie sei groß und die Kapitalausstattung dank 115 Anteilseignern komfortabel gewesen, erinnert sich der Geschäftsführer. "Wir hatten zwar keine Erfahrung, aber haben das Experiment gewagt, in dem Bewusstsein: Das kann funktionieren."
Der Erfolg gab den Initiatioren recht, zunächst: Die ersten sechs, sieben Jahre verzeichnete der Dorfladen laut Hahn im operativen Bereich "eine schwarze Null". Täglich besuchen rund 200 Kunden den Laden, der Tagesumsatz liegt bei etwa 1300 Euro. Als "Leuchtturmprojekt" für Dorfentwicklung 2012 auf die "Grüne Woche" nach Berlin eingeladen, demonstrierten die Heilgersdorfer selbst fernab der Heimat, dass der Dorfladen für sie eben nicht nur irgendein Geschäft, sondern ihr Einkaufsmarkt und sozialer Treffpunkt ist. Folgerichtig wurde dem Geschäft ein Dorfgemeinschaftsraum angegliedert.
Doch nach dem Rekordjahr 2011 mit rund 375.000 Euro Umsatz waren die Zahlen plötzlich rückläufig. Gleichzeitig stiegen infolge des Mindestlohns die Personalkosten. Hohe Energiekosten wegen älterer Gefriergeräte verminderten den Ertrag zusätzlich. Nach Eröffnung des neuen Edeka-Marktes in Seßlach und Verlust des Geldautomaten im Vorraum sanken die Umsätze weiter, obwohl die Immobilie kostengünstig von der Raiffeisen-Volksbank Ebern erworben werden konnte.
"Alle Register gezogen"
An das "verlorengegangene Wir-Gefühl" appellierte Bürgermeister a.D. Hendrik Dressel (FW) angesichts roter Zahlen auf einer Informationsveranstaltung vor knapp einem Jahr. Den "Gewöhnungseffekt" beklagt Hahn. Er weiß: Nur als Treffpunkt und Ziel von "Vergessenseinkäufen" kann der Dorfladen keine ausreichenden Umsätze generieren. Hahn und seine beiden Mit-Geschäftsführer Oliver Kunz und Bertram Rippl versuchten gegenzusteuern: Umfrage zur Kundenzufriedenheit, größeres Sortiment mit mehr regionalen und frischen Produkten, sparsamere Geräte, ein günstigerer Stromanbieter, regelmäßige Kundenansprache durch Rundschreiben, Flyer wie Soziale Medien und Gewinnung neuer Anteilseigner lauteten einige der eingeleiteten Maßnahmen. "Wir haben alle Register gezogen", kommentiert Rippl. Derzeit werden 5000 Euro zusätzliches Kapital benötigt, um modernere Kühlgeräte, eine Klimaanlage für den Verkaufsraum und eine Photovoltaikanlage anschaffen zu können. Einsparungen am Personal oder an den Öffnungszeiten (Mo bis Fr von 6 bis 18 Uhr, Sa bis 12 Uhr) schließt Hahn aus.
Schien die Zukunft des Nahversorgungszentrums im März 2017 ernsthaft gefährdet, blicken die Geschäftsführer inzwischen hoffnungsvoller in die Zukunft. Hahn rechnet für 2017 mit einem Umsatz von 330.000 Euro, im letzten Quartal zogen die Zahlen spürbar an. "Es kommen wieder mehr und vor allem jüngere Leute", hat Marktleiterin Metz erfreut registriert. Auch die Vereine zeigten sich solidarisch, indem sie ihre Einkäufe vor Ort tätigten. 2500 Artikel umfasst das aktuelle Sortiment. "Dass jeder hier Waren des täglichen Bedarfs einkaufen kann, macht Heilgersdorf für potenzielle Neubürger interessanter", betont Hahn. Zusätzliche Dienste wie Reinigung, Post und Paketdienst, Bargeld und Überweisungen sowie das Aufladen von Bank- und Telefonkarten werden angeboten. Für Jahn ist der Dorfladen "viel mehr als ein Handelsplatz", eigentlich stelle er eine "soziale Institution" dar. Diesen Mehrwert müssten die Bürger aber auch honorieren, meint Hahn.
Wenn die Trendwende anhält, sich die Zahlen weiter stabilisieren und weitere Anleger gewonnen werden können, so hoffen die ehrenamtlichen Geschäftsführer, wird der Dorfladen trotz des Wettbewerbs mit Discountern und Oligopolen weitere Jubiläen feiern können. "Doch es bleibt ein Ritt auf der Klinge", mahnt Hahn, "wir können uns mitnichten zurücklehnen!" Kunz ist sicher, dass die Heilgersdorfer das Geschäft vermissen würden. Sein Appell: "Der Laden ist nur erfolgreich, wenn die Kunden ihn annehmen."