Der Dorfladen in Heilgersdorf wackelt

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Die Geschäftsführer Bertram Rippl, Volker Hahn und Oliver Kunz (von links) sparen an den Kosten, wo es geht. Den neuen Verdampfer für die defekte Kühltheke hat Rippl in Italien aufgetrieben.Bettina Knauth
Die Geschäftsführer Bertram Rippl, Volker Hahn und Oliver Kunz (von links)  sparen  an den Kosten, wo es geht. Den neuen Verdampfer für die defekte Kühltheke hat Rippl in Italien aufgetrieben.Bettina Knauth

Nach zehn Jahren hat die Euphorie über den Heilgersdorfer Dorfladen nachgelassen. Jetzt warnen die Geschäftsführer vor dem drohenden Aus.

Ist der Heilgersdorfer Dorfladen noch zu retten? Vier Wochen nach dem mit viel Zuversicht verbundenen zehnjährigen Jubiläum flatterte den Bewohnern des Seßlacher Stadtteils eine Woche vor Ostern überraschend ein Rundbrief ins Haus. Unter der Überschrift "Doch nur ein Strohfeuer?" informiert er über die kritische Finanzsituation des Nahversorgers. "Drastische Maßnahmen bis hin zur Schließung des Ladens" seien nicht mehr abwendbar, wenn bis Mitte Mai nicht 15 000 Euro neues Kapital aufgetrieben werden könnten.

"Nichts beschönigen" wollten die drei Geschäftsführer Volker Hahn, Oliver Kunz und Bertram Rippl mit ihrem Rundbrief. Am 15. Mai läuft die Vereinbarung über eine "großzügige Kreditlinie" der Raiffeisen-Volksbank aus, mit der die akut kritische Finanzsituation zunächst überbrückt werden konnte. Wieder nachlassende Umsätze, in Kombination mit zusätzlichen Kosten zu Jahresbeginn, verhinderten die Trendwende, auf die ein besseres Ergebnis zum Jahresende 2017 noch hatten hoffen lassen. Und die Rücklagen sind nach zwei verlustreichen Jahren aufgebraucht.

"Fakt ist, dass der Dorfladen auf diesem Einnahmenlevel nicht überleben kann", heißt es in dem "Brandbrief", einzig helfen könne nur eine "dauerhafte Trendwende". "Fakt ist, dass der Dorfladen auf diesem Einnahmelevel nicht überleben kann", schreiben die Verantwortlichen. Das Verkaufspersonal schloss sich dem eindringlichen Appell an, die Bewohner Heilgersdorfs sollten durch ausreichende Einkäufe sowie das Zeichnen weiterer Anteile dem Dorfladen eine Zukunft ermöglichen. Die passende Absichtserklärung zur Beteiligung mit mindestens 100 Euro ist auf der Rückseite abgedruckt.


Weckruf geglückt?

Doch wer investiert in ein "Schiff", das bereits schlingert und zu sinken droht? Hat der als "Weckruf" gedachte Brief nicht eher die (potenzielle) Kundschaft verunsichert? Nein, betonen alle drei Geschäftsführer am Karsamstag. "Schieflage heißt ja nicht Untergang", verdeutlicht Hahn die Situation. Auch wenn er sich nicht vorstellen kann, "dass uns die Bank fallen lässt wie eine heiße Kartoffel", hätten sich die Verantwortlichen doch zum Handeln gezwungen gesehen.

Beim Jubiläum hätten die bescheidenen Umsatzzahlen vom Februar noch nicht vorgelegen. Diese und der auslaufende Kredit nahm die Geschäftsführung zum Anlass aktiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Kunz: "Wenn wir als Dorfgemeinschaft zeigen, dass wir hinter dem Laden stehen, ist dies die beste Möglichkeit, um Bank wie Stadt zu überzeugen, aktiv zu werden."


Positive Signale

Und die "Gewinnwarnung" habe ihren Zweck erfüllt: Vor Ostern haben sowohl die Umsätze deutlich angezogen als sich auch weitere Personen oder Vereine bereit erklärt, den Dorfladen mit Anteilen zu unterstützen. Gut ein Drittel der benötigten 15 000 Euro seien schon bereitgestellt worden. "Die Leute signalisieren uns, dass sie den Laden erhalten wollen" , sagt Kunz. Nicht nur das: Auch den Dorfgemeinschaftsraum als Treffpunkt wollten die Einwohner nicht verlieren. Hahn präzisiert: "Wenn dieses Geschäft schließen muss, fehlt es nicht nur am Liter Milch, sondern auch an der Lebensqualität."

Nach wie vor glauben die Geschäftsführer daran, den Laden "mit einer schwarzen Null betreiben zu können", auch ohne einen großen Mäzen, wie Hahn meint: "Das ist kein unerreichbares Unterfangen!" Es gebe schließlich "Monate, in denen es zum Überleben reicht", fügt Kunz hinzu. Pro Tag würden 150 bis 220 Kundenbewegungen verzeichnet. Schuldzuweisungen würden nicht weiterhelfen, das Thema Kosten sei "ausgereizt". Geschäftsführung wie Personal versuchten alles zur Rettung des Ladens, aber "letztendlich müssen die Leute das Geld in den Laden tragen", so Kunz.

Mit der Stadt Seßlach arbeiten die Geschäftsführer "lösungsorientiert zusammen" (Kunz). Bürgermeister Martin Mittag (CSU) bestätigt, dass er Möglichkeiten auslotet, dem Dorfladen das Überleben zu erleichtern. Erste Gespräche mit dem Amt für ländliche Entwicklung oder der Leader-Region Coburger Land habe er bereits geführt, ohne konkrete Förderzusagen zu erreichen. "Uns sind als Stadt weitgehend die Hände gebunden", dämpft Mittag die Erwartungen. Kunz fände einen Energiekostenzuschuss durch die Stadt hilfreich.

"Wir tun unser Möglichstes, aber jetzt braucht es eine gemeinsame Anstrengung des ganzen Dorfes! Wir wünschen nichts mehr als einen erfolgreichen Weiterbetrieb", appellierten die Verantwortlichen zum Schluss des Rundbriefs nochmals an die Bevölkerung, sie möge den Dorfladen nicht sterben lassen. Kunz betont: "Wenn das Dorf mitzieht, ist der Laden sehr wohl zu retten". "Doch die Rettung muss nachhaltig sein", fügt Hahn hinzu.

In dieser Woche werden alle drei Geschäftsführer jeweils ab 16 Uhr im Laden Interessierten Rede und Antwort stehen. Dabei soll diskutiert werden, wie der Dorfladen noch attraktiver werden kann. Anfang Mai soll das Konzept dann in einer Informationsveranstaltung der breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden.


Ein Modellprojekt

Wie berichtet, öffnete der Heilgersdorfer Dorfladen als erster in Nordbayern am 2. Februar 2008 seine Türen. Das Nahversorgungs-Modell stand rasch Pate für Läden in anderen Kommunen, auch weil es eindrucksvoll demonstrierte, was bürgerschaftliches Engagement einer funktionierenden Dorfgemeinschaft leisten kann. Eine Projektgruppe hatte im Vorjahr nach der Schließung des letzten Lebensmittelladens im Ort das Konzept mit Café, Lieferservice und Fahrdienst entwickelt und auf Basis einer Befragung ein 2500 Artikel umfassendes Sortiment zusammengestellt. Als Geschäftsform gründeten sie eine GmbH & Co.KG, an der sich Bürger und Interessierte mit 40 000 Euro beteiligten und die Stadt Seßlach weitere 25 000 Euro als Startkapital. Beisteuerte. Zusätzliche Finanzmittel erhielt der Laden aus dem Leader-Programm, weil die Initiative gut zu dem Motto "Bürger gestalten ihre Heimat" passte.

Ging das Konzept in den ersten sieben Jahren noch auf, blieben plötzlich die Umsätze hinter den Erwartungen zurück. 2016 wurde erstmals ein Minus von 12 500 Euro verzeichnet Die Entwicklung schrieb Geschäftsführer Hahn höheren Personal- und Energiekosten in Kombination mit der Neueröffnung des Edeka-Markts in Seßlach und des Wegfalls des Geldautomaten im Vorraum zu. Statt des unbefriedigenden Ergebnisses von 315 000 Euro würden 50 000 Euro mehr gebraucht, wurden die Gesellschafter auf einer Versammlung 2017 informiert. Damit lägen die Umsätze knapp unter dem Rekordjahr 2011 mit 375 000 Euro.