Der 3D-Druck ist in Coburg auf dem Vormarsch

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Der Reprap sieht noch sehr nach Bastler-Szene aus.
Der Reprap sieht noch sehr nach Bastler-Szene aus.
Moritz Schönrich am Reprap.
Moritz Schönrich am Reprap.
 
Hier soll ein Totenkopf entstehen.
Hier soll ein Totenkopf entstehen.
 
Spielzeugfiguren aus dem Drucker.
Spielzeugfiguren aus dem Drucker.
 
Diese futuristische Schale konnte auch mit der 3D-Druck-Technik entstehen.
Diese futuristische Schale konnte auch mit der 3D-Druck-Technik entstehen.
 
Der Anker wurde Übernacht im 3D-Drucker "geplottert". Er dient als Aufsatz für eine Vakuum-Pumpe, um einen Abdruck auf der Haut zu erzeugen.
Der Anker wurde Übernacht im 3D-Drucker "geplottert". Er dient als Aufsatz für eine Vakuum-Pumpe, um einen Abdruck auf der Haut zu erzeugen.
 
Auch Fingerorthesen haben die Coburger schon gemacht.
Auch Fingerorthesen haben die Coburger schon gemacht.
 
Die Modelle entstehen am Computer. Hier ist eine Badewanne von Design-Student Moritz Schönrich zu sehen.
Die Modelle entstehen am Computer. Hier ist eine Badewanne von Design-Student Moritz Schönrich zu sehen.
 
Philipp Hainke holt die Druckergebnisse der letzten Nacht aus dem Drucker.
Philipp Hainke holt die Druckergebnisse der letzten Nacht aus dem Drucker.
 
Ein Anker, der mit einer Vakuumpumpe einen Knutschfleck macht.
Ein Anker, der mit einer Vakuumpumpe einen Knutschfleck macht.
 
Zu Weihnachten gab es Kekse aus dem Drucker.
Zu Weihnachten gab es Kekse aus dem Drucker.
 
Aus Gips entsteht Spielzeug in einem anderen 3D-Druck-Verfahren.
Aus Gips entsteht Spielzeug in einem anderen 3D-Druck-Verfahren.
 
Peter Raab beobachtet die Arbeit des 3D-Druckers Reprap im Coburger Designlab. Fotos: Thomas Heuchling /Designlab Coburg
Peter Raab beobachtet die Arbeit des 3D-Druckers Reprap im Coburger Designlab. Fotos: Thomas Heuchling /Designlab Coburg
 
Die erste elektrische Geige aus dem 3D-Drucker kommt auch aus Coburg
Die erste elektrische Geige aus dem 3D-Drucker kommt auch aus Coburg
 
Eine Knieorthese haben die Coburger auch schon gedruckt.
Eine Knieorthese haben die Coburger auch schon gedruckt.
 
Am Bein sieht sie noch sehr futuristisch aus.
Am Bein sieht sie noch sehr futuristisch aus.
 

Sie machen aus Plastik, Gips, Porzellan oder Metall alle denkbaren und undenkbaren Dinge. 3D-Drucker sind auf dem Vormarsch. Im Designlab der Coburger Hochschule arbeitet Peter Raab mit seinen Studenten an diesen Geräten.

Eine gräuliche Masse quillt langsam aus einer Spritzdüse heraus. Lautes Brummen ist von einem kleinen Kompressor zu hören. Aber irgendetwas scheint nicht zu funktionieren. Moritz Schönrich bricht den Versuch ab. "Die Schraube müssen wir nochmal justieren. Vielleicht ist die Masse auch zu fest", sagt Peter Raab zu Schönrich. Raab ist Professor im Designlab an der Coburger Hochschule und Schönrich einer seiner Studenten. Beide beugen sich über eine kastenförmigen Konstruktion, groß wie zwei übereinander gestapelte Bierkästen. Das Gerät heißt Reprap.



Es ist ein 3D-Drucker und soll aus einer Porzellanmasse einen Totenkopf zum Anfassen erschaffen. Lange Metallrohre, Verbindungsstücke aus Plastik, Zahnriemen aus Gummi und viele Schrauben halten eine bewegliche Platte. Darüber bewegt sich eine Düse. Sie ähnelt einer Spritze, mit der normalerweise Torten verziert werden. Höhe, Tiefe, Breite - drei Achsen hat das Gerät.

Jeder kann den Reprap für rund 1000 Euro im Internet bestellen. Der 3D-Drucker kann einen Großteil seiner Plastik-Bauteile selbst produzieren. Nach dem Kauf eines ersten Gerätes können weitere Geräte teilweise eigenständig nachproduziert werden.

Das Geheimnis sind die Schichten
Die 3D-Drucker funktionieren eigentlich ganz einfach. Grundlage ist ein Modell, das mit einer sogenannten CAD-Software am Computer erstellt wird. Dieses dreidimensionale Modell dient dem Drucker als Vorlage. Ein weiteres Programm zerlegt es in Schichten. Der 3D-Drucker trägt diese dann übereinander auf. "Das Modell für den Druck habe ich in fünf bis zehn Minuten erstellt", sagt Schönrich, der im achten Semester Produktdesign studiert. Nach ein paar Justierungen mit Zange und Hand startet er einen neuen Versuch. Der Druckkopf mit der Spritzdüse bewegt sich wieder und trägt eine dünne Schicht aus dickflüssigem Porzellan auf. Diesmal scheint es zu funktionieren.

Hinter Schönrich und Raab, die die Arbeit des Reprap beobachten, steht ein unscheinbares Regal. Die Gegenstände darin geben einen Ausblick in eine nicht allzu ferne Zukunft. Es sind futuristische Objekte, deren Verwendungszweck erst beim zweiten Blick erkennbar werden: Teller, Fingerorthesen, eine blaue Geige oder Schuhe. "Das ist alles am 3D-Drucker entstanden", sagt Raab und nimmt eine Kugel mit wild-strukturierter Oberfläche in die Hand. "Die haben wir aus einem Lied gedruckt. Computer und Drucker haben die Melodie in ein dreidimensionales Objekt verwandelt", sagt Raab.

Hinter dem Regal mit den Gebrauchsgegenständen der Zukunft steht Philipp Hainke an einem mannshohen Ofen-ähnlichen Kasten. Auch Hainke studiert Produktdesign. Er öffnet die Tür und warme Luft tritt heraus. "Die haben wir über Nacht aus ABS-Kunststoff geplottert (gedruckt), einer braucht so zwei bis drei Stunden", sagt Hainke und nimmt einen Anker in die Hand: "Mit den Fingern kann man die Maserung der einzelnen Schichten ertasten." Plötzlich lässt er den Anker auf den Boden fallen - er zerbricht nicht. "Der Stoff ist sehr robust und strapazierfähig", so Hainke.

Wofür der Anker ist, weiß er nicht genau. Peter Raab kommt um die Ecke und erklärt die Funktion: "Den haben wir zur letzten blauen Nacht in Coburg gemacht. Der Anker wird an eine Vakuumpumpe angeschlossen und dann kann man damit eine Art Knutschfleck auf der Haut machen." Eine Spielerei, die aber die Möglichkeiten des 3D-Drucks gut veranschaulicht.

Ohne Basteln geht es nicht
Zurück am Reprap lässt der Totenkopf weiter auf sich warten. Schönrich schraubt weiter am Gerät und ärgert sich mit der widerspenstigen Porzellanmasse herum. "Die Original-Düse verarbeitet nur Plastik, aber wir haben eine eigene, einen so genannten Extruder, im 3D-Drucker hergestellt", erklärt Schönrich und startet einen neuen Versuch. Der Kompressor, der die Masse aus der Düse drücken soll, lärmt und der Druckkopf justiert sich."Ist doch normal, dass mal was schief geht. Wenn man das erste Mal mit den Händen Porzellan bearbeitet, klappt auch nicht alles. Wir machen Experimente und wollen im Labor herausfinden, was es für Möglichkeiten bei den neuen Druckverfahren gibt", sagt Raab.

Dass das Coburger Designlab, welches seit 2006 mit der Technik arbeitet, in Sachen 3D-Druck einiges kann, steht für Raab außer Frage. Immer wieder sorgt es in Szenekreisen für Schlagzeilen. Auf der Euromold 2012, einer großen Fachmesse für Design und Produktentwicklung, stellten die Coburger die erste elektrische Geige vor, die im 3D-Druck-Verfahren entstand. Absolvent Peter Böckel hat sie während seines Studiums an der Hochschule Coburg entworfen.

"Auf der Euromold kriegen wir immer kostenlos einen riesen Stand, weil wir eine gute Show machen", sagt Raab. Mit Show meint er spektakuläre Designobjekte aus dem Drucker.

In einer anderen Ecke des Labors steht ein weiteres Gerät, das wiederum eine andere Drucktechnik benutzt. Raab öffnet die Klappe und wischt mit einem Pinsel vorsichtig Gips beiseite. Nach einer Weile kommt eine kleine Nilpferd-ähnliche Figur zum Vorschein. "So etwas machen wir in unserem "Ugly-Toys-Seminar" (hässliches Spielzeug). Dort entwickeln die Studenten kleine Fantasiefiguren mit der Hand, diese werden mit 3D-Scannern eingescannt und danach macht der 3D-Drucker im Schichtsystem aus Gips die fertigen Figuren", erklärt Raab. Angemalt werden die Figuren noch mit der Hand.

Fast unbegrenzte Möglichkeiten
Die Anwendungen im Coburger Designlab sind nur ein Auszug der Möglichkeiten und der unterschiedlichen Techniken des 3D-Drucks. Aus Metall, Plastik, Gips, Holzmasse oder sogar Lebensmitteln wie Schokolade machen die Drucker fast alles. Die Materialien werden in Form von Fäden, Pulver oder im verflüssigten Zustand vom Drucker verarbeitet.

Es ist fast alles möglich: Figuren, medizinische Prothesen, Schmuck, Flaschenöffner, Ersatzteile oder Modelle. "Wir lassen auch Objekte bei Firmen drucken, die zum Beispiel flüssiges Metall in sehr teuren Druckern verarbeiten können", sagt Raab.

Und wie sieht die Zukunft aus? Immer wieder ist in den Medien von der nächsten industriellen Revolution die Rede. In Zukunft soll jeder Haushalt mit eigenen 3D-Druckern Ersatzteile und individuelle Produkte erschaffen können. Aber das geht Peter Raab, dann doch etwas zu schnell: "Die Revolution im Wohnzimmer wird es vorerst nicht geben. Mann muss schon mit 3D-Programmen umgehen können und ein Verständnis für Design haben."

Aber erste Schritte hin zur Heimanwendung gibt es schon: browserfähige Programme zum Erstellen von 3D-Modellen von zu Hause. Diese Modelle können bei einem Anbieter für 3D-Drucke im Internet bestellt werden und kommen dann per Post. Ein Nachteil sind die hohen Kosten, denn die kleinsten Drucke, abhängig vom Material, gibt es erst ab rund 20 Euro.

Dass es gar nicht so einfach ist, selbst einen 3D-Druck durchzuführen, zeigt sich beim Versuch von Moritz Schönrich im Coburger Designlab - irgendwie will es nicht klappen. "Die Porzellanmasse ist anscheinend zu fest", sagt Schönrich. Experimente können eben auch schief gehen.

Begriffe und Technik hinter den 3D-Druckern

Rapid Prototyping Zur schnellen und kostengünstigen Herstellung von Prototypen und Modellen hat die Autoindustrie bereits Ende der achtziger Jahre als erstes die 3D-Druck-Technik angewendet. Daraus entstand der Begriff "Rapid Prototyping" (aus dem Englischen: schnelle Prototypentwicklung).

Rapid Manufacturing Die Anwendung von 3D-Druckern zur Massenfertigung von Produkten wird als "Rapid Manufacturing" bezeichnet.

CAD-Software Zur Erstellung von 3D-Modellen am Computer dient sogenannte CAD-Software . Ein bekannter Vertreter ist das browserfähige Programm Tinkercad.

Technik Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Techniken und Materialien, mit denen 3D-Drucker arbeiten. Das Grundprinzip ist jedoch fast immer gleich: Ein Computer zerlegt ein Modell in Schichten und übermittelt diese Daten an den Drucker, dieser trägt sie Schicht für Schicht auf.