Mit einem ungewöhnlichen Opernprojekt verabschiedet sich Intendant Bodo Busse als Regisseur von Coburg.
Am Ende dieser Spielzeit wird Intendant Bodo Busse nach sieben Jahren das Landestheater Coburg verlassen, um sein neues Amt als Generalintendant in Saarbrücken anzutreten. Seine letzte Regie-Arbeit präsentiert Busse mit der Premiere von Toshio Hosokawas "The Raven" nach dem gleichnamigen Gedicht von Egard Allen Poe. Gemeinsam mit Francis Poulencs "La voix humaine" (Die menschliche Stimme) in der Regie von Tobias Materna feiert die Kammeroper am Samstag, 13. Mai, Premiere.
Die Coburger Erstaufführung von Toshio Hosokawas "The Raven" ist Ihre letzte eigene Inszenierung am Landestheater, bevor Sie nach Saarbrücken wechseln. Wie fühlt sich das an?
Bodo Busse: Ich bin natürlich schon sehr wehmütig. Für mich ist das ein vorläufiger Abschied vom Regiepult. Denn wie am Anfang hier in Coburg werde ich in Saarbrücken erst einmal versuchen, die Grundstrukturen aufzubauen. Ich möchte wissen, wie das Haus funktioniert. Erst danach will ich wieder als Regisseur einsteigen - mit einem ähnlichen Format wie hier.
Wie hat sich die Wahl dieser Vertonung von Edgar Allen Poes Gedicht "The Raven" ergeben?
B.B.: Wir waren auf der Suche nach einem passenden Stück zu Francis Poulencs "La voix humaine". Unser Generalmusikdirektor Roland Kluttig hat mich dann auf "The Raven" aufmerksam gemacht.
Edgar Allen Poes Gedicht erzählt die Geschichte eines Mannes, der seine verstorbene Geliebte vermisst und zu dem sich eines Nachts ein Rabe ins Zimmer gesellt. Dieser Rabe gibt auf alle Fragen immer nur eine Antwort: "Nimmermehr". Was ist aus Ihrer Sicht die Herausforderung für die Regie bei diesem Stück?
B.B.: Im Grunde hat "The Raven" keine richtige Bühnenhandlung. Das ist eine Schauerballade im Stil der Romantik, die einen Alptraum erzählt, eine Vision. Ich habe dazu einen Bühnenhandlung erfinden müssen. Bei mir wird das eine Mischung aus Psychothriller und Kriminalgeschichte. Hinter dem Mythischen verbirgt sich das Grauen. Vielleicht wird das die schaurigste Inszenierung, die ich in Coburg gemacht habe.
In "La voix humaine" erzählt der Textdichter Jean Cocteau die Geschichte einer verlassenen Frau, die am Telefon verzweifelt versucht, ihren Geliebten zurück zu gewinnen. Wie sieht dazu das Bühnenbild-Konzept aus?
Tobias Materna: Wir haben zunächst lange überlegt, ob wir für beide Stücke einen gemeinsamen Raum schaffen sollen und uns am Ende doch dagegen entschieden. Für "La voix humaine" hat Christof Cremer eine Art Käfig auf die Bühne gestellt, umspannt mit einem Netz aus Kabellinien oder Schnüren. Das zeigt das Netz, in dem die Frau verstrickt ist, weil sie die zerbrochene Beziehung nicht loslassen kann. Für sie fühlt sich das an wie ein Gefängnis.
Wie sieht das Bühnenbildkonzept für "The Raven" aus?
B.B.: Wir zeigen die Wohnung eines Intellektuellen, die in einem Irrgarten angesiedelt ist. Es gibt einfaches Mobiliar, zum Beispiel ein Stehpult, aber alles ist ein bisschen überdimensioniert. Der Horror steckt im realistischen Detail.
Angesichts dieses Stoffes drängt sich die Frage auf: Haben Sie einen Hang zum Morbiden?
B.B.: Ich glaube: ja. Im Grunde geht es um die Nähe von Schönheit und Grauen, um die Doppelgesichtigkeit der Schönheit.
"La voix humaine" mit einem Telefon als zentralem Requisit könnte dazu verleiten, sich dieser Monooper sehr realistisch zu nähern. Wie hat sich Ihr Blick auf das Stück im Lauf der Probenarbeit verändert?
T.M.: Wir haben tatsächlich angefangen, das Stück sehr realistisch zu nehmen. Anfangs hatten wir auch sehr viele realistische Requisiten auf der Bühne. Allmählich aber haben wir gemerkt, dass wir das alles gar nicht brauchen. Entscheidend ist die Frage: Was passiert im Kopf dieser Frau? Später haben wir sogar probiert, ob wir das Telefon weglassen können. Mal sehen, welche Lösung wir bis zur Premiere bevorzugen.
Wie erleben Sie Hosokawas Musik?
B.B.: Die Musik ist von einer unglaublichen Schönheit. Sie ist filigran, zart, aber auch aufbrausend. Das erinnert mich an Salvatore Sciarrino
(dessen "Lohengrin" Bodo Busse im März 2014 in Coburg inszenierte, Anmerkung der Redaktion)Was ist die besondere Herausforderung bei der Inszenierung einer Monooper?
T.M.: Es gibt keine Äußerlichkeiten, hinter denen man sich verstrecken. Hier muss man in die Tiefe der Figuren gehen. Für die Darstellerin ist das eine extreme Herausforderung. Ganz entscheidend ist, genau darauf aufzupassen, dass diese von ihrem Geliebten verlassene Frau nicht ständig leidet - sonst ist das Publikum schnell genert.
Wo liegen die Gefahren bei der Probenarbeit?
T.M.: Man muss aufpassen, dass man sich nicht zu schnell einig und zu schnell zufrieden ist. Wichtig ist, in Abständen immer wieder von außen darauf schauen zu lassen - zum Beispiel von der Dramaturgin oder vom Intendanten.
Zwei Coburger Premieren an einem Abend
Premieren-Tipp Toshio Hosokawa "The Raven" (Deutsche Erstaufführung) / Francis Poulenc "La voix humaine", Samstag, 13. Mai, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Produktionsteam Musikalische Leitung; Hannes Krämer;
Inszenierung Bodo Busse (The Raven), Tobias Materna (La voix humaine); Bühnenbild und Kostüme Christof Cremer
Solisten Die Frau (La voix humaine): Anna Gütter
Mezzosopran (The Raven): Verena Usemann
Aufführungen 20. Mai, 22., 28. Juni, 19.30 Uhr
La voix humaine Die Monooper von Francis Poulenc entstand nach einem Text von Jean Cocteau aus dem Jahr 1930. Die "Tragédie lyrique" in einem Akt wurde am 6. Februar 1959 in der Opéra Comique in Paris uraufgeführt. Francis Poulenc erzählt in "Die menschliche Stimme" die Geschichte einer verlassenen Frau, die am Telefon versucht ihren Geliebten zurückzugewinnen.
The Raven Der Kammeroper "The Raven" von Toshio Hosokawa liegt ein Gedicht von Edgar Allen Poe zugrunde. Das Poem handelt von einem Mann, der seine gestorbene Geliebte vermisst. Eines nachts setzt sich ein Rabe über seine Zimmertür. Der Mann ist verwundert, stellt Fragen und erhält vom schwarzen Vogel immer nur ein Wort als Antwort: "Nimmermehr!"