Das Glück in ihren Händen: Fränkische Hebammen brennen für ihren Beruf

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Julia Hemmen betreut den kleinen Leon aus Breitengüßbach. Die Geburtenzahlen steigen, Hebammenversorgung wird immer wichtiger. Die Geburtshelferinnen haben aber nicht überall gute Bedingungen. Foto: Ronald Rinklef
Julia Hemmen betreut den kleinen Leon aus Breitengüßbach. Die Geburtenzahlen steigen, Hebammenversorgung wird immer wichtiger. Die Geburtshelferinnen haben aber nicht überall gute Bedingungen.  Foto: Ronald Rinklef

Die 24-jährige Coburgerin Julia Hemmen ist Hebamme aus Leidenschaft. Eine wichtige Eigenschaft für Geburtshelferinnen. Denn die Rahmenbedingungen machen den Hebammen das Arbeiten vor, während und nach einer Entbindung nicht immer einfach.

"Leon hat ordentlich zugenommen." Julia Hemmen nickt der Mama des drei Wochen alten Jungen zufrieden zu, nimmt ihn aus dem Tuch und legt ihn behutsam auf der Couch ab. Die Hebamme notiert das Gewicht im Nachsorge-Tagebuch und schaut auf den Nabel des kleinen Breitengüßbachers. "Sieht super aus." Mama Alexandra Kocsis lächelt. Als ob Leon verstanden hätte, dass es um ihn geht, quietscht er auf. Diese Momente sind es, die Julia Hemmen ihren Beruf lieben lassen. 

Leidenschaft für den Beruf der Hebamme entflammte im Kreißsaal

Weit hat die 24-jährige Coburgerin ihre Ausbildung noch nicht hinter sich gelassen. Dennoch leitete sie schon viele Geburten selbstständig an, bei weit mehr Entbindungen war sie dabei. Ihre Leidenschaft für diesen Beruf entflammte vor einigen Jahren in einem Ingolstädter Kreißsaal, während ihres ersten Praktikums: "Als ich die erste Geburt sah, dachte ich einfach nur "Wow". Das war ein wunderschöner Moment. Seither kann ich mir nichts Besseres vorstellen, als eine Hebamme zu sein", erzählt sie. Die Ausbildung zur Hebamme soll bis 2022 reformiert werden - das schreibt eine EU-Richtlinie vor. 

Dennoch war für die 24-Jährige sehr schnell klar, nach ihrer Lehrzeit nicht länger in einer Klinik arbeiten zu wollen. Dem von Schichtplänen erzeugten Zeitdruck wollte sie entfliehen und hat in der freiberuflichen, außerklinischen Geburtshilfe ihre Berufung gefunden. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen liegen die Vorteile für sie auf der Hand. "Ich lerne die Familien genau kennen, begleite sie weit vor und lange nach der Geburt", sagt sie. Nur so lasse sich ein inniges Vertrauensverhältnis aufbauen, das für die intime und sensible Zeit einer Geburt so wichtig ist.

Hemmen wünscht sich, dass den Frauen die Angst vor einer außerklinischen Entbindung endlich genommen würde. "Eine Geburt ist keine Krankheit, die es zu behandeln gilt."

Katrin Wissmüller kennt dieses Gefühl - von der anderen Seite her. Eine Beleghebamme begleitete die junge Bambergerin vor, während und nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Bruno vor etwa zwei Jahren. "Durch den langen, engen Kontakt haben wir ein Urvertrauen aufgebaut", sagt die zweifache Mutter. Das enge Verhältnis habe die Entbindung erleichtert - für alle Beteiligten.

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Seit sich die Geburt gegen 21 Uhr ankündigte, standen die beiden Frauen in regem telefonischen Kontakt. Derart unterstützt harrte Wissmüller noch einige Stunden zu Hause aus. "Wir waren alleine, fühlten uns aber nicht so", sagt sie. Dann war es soweit, die Hebamme kam zu ihr nach Hause und gemeinsam fuhren sie zum Klinikum. 2.50 Uhr kam dann der kleine Bruno wohlbehalten zur Welt. "Ich kann nur jeder Frau zu einer Beleghebamme raten", sagt Katrin Wissmüller.

Wer mit Hebammen spricht, bekommt viele tolle und sehr emotionale Geschichten rund um das "Naturwunder Geburt" erzählt. Der Arbeitsalltag vor allem von Freiberuflerinnen besteht aber noch aus viel mehr. Sie bereiten werdende Eltern auf das vor, was all das Babyglück mit sich bringt. Stillen, Wickeln, Beziehungspflege und Babyblues - Fragezeichen gibt es anfangs unendlich viele. In den Abendstunden leiten sie Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurse an. "Ganzheitlich" nennt Julia Hemmen ihre Jobbeschreibung. Wohl wissend, das Bereitschaftshandy könnte schon in der nächsten Nacht wieder klingeln.

Geburtszahlen steigen seit Jahren

Seit Jahren steigen die Geburtenzahlen, die Kliniken freuen sich über ausgebuchte Kreißsäle und die Hebammen über volle Terminkalender. Dennoch scheint sich die Stimmung zu trüben, kommen die Rahmenbedingungen zur Sprache. Petra Reichert-Wittke aus Oberaurach im Landkreis Haßberge ist Hebamme mit Leib und Seele. Nur Geburtshilfe bietet die Freiberuflerin mit eigener Praxis aktuell nicht an. In eine Klinik will sie nicht. "Aber alleine, ohne sich mit anderen Hebammen zu vernetzen, lassen sich Hausgeburten fast nicht stemmen", sagt sie. Zu groß die Risiken, zu umfangreich der bürokratische Aufwand. Dass sich politisch etwas tut, findet sie gut. "Aber Worten müssen auch Taten folgen."

Nach 45 Minuten hat Julia Hemmen ihren Hausbesuch bei Leon beendet. Sie steigt ins Auto, der nächste wartet schon. Auch ihr Fokus liegt auf Vor- und Nachsorge. "Ich liebe die Arbeit mit Schwangeren", sagt sie. Und doch klingt Vorfreude aus ihrer Stimme, wenn sie von der Wiedereröffnung des Bamberger Geburtshauses im Herbst erzählt. Dort spielt die Kernaufgabe der Hebammen, die Geburtshilfe, wieder eine wichtige Rolle. Mit im Team: Julia Hemmen.

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Kommentar des Autor: "Es geht um unsere Zukunft"

Die Zahl der Hebammen in Deutschland steigt. Das ist gut, denn auch die Zahl der Geburten legt seit einigen Jahren wieder kontinuierlich zu. Aber dennoch hallt in den meisten Fällen ein einziges Wort am lautesten nach, wenn es ums Thema Geburtshilfe geht: Mangel. Vor allem in ländlichen Regionen Bayerns wachsen die weißen Flecken auf der Versorgungskarte. Mehr Beschäftigte heißt nicht mehr Betreuung - nur ein Viertel der Geburtshelferinnen arbeiten Vollzeit, freiberufliche Hebammen werden in Krankenhäusern seltener. Die Situation scheint prekär genug, dass eine Bundeselterninitiative hochschwangeren Urlauberinnen davon abrät, in manche Regionen im Freistaat zu reisen.

Politiker treffen sich mit Experten zu runden Tischen und Spitzentreffen. Auch das ist gut, zeigt es doch, dass Probleme erkannt werden. Das "Zukunftsprogramm Geburtshilfe" von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml baut auf finanzielle Förderungen.Wenn immer mehr Kreißsäle schließen, wird Geld alleine die prekäre Lage nicht verbessern. Hebammen brauchen bessere Arbeitsbedingungen, mehr Anerkennung und Entlastung. Unser aller Zukunft wegen.