Coburgs OB und sein Kritiker

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Archivbild vom April 2007: Michael Stoschek (links) und Oberbürgermeister Norbert Kastner auf dem Weg zu einer Podiumsdiskussion.
Archivbild vom April 2007: Michael Stoschek (links) und Oberbürgermeister Norbert Kastner auf dem Weg zu einer Podiumsdiskussion.

Am Mittwoch endet nach 24 Jahren die Amtszeit von Oberbürgermeister Norbert Kastner. Vor allem die letzten zwölf Jahre waren überschattet von Konflikten mit dem Brose-Hauptgesellschafter Michael Stoschek.


90er Jahre: heile Welt

Michael Stoschek ist geschäftsführender Gesellschafter von Brose, als er die politische Bühne der Vestestadt betritt. 1986 beschloss Brose, ein neues Werk in Hallstadt bei Bamberg zu errichten, weil in Coburg der Platz fehlt. In einer Tageblatt-Diskussionsrunde bei der Oberfrankenausstellung im September 1989 mahnt Stoschek Veränderungen in der Stadtpolitik an: Es drohe Überalterung. Coburg liegt damals noch an der innerdeutschen Grenze.

Einer der weiteren Diskussionsteilnehmer ist Norbert Kastner, Oberbürgermeisterkandidat der SPD. Acht Jahre später gelingt Kastner, was in den 80er-Jahren unmöglich war: Brose kann in Coburg erweitern. Die Stadt siedelt ihr Busdepot um und saniert das Gelände. Stoschek zeigt sich angetan von dem noch jungen und tatkräftigen Oberbürgermeister, dem in den ersten Jahren alles zu gelingen scheint.
Die HUK Coburg, kräftig gewachsen, baut schon vorher in Coburg einen zweiten Standort auf der Bertelsdorfer Höhe, obwohl sie für eine Ansiedlung in einem der damals noch neuen beigetretenen Bundesländer hohe Fördermittel hätte kassieren können. In den freien Standort in der Heiligkreuzstraße zieht später das Zentrale Mahngericht für Bayern. Und 2005 erweitert die HUK erneut in Coburg, weil die Stadt den BGS-Sportplatz verkauft hat und bereit ist, auch noch die frühere BGS-Sporthalle zur Verfügung zu stellen. Das Verhältnis von Kastner zum damaligen Sprecher der HUK-Vorstände, Rolf-Peter Hoenen, gilt als sehr eng.

Eines Tages lädt Stoschek Norbert Kastner ein, mit ihm Rallye zu fahren. Stoschek ist ein ehrgeiziger Fahrer; dass Prominente gebeten werden, als Copiloten dabei zu sein, sei im Rallyesport so üblich, erzählt er einmal. Kastner macht seine Sache gut - hat sich vorbereitet, beweist sportlichen Ehrgeiz. Das gefällt Stoschek.

2000: die Lauterer Höhe

Coburg soll Autobahnanschluss erhalten, und damit ist klar, dass die Lauterer Höhe ein begehrter Gewerbestandort werden wird. Nach langen Diskussionen beschließt die Stadtratsmehrheit, dass die Hamburger Projekt entwicklergesellschaft Procom die Lauterer Höhe zum Einkaufs- und Freizeitzentrum mit 40 000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche ausbauen soll. Mit im Paket: Eine Veranstaltungs- und Sporthalle. In Coburg haben sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Sommer-Events etabliert: Das Sambafest, das Schlossplatzfest, die Open-Airs, der Flohmarkt, das Vogelschießen... Nur im Winter ist nichts los, weil eine geeignete Halle fehlt.
Doch gegen das Projekt regt sich Widerstand. Es kommt zum doppelten Bürgerentscheid, am Ende steht - mit knapper Mehrheit - ein Nein der Coburger zu der Planung auf der Lauterer Höhe. Kastner ist auf der Verliererseite.

Gefordert, da im Vorfeld des Bürgerentscheids versprochen, ist nun eine Aufwertung der Innenstadt. Der Marktplatz, der noch als zentrale Bushaltestelle dient, soll aufgehübscht und endgültig busverkehrsfrei gemacht werden. Die Suche nach einer zentralen Ersatzhaltestelle führt 2002 zu einem weiteren Bürgerentscheid: Die Coburger lehnen die Planung für den Theaterplatz ab. Hier hätten, wie auf dem Marktplatz, alle halbe Stunde alle Busse zusammenkommen sollen. Also wird der Marktplatz nicht busfrei, und Stoschek ist sauer. Seine Frau hat das "Goldene Kreuz" an der Ecke Markt/Herrngasse gekauft, um es zu sanieren. Kastner habe es nicht zustandegebracht, die Innenstadt von den "Monsterbussen" zu befreien, sagt Stoschek. An der Fassade des "Goldenen Kreuz" kündet ein großes Transparent vom Baustopp.


2003: Streit um einen Kreisel

Die Straßen rund um das Brose-Werke wurden nach Brose-Vorgaben neu gestaltet. Ein Element dabei: Der Kreisverkehr an der Südzufahrt, in dem ein Willkommensschild in mehreren Sprachen die Gäste begrüßen soll. Darauf steht das Firmenlogo von Brose. Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung im April 2003 spricht von "Brose-City". HUK-Vorstandssprecher Hoenen ist sauer. Denn die HUK liefert den bei weitem größten Teil der städtischen Gewerbesteuern, aber stellt nicht so hohe Ansprüche.
Kastner selbst habe diese Kreisel-Gestaltung abgesegnet, heißt es von Brose-Seite. Der OB widerspricht - er habe die Unterlagen unbesehen ans Baureferat weitergegeben. War auf diesen Papieren das Brose-Logo zu erkennen? Nein, sagen Mitglieder des Bau- und Umweltsenats. "Wer die Stele entfernt, vertreibt Brose aus Coburg", droht Stoschek bei einem Pressetermin am Kreisel, und Kastner sagt, damit nehme Stosckek seine Mitarbeiter "quasi in Geiselhaft". Am Ende darf die Stele stehenbleiben, und die Stadt lässt eine Richtlinie ausarbeiten, unter welchen Bedingungen Coburger Unternehmen mit ihrem Firmenlogo auf Verkehrs-Hinweisschildern erscheinen dürfen...
Eine Folge dieser Auseinandersetzung ist, dass Brose sein Sponsoring für den Coburger Handballverein HSC 2000 aufkündigt. Präsident des von ihm mitbegründeten Vereins ist Norbert Kastner. Die HUK Coburg springt als Sponsor ein, und bald darauf wird bekannt, dass die HUK auf dem BGS-Sportplatz ihr neues Post- und Rechenzentrum errichten wird.

2004: Straßen und Namen

aneben beginnen die Diskussionen um einen Flugplatzneu- oder Ausbau. Zu den Nutzern des Platzes gehören die Firmen Brose und Kapp. Betrieben wird der Flugplatz vom Aero-Club, nachdem es einmal Ärger gegeben hatte, als ein städtischer Mitarbeiter im Tower dem Brose-Flieger wegen schlechter Sicht die Starterlaubnis verweigert hatten. Das war schon fast wieder vergessen. Denn inzwischen - im Sommer 2004 - gibt es Ärger wegen der Max-Brose-Straße: Der Stadtrat hat die Umbenennung der Von-Schultes-Straße abgelehnt. Theoretisch hätte die Bezeichnung "Brose-Straße" eine Mehrheit finden müssen - denn "Brose-Straße" hätte auch auf die Firma an sich verweisen können und nicht auf die bei einigen Stadträten umstrittene Persönlichkeit des Firmengründers.

2006: Nik kontra Arena

ie HUK will auf dem BGS-Gelände bauen, und möglicherweise wird sie einige Jahre später auch den Platz beanspruchen, wo jetzt die BGS-Sporthalle steht. Deshalb sollte beizeiten ein Ersatzbau geschaffen werden. 2006 beschließt der Stadtrat, eine Sport- und Veranstaltungshalle auf der Lauterer Höhe errichten zu lassen.

Im September 2006 präsentiert Michael Stoschek zusammen mit Rolf-Peter Hoenen seinen Gegenentwurf: Das "Neue Innenstadt-Konzept", Nik. Keine Halle auf der Lauterer Höhe, stattdessen eine auf dem Anger samt Kongresshotel und ein neuer Sportpark im Norden. Ein Vierteljahr lang wird geprüft, untersucht, begutachtet. In einer denkwürdigen Stadtratssitzung im vollbesetzten Kongresshaus lässt Kastner das Thema nach stundenlangen Diskussionen vertagen. "Ich hätte eine Mehrheit gegen das Nik gehabt", wird er hinterher sagen. Doch es habe die Spaltung des Stadtrats und der Stadt gedroht, und ein Bürgerbegehren pro Nik hätte es danach ohnehin gegeben. Der Entscheid findet im April 2007 statt, mit einer Mehrheit für die Multifunktionshalle am Anger.

Es folgt, was manche Kastners nächsten Winkelzug und andere die logische Folge nennen: Für die Umgestaltung des Angers muss ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgelobt werden - eine uralte Forderung der Regierung von Oberfranken, denn schon in den 80er-Jahren hätte am Anger eine Veranstaltungshalle gebaut werden sollen. Damals waren aber die Schützen noch dagegen, weil sie ihren Festplatz nicht hergeben wollten.

2008: Arena, trotz allem

Die Planung des Nik kann nicht so ohne weiteres zur Grundlage eines neuen Bebauungsplans gemacht werden. Erst muss ein Ideenwettbewerb laufen, und der zieht sich bis April 2008. Das Nik landet unter "ferner liefen", die Jury bevorzugt einen Entwurf eines Weimarer Büros. Der Bruch zwischen Hoenen und Kastner, der im Zuge der Diskussionen ums Nik begann, ist da schon längst manifest. Als Hoenen 2009 in den Ruhestand verabschiedet wird, nimmt Kastner nicht an der Feier teil.

Stoschek 2008 tritt als Präsident der IHK zu Coburg zurück. Denn trotz eines von Stoschek finanzierten aufwendigen Wahlkampfs für die Gegenkandidatin wählen die Coburger Kastner am 2. März erneut zum Oberbürgermeister.

Kurz fordern die Coburger Ballsportvereine eine neue Halle, die den Anforderungen der höheren Klassen entspricht ("fernsehtauglich"). Der HSC spielt bereits in der 2. Bundesliga, die Volleyballer wollen in die erste. Der Sport ist in Coburg eine Macht, die Stadt hat Geld, der Stadtrat entscheidet: Auswahlverfahren für einen Projektträger, Vergabebeschluss am 24. September 2009, Spatenstich am 1. Dezember 2009. Am 13.August 2011 wird die "Arena" auf der Lauterer Höhe übergeben.

Die Planungen für die Anger umgestaltung dümpeln derweil vor sich hin. Unter Führung der IHK wird nach Investoren gesucht, aber es finden sich keine. Zumindest keine, die alles auf eigene Kosten bauen und betreiben, denn das ist inzwischen die Bedingung.

2012: Wegzug und Wohltaten

Brose verkündet im Februar 2012, dass das neue Hauptquartier in oder bei Bamberg errichtet werde - unter anderem, weil Coburg nicht über ein Kongresshotel verfüge. 300 Arbeitsplätze sollen aus Coburg verlagert werden.

Doch in all der Zeit fördert und sponsert Stoschek Projekte in Coburg: Anlässlich seines 60. Geburtstags 2007 gibt er eine Million Euro zur Förderung benachteiligter Jugendlicher; als im Mai 2012 ein Großbrand mehrere Häuser in der Herrngasse zerstört, stellen Stoschek und seine Schwester Christine Volkmann fünf Millionen Euro bereit. Das Geld wird nur zum kleinen Teil gebraucht. Nun sollen Haussanierungen in der Innenstadt und eine städtebaulich vertretbare Gestaltung einer möglichen Schlossplatztiefgarage damit gefördert werden. Der Stadtrat ernennt Stoschek und Volkmann zu Wohltätern der Stadt. Die Zeremonie leitet Zweiter Bürgermeister Norbert Tessmer (SPD). Er kommt mit Stoschek offenbar gut zurecht. Er gibt sich Mühe.