Seit genau einem Jahr berichtet unsere Redaktion über den Coburger Dieter Kellouche, der zu Unrecht lebenslänglich in den Vereinigte Arabischen Emiraten in Haft ist. Trotz Unterstützung aus der Politik hat sich bislang nichts getan.
Manchmal kann die Redaktion mit Dieter Kellouche sprechen, wenn er an ein Gefängnis-Telefon darf. Leider kann er nie etwas Positives sagen. Im Gefängnis ist Corona ausgebrochen. Es hat Tuberkulose-Fälle gegeben. Die Wasserversorgung ist zusammengebrochen. Mitgefangene haben ihn misshandelt, ihm den Fuß gebrochen. Und unsere Redaktion kann ihm nur sagen, dass wir an seinem Fall dranbleiben. Und das tun wir seit einem Jahr regelmäßig.
"Terroristische Absicht"
Dieter stammt aus Coburg. Vor nunmehr fünf Jahren hat er im Urlaub den Machthaber des Emirates Schardscha, Scheich Mohammed Sultan Bin Huwaiden Al Ketbi auf der Straße begrüßen wollen. Er kannte den Scheich aus früheren Jahren, als Dieter beruflich im Emirat war. Der Scheich erkannte ihn nicht, dachte, er würde angegriffen. Momente später war die Situation geklärt, doch weil sich das Ganze in der Öffentlichkeit zugetragen hatte, wurde daraus ein Gerichtsverfahren. Kellouche wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er den Scheich "in terroristischer Absicht" angegriffen habe. Mit Hilfe des Büros des nun ausgeschiedenen Bundestagsabgeordneten Hans Michelbach (CSU) haben wir die zugänglichen Prozessakten ausgewertet.
Brief an den Außenminister
Seitdem haben wir, mit Michelbachs Unterstützung, immer wieder versucht, die Lage von Dieter Kellouche zu verbessern, möglicherweise die Haft sogar zu beenden. Hans Michelbach trug die Angelegenheit in den Menschenrechtsausschuss des Bundestages. Er hat den Fall auch dem damaligen Außenminister Heiko Maas (SPD) vorgelegt, hat probiert, ein Gnadengesuch zu erwirken. Dieter Kellouche hat über unsere Redaktion einen Brief an Maas gerichtet. Auch die "BILD am Sonntag" hatte den Fall aufgegriffen. Das Konsulat in Dubai und das Auswärtige Amt haben auf regelmäßige Nachfragen unserer Redaktion immer nur mitgeteilt, dass der Fall bekannt ist und in Bearbeitung sei. Getan hat sich aber in den vergangenen zwölf Monaten - nichts. Nur, als Dieter nach der Misshandlung operiert werden musste, halfen die Behörden, ihn in eine Klinik in Dubai zu überstellen. Dort lag er, mit einer Handschelle am anderen Bein an das Bett gekettet. Nach der OP ging es zurück in die Emirate, in das Gefängnis. Gehen kann Dieter seit dem Angriff auf ihn nicht wieder richtig...
"Es sind Schicksale!"
Ist es normal, dass in so einem Fall, in dem sogar jemand im Gefängnis misshandelt wurde, so lange nichts passiert von Seiten der Bundesrepublik? Hans Michelbach: "Solche Fälle sind immer kompliziert. Und es gibt leider viele Länder, die so massiv gegen Menschenrechte verstoßen." Aber: "In solchen Fällen, auch in diesem, ist das Auswärtige Amt massiv gefragt. Es muss deutlicher werden, dass es sich hier um menschliche Schicksale handelt. Dass ein Land im Umgang mit anderen Staaten vielleicht wirtschaftliche Interessen hat, ist die eine Seite. Aber als freier Rechtsstaat muss man auch Menschenrechte einfordern." Glaubt Michelbach, dass sich unter einer grünen Außenministerin Annalena Baerbock etwas an der Politik in solchen Fällen ändert? Die neue Außenministerin hatte in einem Interview zum Beispiel gesagt, dass Missstände in China deutlich angesprochen werden müssten. Michelbach: "Es wäre zu hoffen, dass wir in Zukunft in Sachen Menschenrechte eine klarere Sprache sprechen!"
Wie geht Dieters Mutter Khedidja damit um, dass ihr Sohn jetzt schon fünf Jahre in Haft ist? "Es ist und war eine sehr schwierige Zeit. Als ich von der Inhaftierung erfahren habe, lag ich im Krankenhaus. Zu wissen, dass mein Sohn nicht einmal die Möglichkeit hat, mich besuchen zu kommen, hat mir sehr weh getan. Ich bin immer traurig, wenn ich an ihn denke und fühle mich hilflos. Das schmerzt mehr als meine Krebserkrankung."
Enttäuscht von den Behörden
Von den offiziellen deutschen Stellen, die mit dem Fall befasst sind, hat sie sich mehr erhofft, wie sie unserer Redaktion sagt: "Ich bin sehr enttäuscht von den deutschen Behörden. Man denkt immer, im Notfall wird einem geholfen, wenn aber einmal wirklich etwas passiert, wie in unserem Fall, steht man ganz alleine da. Man wird immer vertröstet und hört, dass alles Mögliche getan wird. Dabei müsste nur der Außenminister den Herrscher bitten, meinen Sohn freizulassen, aber dazu ist Dieter wohl nicht wichtig genug..."