Eine Coburger Mutter hat eine Beschwerde ans Kultusministerium geschickt. Sie kritisiert den "teilweise gefährlichen" und nicht mehr zeitgemäßen Sportunterricht am Gymnasium. Auch Sportlehrer beklagen die Situation.
Stufenbarren, Schwebebalken, Reck. Drei Worte für ein Trauma. Wer erinnert sich nicht an den Moment, wenn der Lehrer sagt: "Jetzt Du!" und das Sprungbrett vor den Augen verschwimmt? Was bei anderen oft so leicht aussieht, gibt einem selbst das Gefühl, ein nasser Sack zu sein. Umgeknickt beim Absprung, auf dem Hinterkopf gelandet. Hilfestellung unterm Arm, ein Griff in den Oberschenkel. Das war früher so und daran hat sich nicht viel geändert.
Eine Coburgerin hat am Mittwoch eine Petition beim Kultusministerium eingereicht, in der sie sich über den gymnasialen Lehrplan beschwert. Sie will namentlich nicht genant werden, schließlich ist der Sohn noch in der Schule.
Lehrplan überholt Sie schreibt: "Der Lehrplan Sportunterricht an den Gymnasien ist überholt. Schulsport sollte Ausgleich und Gesundheitsförderung sein.
Anstelle von akrobatischen, teilweise gefährlichen Übungen sollte mehr Wert auf Ausdauer, Fitness, Freude an Bewegung gelegt werden."
Die engagierte Mutter findet, dass als Zusatzangebot Ernährungstipps vermittelt werden sollten. Auch müsse man dem Rechnung tragen, dass immer mehr Jugendliche viele Stunden mit den neuen Medien verbringen und damit die Verletzungsgefahr im Sportunterricht steige. Sie geht weiterhin auf die übergewichtigen Kinder ein, die immer mehr werden. Sie müssten trotzdem zu Bewegung animiert werden und sollten keine Frusterlebnisse aus dem Sport mitnehmen. Für Pubertierende sei es nicht zuträglich, akrobatische Verrenkungen machen zu müssen, während die ganze Klasse zuschaut.
"Warum hat jeder zweite Erwachsene traumatische Erinnerungen an den Schulsport? Warum wird da nichts geändert? Statt ein- bis zweimal die Woche unsinnige Übungen zu machen, sollte die tägliche Bewegung gefördert werden", schreibt sie.
Lieber Wahlfächer Wer gerne Reckturnen oder ähnliches machen möchte, könnte dies in Wahlfächern belegen. In der Schule sollte Sport nur zum Ausgleich dienen, am besten täglich. Bewegung sei nachgewiesenermaßen sehr intelligenzfördernd.
Was sagen Coburger Sportlehrer dazu? Im Gespräch mit dem Tageblatt geben sie sich sehr aufgeschlossen, wollen aber nicht mit Namen genannt werden. Zwar findet eine Lehrerin Geräteturnen nicht gefährlicher als beispielsweise Klettern, gibt aber zu, dass sie selbst auf das Reck- und Barrenturnen mittlerweile verzichtet.
Die Kinder, die immer schwerer würden, könnte sie bei der Hilfestellung nicht ausreichend absichern. Auch die mangelnde Koordinationsfähigkeit, ja eine gewisse Trägheit beobachte sie bei den Schülern. "Eine Rolle vorwärts geht gar nicht mehr", sagt sie frustriert.
Mit dem Lehrplan versuche man sicherlich auf die zunehmende Zahl von übergewichtigen Kindern zu reagieren, sagt Martin Nußpickel, Sportlehrer am Ernestinum. "Freilich ist die zeitliche Umsetzung relativ schwierig. Zwei Wochenstunden Sportunterricht sind niemals ausreichend um Adipositas-Kindern einen ausreichenden Ausgleich zu bescheren", sagt er. Hier liege die Gefahr eher im häuslichen Umfeld der Kinder. Der Sportunterricht an den Schulen kann nur Anregung und Motivation geben. "Somit haben die Sportlehrkräfte relativ wenig Spielraum, um derartigen Problemen zu entgegnen", resümiert der erfahrene Sportlehrer.
Treppenhauslauf am "Albert" Dass Lehrer sich schon viele Jahre Gedanken machen, wie Kinder angespornt und ihre körperliche Fitness gesteigert werden kann, zeigt das Programm "Fit und schlau", beispielsweise am Albertinum. Das Projekt aus dem Jahr 2008 beinhaltete drei Bausteine. Der erste Baustein war die Bereitstellung von Sportgeräten, die den Schülern in Pausen und unterrichtsfreier Zeit die Möglichkeit zur körperlichen Bewegung ermöglichten.
Ein zweiter Baustein waren sportliche Wettkämpfe, die außerhalb des Unterrichts auf freiwilliger Basis stattfanden. Zum Beispiel an dem wöchentlichen Treppenhauslauf. Hier galt es, die fünf Etagen im Albertinum in Bestzeit hochzulaufen.
Ansporn schaffen Eine Sportwoche war der dritte Baustein des Projektes "Fit und Schlau". Die Schüler mussten sich für diese Veranstaltung qualifizieren. Gefragt waren nicht nur sportliche, sondern auch gute schulische Leistungen und korrektes soziales Verhalten. Die Sportwoche fand Anfang des Schuljahres 2008/2009 statt und beinhaltete attraktive Trendsportarten. Um bei der Surf-Woche teilnehmen zu können, mussten die Schüler regelmäßig ins Schwimmbad. Schwimmen, Springen und Tauchen lernten sie so mit großem Ansporn.
Ballspiele, Geräteturnen und die Leichtathletik sind nach dem Lehrplan Pflicht, Trendsportarten durchaus erlaubt. Doch es bleibt den Lehrern nur wenig Spielraum dafür. Letztendlich liegt die Verantwortung beim Direktor. Der Sicherheitsaspekt spielt also eine wichtige Rolle.
Zu wenig Freizeit Im Grunde ist es aber möglich, Kinder für Sport zu begeistern. Auch wenn sie zunächst gar keine Lust darauf haben? Die Sportlehrer, mit denen wir gesprochen haben, sind überzeugt davon. Doch der Trend, dass Kinder sich trotzdem immer weniger bewegen, sei unverkennbar. Durch die Einführung der Ganztagsschule bleibe den Schülern weniger Zeit. Sportvereine hätten darunter zu leiden. "Weniger Freizeit, weniger Vereinsleben!"
Zurück zur Petition: Was will die Coburger Mutter mit ihrer Beschwerde in München erreichen? Kurz und bündig heißt es: "Mehr Fitness und Körperbewusstsein für Jugendliche, weniger traumatische Erlebnisse und Unlust durch Sportunterricht, mehr Freude an Bewegung, mehr Gesundheitsvorsorge.
Ihre Begründung ist ebenso deutlich formuliert: "Der Sportunterrichts-Lehrplan ist nicht zeitgemäß und nicht gesundheitsförderlich. Er beinhaltet ein unsinnig hohes Verletzungsrisiko und führt teilweise dazu, dass Kinder jede Art von Sport hassen."
Der bayerische Landtag reagierte schnell. Bereits gestern bekam die Coburgerin Antwort: "Zu Ihrem Vorbringen haben wir eine Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung angefordert. Sobald uns diese vorliegt, wird der Ausschuss für Bildung und Kultus die Eingabe behandeln. Die dafür notwendigen Feststellungen nehmen in der Regel einige Zeit in Anspruch."
hier wird's wieder ausgelassen, was zuhause versäumt wird.
- Übergewichtigkeit, - Desinteresse an Bewegung ... sind überwiegend im Elternhaus begründet und wenn ich dann höre "Ernährungsratschläge" wären von Vorteil, zieht's mir den Hut hoch. Essen die denn in ihren Familien nur Pommes Frites oder wird dort auch gekocht?
Für welche Versäumnisse im Elternhaus sollen die Schulen denn noch aufkommen?
Mangelnde Freizeit aufgrund von Ganztagesunterricht wird angeführt, nicht beachtend, dass der wiederum aufgrund mangelndem Wissens und Lernbereitschaft angeboten/eingeführt wird/wurde.
Dem Bewegen in der neuen Medienwelt solle Rechnung getragen werden - prima, Twitter und Facebook sind's, doch kaum Recherchen zur Aufgabenlösung und wissenschaftliche Themen.
Dann werden klassische Sportarten wie das Turnen am Reck, am Barren und am Pferd als gefährlich bezeichnet. Geht's noch? In den Winterferien machen wir bestimmt zwei Skiurlaube (schwarze Piste inbegriffen), mit 18 Jahren brauchen wir ein "Brett" - ich denke an einen Audi TT o. ä. und am besten noch ein Motorrad. Das ist natürlich alles ungefährlich ...
Schult die Eltern "zwangsweise" und ermöglicht den Kids ein normales heranwachsen, wo man im Sportunterricht bildhaft erfährt, dass Übergewicht hinderlich ist.
@berny-1946 Richtig so - intensivieren! Lasst die Übergewichtigen jeden zweiten Tag heulend heim rennen - vielleicht werden sie mit ihren Eltern dann wach.
m.f.G.
die ihre eigene Anspruchshaltung auf ihre Kinder projezieren - sollten überholt werden.
"Mangelnde Koordinationsfähigkeit und eine gewisse Trägheit" bei den Schülern. "Eine Rolle vorwärts geht gar nicht mehr", das sagt eigentlich schon alles !!! Da sind doch die Eltern nicht ganz schuldlos ! Da wurde sich in den Kinderschuhen schon zu wenig bewegt (TV, Handy, PC etc.). Da ist es jetzt bestimmt der richtige Weg, den Sportuntericht zu reduzieren ! Das Gegenteil müßte der Fall sein....