So erleben in der Morizkirche zahlreiche Zuhörer die Erstaufführung der 1746 entstandenen Matthäus-Passion.
An Martin Luther kommt in diesem Jahr niemand vorbei - zumindest in
Coburg. Das gilt auch für Georg Philipp Telemann, an dessen 250. Todestag der Coburger Bachchor mit einer gewichtigen Erstaufführung erinnert.
Schließlich prägt Luthers Übersetzung bis heute nachhaltig das Bibelverständnis - und in Gestalt des übersetzten Evangelientextes ist der Reformator auch in Telemanns Matthäus-Passion von 1746 präsent. Als stummer Gast steht zudem die von Ernst Rietschel geschaffene, 1883 aufgestellte Luther-Büste von St. Moriz am Rande dieser denkwürdigen Aufführung.
Empfindsamer Stil
Telemann statt Bach zum Karfreitag - diese Wahl beschert dem Coburger Publikum die Begegnung mit einem interessanten, vielschichtigen und auch heute noch hörenswerten Werk. Diese Passions-Vertonung, im Vergleich zu Bachs bekannter Matthäus-Passion deutlich knapper gehalten, zeigt schon unüberhörbar Einflüsse des empfindsamen Stils auf dem Web vom Barock zur Vorklassik.
Französische und italienische Einflüsse
Vor allem aber zeigt sich Telemann als Komponist, dem es in diesem Werk überzeugend gelingt, verschiedene stilistische Ebenen geschickt zu kombinieren. Französische Einflüsse finden sich in den lebendig den Text übersetzenden Rezitativen, italienisch geprägt sind die Arien, die Choräle und Chorsätze stehen in der Tradition deutscher Kirchenmusik.
Am Dirigentenpult gelingt es Peter Stenglein, diese unterschiedlichen Ebenen eindringlich und mit gutem Gespür für gestalterische Balance zu bündeln.
Instrumentale Virtuosität
Das Main-Barockorchester Frankfurt hat schon bei vielen Bachchor-Konzerten sehr überzeugend seine künstlerische Visitenkarte hinterlassen. Bei dieser Telemann-Passion beeindruckt das Ensemble erneut ebenso durch seine Stilsicherheit wie durch seine instrumentale Virtuosität und die Präzision des Zusammenspiels. Brillant geraten die solistischen Akzente - Glanzlichter setzt besonders Wilhelm Bruns auf dem Naturhorn.
Biblisches Geschehen wird dramatisch lebendig
Gewichtigen Anteil am Gelingen dieser Coburger Erstaufführung hat das bestens besetzt, durchweg stilsicher agierende Solisten-Quintett. Allen voran: der Tenor Hermann Oswald als Evangelist, der mit bester Textverständlichkeit und großer Prägnanz singt und das biblische Geschehen immer wieder auch dramatisch lebendig werden lässt, ohne jedoch opernhaft zu agieren. Felix Rathgeber singt die Partie des Jesus mit ausdrucksvollem Bass, dem Pilatus verleiht Martin Trepl stimmliche Würde.
Ein Wiederhören gibt es mit der vor einigen Jahren am Landestheater engagierten Sopranistin Marie Smolka, die in ihren Arien ebenso überzeugt wie Michaela Maucher in den Alt-Arien.
Vorbildliche Textverständlichkeit
Anders als in Bachs Passions-Vertonungen fehlen in dieser Matthäus-Passion Telemanns die großen betrachtenden Chorsätze. Dennoch spielt der Bachchor in dieser Erstaufführung eine zentrale Rolle. Bein den bewusst schlicht harmonisierten Choralsätzen beeindruckt der Bachchor durch abgerundeten, tragfähigen Gesamtklang und vorbildliche Textverständlichkeit.
Auf hohem Niveau
Bemerkenswert eindringlich geraten die dramatisch akzentuierten Volkschöre. Reaktionsschnell und stets sehr konzentriert folgt der Bachchor hier den gestalterischen Impulsen Peter Stengleins. 60 Jahre nach seiner Gründung präsentiert sich der Coburger Bachchor auch bei diesem Konzert auf durchweg hohem Niveau.
So geht es weiter bei der "Musica Mauritiana"
Dienstag, 9. Mai Posaunenchor St. Moriz, Leitung: Peter Stenglein; Orgel: Rudolf Lutz
Samstag, 13. Mai 30 Minuten Musik zur Marktzeit - bis 28. Oktober jeweils Samstag, 11 Uhr, St. Moriz, Eintritt frei
Sonntag, 28. Mai Reformationen - Protestantische Musik des 17. Jahrhunderts; Ensemble 1984 (Leipzig), Leitung: Gregor Meyer - 18 Uhr, St. Moriz
Samstag, 24. Juni Bachnacht - Bach von Acht bis Mitternacht: Kantaten, Orchestermusik, Kammermusik, Orgelmusik - St. Moriz
Sonntag, 17. September Bach "Leipziger Choralbearbeitungen", Stefan Johannes Bleicher, Mario Hospach-Martini (Orgel), 17 Uhr
Sonntag, 1. Oktober Die wittembergisch Nachtigall - Martin Luther: Musik des 16. Jahrhunderts; Melchior-Franck-Kreis, Leitung Knut Gramß, 17 Uhr, St. Moriz
Sonntag, 22. Oktober Mendelssohn "Paulus", Vokalsolisten, Coburger Bachchor, Philharmonisches Orchester, Leitung Peter Stenglein, 16 Uhr, St. Moriz