Das Amtsgericht hat einen Allgemeinarzt des Betrugs in fünf Fällen schuldig gesprochen. Mit falschen Abrechnungen soll er 20 000 Euro zu Unrecht erhalten haben. Sein Verteidiger gibt die Schuld aber dem komplizierten Abrechnungssystem.
Die alles entscheidende Frage ist, ob es absichtlich oder versehentlich geschehen ist." Mit dieser Aussage brachte Oberstaatsanwalt Martin Dippold sein Plädoyer auf den Punkt. Im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2009 und 31. Dezember 2010 soll ein Coburger Allgemeinarzt Leistungen doppelt abgerechnet und dadurch rund 20 000 Euro zu viel Vergütung erhalten haben.
Dass dies geschehen ist, stellen der Arzt und sein Anwalt auch gar nicht in Frage. Dass der Fehler allerdings absichtlich gemacht worden sein soll, bestritt der Angeklagte bei der gestrigen Verhandlung vor dem Coburger Amtsgericht.
Komplizierte Abrechnung Der 58-Jährige nahm mit seiner Praxis an der hausarztzentrierten Versorgung teil. Für die teilnehmenden Patienten galt in diesem Fall eine gesonderte Abrechnung über die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft. Abgerechnet wurde dabei nicht über die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB). Den Vorfall aufgedeckt hatte eine interne Untersuchung der AOK, die die einzelnen Abrechnungsquartale prüfte und im Sommer 2012 Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstattete. Dabei stellte sich heraus, dass noch bei vier weiteren Krankenkassen Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung vorlagen.
Der zuständige AOK-Mitarbeiter, der die Zahlen für seine Kasse geprüft hatte und als Zeuge aussagte, musste zugeben, dass bei dem Programm anfangs viele Hausarztpraxen falsch abgerechnet hätten. Das habe aber in einem geringen Bereich gelegen, erläuterte er. Zusätzlich zu hausärztlich-geriatrischen und psychosomatischen Leistungen fiel der Kasse vor allem die hohe Zahl der Konsultationspauschalen ins Auge. "Die liegt 3000 Prozent über dem, was andere Ärzte abrechnen", sagte der Experte. Zur Häufigkeit der Fälle befragt, sagte er aus, dass insgesamt 40 von 7000 Hausarztpraxen ähnlich auffällig abgerechnet hätten wie der Coburger Arzt.
Die Mitarbeiterin, die in der Praxis für die Abrechnungen zuständig war, erläuterte dem Gericht den Prozess: Es sei kompliziert gewesen, weil zwei verschiedene Abrechnungen und zwei Computerprogramme notwendig gewesen seien.
Zur Sprache kam gestern auch, wie die Konsultationspauschalen abgerechnet wurden: Es sei die Regel, dass diese Pauschale für den Kontakt zum Patienten angewandt werde, erläuterte die Mitarbeiterin. Dem widersprach der AOK-Experte: Diese Pauschale sei eben nicht für persönliche oder telefonische Patientenkontakte, Rezeptausstellungen oder ähnliches gedacht, sondern lediglich bei Überweisungen von anderen Ärzten anzuwenden.
Die Angestellte räumte ein, sie habe die Abrechnung in Eigenregie durchgeführt - ohne ihren Chef zu informieren. Ihr sei bekannt gewesen, dass das Hausarztmodell pauschal abrechne, gab sie zu. Trotzdem habe sie den Kontakt zum Patienten dokumentieren müssen und deshalb den Fall doppelt ins System eingegeben. "Ich habe das nicht anders hingekriegt", sagte sie. Strafrichterin Melanie Krapf rechnete aus, dass dabei rund 17 Mal am Tag "falsch geklickt" worden sein müsse.
"Kleinvieh macht auch Mist" In seinem Plädoyer beantragte Dippold eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und eine Geldstrafe von 40 000 Euro. Er glaubte der Angestellten nicht, eigenständig gehandelt zu haben: "Er hat gewusst, dass es Pauschalen gab und keine Gebührenziffer mehr, über die man abrechnen konnte", sagte er über den Angeklagten. Und auch wenn es pro Fall nur 1,75 Euro gewesen seien, "Kleinvieh macht auch Mist", argumentierte Dippold. Zu Lasten des Arztes spreche auch dessen Eintrag im Bundeszentralregister: "Sie sind kein unbeschriebenes Blatt, sondern wegen Steuerhinterziehung vorgeahndet."
Anwalt Thomas Drehsen forderte dagegen Freispruch für seinen Mandanten. Das komplizierte Abrechnungssystem, das er als "Quadratur des Kreises" bezeichnete und das letztendlich "gefloppt" sei, habe in der Praxis offensichtlich nicht funktioniert. Fakt sei, dass man die ärztliche Leistung bei der hausärztlichen Maßnahme gar nicht in den Computer habe eingeben können, sagte er. Der Arzt sei gezwungen gewesen, auf die Konsultationspauschale zurückzugreifen, damit überhaupt dokumentiert werden konnte, dass der Patient in der Praxis gewesen sei.
Acht Monate auf Bewährung und 20.000 Euro Geldstrafe Von der Schuld des Allgemeinarztes überzeugt war hingegen Richterin Melanie Krapf: Sie verurteilte den 58-Jährigen zu acht Monaten auf Bewährung plus 20 000 Euro Geldstrafe.
Inwieweit die Approbation des Arztes durch das Urteil in Gefahr sei, dazu wollte sich dessen Anwalt gestern nicht äußern. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils würden die Gründe des Gerichts sorgfältig geprüft, sagte Drehsen.
Dann werde die weitere Vorgehensweise darauf abgestimmt. Eine Woche hat er dazu Zeit. Deshalb ist das Urteil gegen den Mediziner auch noch nicht rechtskräftig.