Es gibt einige Gründe, die für das Bauprojekt am ehemaligen DSZ-Gelände sprechen. Doch vielen Anwohnern scheinen sie alle nicht zu genügen.
"Nennen Sie mir objektive Gründe!" Thomas Siebenhaar wird diesen Satz an diesem Donnerstagabend öfter sagen. Rund 50 Coburger sind in die Niederlassung der Hirschaider "Projekt Bauart Invest" im Münzmeisterhaus gekommen. Vier Biertischgarnituren, Leinwand und Beamer machen aus dem noch leeren Ladenlokal einen provisorischen Versammlungsraum. Thomas Siebenhaar zeigt Bilder, wie die Projekt Bauart Invest das (teilweise noch in Betrieb befindliche) Diakonisch-soziale Zentrum am Hofgarten und die daran angrenzenden Grundstücke der Leopoldstraße umgestalten will.
101 oder 102 Wohnungen im gesamten Areal, dazu 122 Parkplätze, zehn davon allein für den Kunstverein. Aber die Verkehrsbelastung werde im Vergleich zum früheren Betrieb des DSZ eher geringer sein, betont Siebenhaar. 120 Beschäftigte, 30 Beratungstermine am Tag, die Schule für Körperbehinderte hätten schließlich auch Verkehr verursacht. "Und die hatten nur 25 Parkplätze."
Das größere Ärgernis für viele Anwohner ist freilich, dass Siebenhaar auch das sogenannte Gefängnisgrundstück überbauen will. Anfang der 80er Jahre wurde das frühere Gefängnis abgerissen. 1989 gab es Pläne, auf dem Grundstück eine Wohnanlage zu errichten. Das Projekt wurde damals nicht umgesetzt, scheiterte schon in der Planungsphase an den Protesten gegen die "Wohntürme".
Städtebaulich gewollt
Damit freilich sind Siebenhaars Pläne nicht zu vergleichen. "Wir tun, was hier städteplanerisch gedacht ist", wiederholt er mehrmals, oft quittiert von Gelächter. Christa Minier, Vorsitzende der Altstadtfreunde, widerspricht: Das Sanierungskonzept sehe an dieser Stelle vor, dass der Pavillon des Kunstvereins besser ins Szene gesetzt werde, zitiert sie. "Tun wir doch", sagt Siebenhaar: Beleuchtung, bessere Zugänge, Gestaltung des Umfelds - all das bleibe und werde durch die zusätzlichen Parkplätze noch verbessert. Prompt kommt der Einwand, dass der Pavillon nicht mehr zu sehen sei, wenn das Gefängnisgrundstück bebaut sei. "Zeigen Sie mir den, der den Pavillon jetzt von der Leopoldstraße aus sehen kann", antwortet Siebenhaar. Die Einfassung des Parkplatzes mit Mauern und Gebüsch mache das unmöglich.
Der Parkplatz: Siebenhaar sieht ihn als den wesentlichen Auslöser für die Proteste, denn er geht den Anwohnern verloren. "Das würde mich auch ärgern." Doch dem stehe entgegen, das sein Entwicklungsvorhaben gleich mehrere städtebauliche Ziele erfülle: Wohnraum schaffen in der Stadt, die DSZ-Bauten weiter nutzen, die Baulücke in der Leopoldstraße in der vorgesehenen Weise schließen und noch dazu den Platz um den Kiosk umgestalten.
Dafür wird freilich die Straßenführung geändert, und das wirft die nächsten Fragen auf. "Wird die Kreuzung dann beampelt?" fragt ein Herr in der ersten Reihe. Wer in die Innenstadt wolle, habe es bei der jetzigen Verkehrsführung um den Kiosk herum leichter, sich in die Leopoldstraße einzufädeln. Solche Fragen kann Siebenhaar nicht beantworten: Die Verkehrsregelung ist Sache der Stadtverwaltung.
Die habe, in Gestalt des Baureferats, sehr für eine anwohnerverträgliche Lösung gekämpft, betont Siebenhaar. "Wir hätten das nicht so gestaltet." Auf Drängen des Stadtplanungsamts wurde das Gebäude auf dem Gefängnisgrundstück so geplant, dass es wie mehrere dicht nebeneinander stehende kleinere Häuser aussieht - so, wie ein großer Teil der Leopoldstraße zwischen Auffahrt zum Kunstverein und zur Reithalle. Die Leopoldstraße einschließlich des Gefängnisgrundstücks steht unter Ensembleschutz. Das Landesdenkmalamt hat Bedenken gegen die Baupläne geäußert, doch die Stadt konnte sich bei der Baugenehmigung darüber hinwegsetzen, wenn sie alle Belange gegeneinander abgewogen hat.
Im Verlauf des Abends teilt sich das Publikum in drei Gruppen: Da sind diejenigen, die sich Informationen über das Projekt versprachen und nach etwa einer Stunde gehen, weil ihnen die Diskussion zu unsachlich verläuft. Da sind andere, die versuchen, Siebenhaars Bilder mit dem abzugleichen, was sie befürchten und hoffen, dass es so schlimm nicht wird, wie sie dachten. Als Siebenhaar ein Foto einer Wohnanlage in Weitramsdorf zeigt, kommt die Frage, "warum machen Sie so etwas nicht in der Leopoldstraße?" Machen wir, verspricht Siebenhaar: Der neue Bau werde zehn Meter über dem heutigen Parkplatz aufragen, drei Wohngeschosse mit Flachdach über einer Tiefgarage. Eins der Bilder zeigt den Umriss des ehemaligen Gefängnisses über dem geplanten Neubau: Der ist niedriger.
Und es sind diejenigen da, die grundsätzlich dagegen sind. Weil ihnen die Frischluftschneise fehlen werde, weil eine andere Wohnanlage am Queckbrunnen das Mikroklima schon verändert habe. Das sind die Argumente, die am Ende des Abends genannt werden, nachdem Siebenhaar mehrmals nach "objektiven Gründen" gefragt und Christa Minier aus dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept zitiert hat. Minier ist es auch, die Siebenhaar drängt, zu bestätigen, dass der Bau auf dem Gefängnisgrundstück schon so gut wie verkauft ist. Brose wolle die 17 Wohnungen abnehmen, um dort Mitarbeiter unterzubringen, die nur einige Monate am Standort
Coburg verbringen, sagt Siebenhaar. Dafür werde Brose ein anderes Objekt auf den Mietmarkt geben.
Warum nichtöffentlich?
Als der Name "Brose" fällt, entsteht leichter Aufruhr. Einige der anwesenden Stadträte sehen sich später genötigt, sich in Tischgesprächen zu rechtfertigen. Matthias Langbein (SBC), Mitglied im Bau- und Umweltsenat, wehrt sich gegen Vermutungen, dass die Baugenehmigung wegen Brose erfolgte oder dass bei Bauvorhaben Schmiergeld fließe. Derweil geht die Kritik ins Grundsätzliche: Als Siebenhaar erzählt, dass an den Planungen wegen der Vorgaben der Stadt eineinviertel Jahre lang gefeilt wurde, lautet die Kritik "aber nichtöffentlich!" Und warum konnte der Finanzsenat nicht öffentlich entscheiden, dass das Gefängnisgrundstück veräußert wird? Weil das die Geschäftsordnung und die Rechtslage so vorsähen, antwortet Peter Kammerscheid, Stadtratsmitglied von Pro Coburg. Wieder gibt es Protest: "Wir sind doch alle Bürger der Stadt? Das geht uns doch alle an!"
Eins ist den verärgerten Anwohnern noch wichtig: Sie seien nicht gegen die Umgestaltung des DSZ, betonen sie. Nur der "Klotz" unten an der Leopoldstraße, der störe. Immer mehr Leute reden an den Tischen durcheinander, Siebenhaar muss Einzelfragen beantworten, weitere Zuhörer gehen und irgendwann ist der Raum leer. So endet der Abend.
Es die Anwohner doch nur, dass die Parkplätze wegfallen. Lösung: Einfach die Tiefgarage tiefer herstellen und 50 Parkplätze an die Anwohner vermieten.