Das TV-Publikum kennt Christian Springer vor allem in seiner Paraderolle als grantelnden Kassenwart Fonsi. Dass der Kabarettist aus München freilich auch ohne Maske und Verkleidung sein Publikum begeistert, beweist sein Soloabend im "Schwarzen Bären" in Beiersdorf.
Christian Springer ist einfach nicht zu bremsen. Einen ganzen Abend lang umkreist er den Stuhl, der einsam auf der Bühne im "Schwarzen Bär" in Beiersdorf steht, aber nur ein einziges Mal setzt er sich tatsächlich kurz hin. Denn der Kabarettist Christian Springer kommt einfach nicht zur Ruhe. Allzu viele Themen umtreiben ihn, machen ihn wütend oder lassen ihn verzweifeln.
Fantasie läuft Amok Der alltägliche Irrsinn, der sich in den Schlagzeilen der Nachrichtensendungen widerspiegelt, die Verlogenheit der Sprache in politischen Statements, aber auch die kleinen oder größeren privaten Pannen des Alltags - Springers Solo ist eine schier endlose Kette der Kuriositäten.
Doch so abstrus auch vieles scheinen mag - die Wirklichkeit ist selbst mit üppig wuchernder Fantasie längst nicht mehr zu überbieten.
Als Kabarettist, seufzt Springer, "musst du ja nichts mehr erfinden. Das ist alles wahr." Hat Springer deshalb seine Bühnenfigur, den grantelnden Kassenwart Fonsi, in Pension geschickt? In seinem neuen Programm "Oben ohne" ist Springer jedenfalls ohne Maske und Verkleidung unterwegs. Und das einzige Requisit auf der Bühne, jener einsame Stuhl, bleibt fast den ganzen Abend unbenutzt.
Tatsächlich aber braucht Springer keine Maske und Verkleidung, keine Kunst-Figur mit Uniform und blauer Mütze, um sein Publikum in Bann zu ziehen. Dabei ist Springer kein Kabarettist, der von der hohen Kanzel moralischer Überlegenheit herab seine Predigt hält. Springer verdichtet vielmehr die Wirklichkeit zur Pointe und überlasst es dann gerne seinen Zuhörern, die Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die Hundephobie von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Russlands Präsident Vladimir Putin genüsslich zu einer Inszenierung seiner Macht ausnutzt, hat in Christian Springers Programm ebenso Platz wie die seltsamen Kapriolen von Bayerns Ministerpräsident Seehofer beim Thema Energiewende.
Wenn Springer dann aber seine Fantasie Amok laufen lässt, ist wirklich Vorsicht geboten. Dann entwirft der Kabarettist fabulierend mit der puren Macht des gesprochenen Wortes Szenarien, die bedrohlicher wirken können als handelsübliche Horrorfilme.
Wie zum Beispiel könnte es aussehen, wenn die Bundesbank jenen Teil ihrer Goldreserven heim nach Frankfurt holen, der derzeit in den Tresoren der US-Notenbank Fed in New York gelagert wird.
Goldbarren in Cabriolets Denn die Vorstellung, jene Goldbarren würden in offenen Cabriolets wie eine Monstranz durch Deutschland
kutschiert, klingt hochgradig absurd. Dabei lässt die Bundesbank tatsächlich, freilich unbeachtet von der Öffentlichkeit, ihre in New York gelagerten Goldreserven nach Deutschland bringen - freilich nicht in einem einzigen Transport, sondern etappenweise bis zum Jahr 2020. Dichtung und Wahrheit - in Christian Springers aktuellem Programm verbinden sie sich auf irritierende und dennoch unterhaltsame Weise.