Ein suchtkranker Mann aus dem Landkreis soll eine Coburger Arztpraxis am Osterwochenende 2016 angezündet haben. Wie ist die Tat wirklich geschehen?
Es ist 13 Uhr am Ostersonntag im Jahr 2016: Ein Mann arbeitet in seinem Versicherungsbüro im ersten Stock eines Gebäudes am Ernstplatz in
Coburg, checkt seine Mails. Immer wieder hört er Geräusche aus dem unteren Stockwerk, denkt sich nach eigenen Angaben allerdings nichts dabei. Er vermutet, dass die Putzfrau der dort ansässigen Arztpraxis ihrer Arbeit nachgeht.
Um 15.20 Uhr allerdings ist klar, dass die Geräusche - unter anderem ein lauter Knall - nicht von einer fleißigen Mitarbeiterin stammen. Dichter Rauch quillt aus dem Sicherungskasten und unter der Tür der Arztpraxis hervor. "Ich habe schnell noch die Feuerwehr angerufen", sagte der Zeuge. Dann habe er sich Schlüssel, Handy und Jacke geschnappt, sich ein feuchtes Tuch mit Kaffee vors Gesicht gehalten und sei "bloß noch raus".
Das Feuer konnte nur mit Hilfe einer Wärmebildkamera gelöscht werden, sagte ein Mitglied der Feuerwehr aus, die mit Atemschutzgerät anrücken musste. "Wir hatten keine 20 Zentimeter Sicht und haben quasi blind gelöscht."
Der Sachschaden am Geschäftshaus beläuft sich auf 180.000 Euro, der im Versicherungsbüro und an der Elektronik auf 186.000 Euro, erklärt der Zeuge. Die Schäden am Praxisinventar beziffert die Staatsanwaltschaft mit 120.000 Euro.
Angeklagter drogenabhängig
Verursacht haben soll den Brand ein drogenabhängiger Patient der Arztpraxis. Er stammt aus dem Landkreis Coburg. Der 42-Jährige wurde zusammen mit einem Coburger Komplizen von Drogenfahndern geschnappt, als er mehr als 50 Gramm Heroin über die niederländische Grenze schmuggeln wollte. Der Mann befindet sich zurzeit im Bezirkskrankenhaus Bayreuth und wurde in Fußfesseln vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Facharbeiter im Zusammenhang mit Diebstahl und Vollrausch fahrlässige schwere Brandstiftung vor.
Der Mann gab unumwunden zu, irgendwann in der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag in die Praxis seines Hausarztes eingestiegen zu sein, um sich Medikamente zur Befriedigung seiner Sucht zu beschaffen. Außerdem habe er eine Geldkassette aufgebrochen und den Inhalt an sich genommen.
Am Tattag will der 42-Jährige bereits ein halbes Gramm Heroin konsumiert haben, sich mehrfach Drogenextrakte aus ausgekochten Fentanyl-Pflastern gespritzt und seine übliche Dosis Heroinersatz (Methadon) zu sich genommen haben. Zusätzlich will er sich rund zehn Milliliter Diazepam gespritzt haben. "Ich bin drogenabhängig", sagte der Mann, "ich habe zugeballert, was ging."
Das Fenster zur Praxis will er mit einem einfachen Klapp-Taschenmesser aufgehebelt haben. Das Feuer soll ausgebrochen sein, weil ihm eine brennende Zigarette von der Liege gefallen sei, auf die er sich zum Schlafen gelegt habe.
Diese Aussagen zweifelten Staatsanwältin Jana Huber und zwei Sachverständige vom Landeskriminalamt in München an. Diplomingenieur Gerald Kleber beurteilte die Einbruchspuren und das Werkzeug. Für ihn war klar: "Mit dem Messer gab es überhaupt keine Chance, auch nur ansatzweise das Fenster aufzuhebeln." Das Fenster könne nur dann mit dem Klappmesser geöffnet worden sein, wenn der Fenstergriff schon fast auf "auf"-Position gestanden hätte.
"Es kann ja sein, dass jemand vom Praxisteam gesagt hat, das Osterwochenende ist lang, Ihnen geht es schlecht, ich lasse das Fenster auf", vermutete die Staatsanwältin. Dass ein Fenster geöffnet gewesen sei, verneinten zwei Zeuginnen, eine Praxisangestellte und die Putzfrau, jedoch vehement.
Feuer aus dem Schrank?
Ein Fachmann für Brandanalytik wies darauf hin, dass das Feuer nicht im Bereich der Liege ausgebrochen sein könne, sondern stattdessen in einem Schrank in der Hausecke. Dort habe sich keinerlei Elektrik befunden, eine technische Ursache sei deshalb auszuschließen. "Es handelt sich um Brandstiftung", sagte er.
Auch sonst gab es weitere Ungereimtheiten: So soll der 42-jährige Patient nach eigenen Angaben sein Diazepam zwar anfänglich auf Rezept, schließlich jedoch gleich von seinem Hausarzt in der Flasche und gegen Bargeld erhalten haben. Auch habe er den Arzt beschenkt, gab der Angeklagte an, mit "gutem Wein". Diese "Geschenke" ließen den Vorsitzenden Richter Christoph Gillot aufhorchen: "Vor allem bei Patienten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie etwas mit Drogen zu tun haben." Während der Arzt laut seiner Aussage dem Mann wohl lediglich 10 Milliliter Diazepam gegeben haben will, spricht der Angeklagte von 25 Milliliter-Flaschen.
Die rote Geldkassette, die eine Angestellte nach ihrer Aussage in einer Schublade sicher verwahrt habe und die 1000 Euro bar enthalten haben soll, sei dem Mann, der von lediglich 200 Euro Inhalt spricht, jedoch bereits am Gründonnerstag bei seinem Besuch in der Arztpraxis aufgefallen. Die Kassette sei dort offen herumgestanden, gab er an.
Am Freitag wird die Verhandlung fortgeführt.