BN sieht Coburger Land als vom ICE geschundene Region

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Hubert Weiger (links) und Richard Mergner stehen vor der ICE-Trasse. Das Foto zeigt, wie die Landschaft vor dem Einschnitt durch die Bahnlinie ausgesehen hat.Rainer Lutz
Hubert Weiger (links) und Richard Mergner stehen vor der ICE-Trasse. Das Foto zeigt, wie die Landschaft vor dem Einschnitt durch die Bahnlinie ausgesehen hat.Rainer Lutz
 
 
 
 
 

Naturschützer und Bürgerinitiativen haben über Jahrzehnte gegen die Trasse gekämpft und sich für eine in ihren Augen bessere Alternative eingesetzt.

Möglichst viel Verkehr von der Straße und aus der Luft auf die Schiene zu verlagern, ist eine Forderung von Bund Naturschutz (BN) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dennoch stemmten sich die Naturschützer mit aller Kraft gegen den Bau der ICE-Strecke Ebensfeld-Erfurt. Warum, das führten sie am Montag gemeinsam mit Vertretern der Bürgerinitiative "Das bessere Bahnkonzept" vor Ort an der Trasse vor Augen, die am Wochenende in Betrieb genommen wird.
Kritik übte BUND Vorsitzender Hubert Weiger vor allem an der Politik. Durch das Beschleunigungsgesetz für Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) sei die Prüfung von Alternativen praktisch ausgehebelt worden. Dabei hätte es eben diese gegeben. Nach dem Motto "Ausbau statt Neubau" hatten die Naturschutzverbände und die Bürgerinitiative von Fachleuten ein Bahnkonzept entwerfen lassen, das nach ihrer Überzeugung eine vergleichbare Zeiteinsparung für die Verbindung der großen Städte München, Nürnberg, Erfurt und Berlin gebracht hätte. Es hätte aber viel weniger gekostet, mehr für die kleineren Städte im gesamten Erschließungsbereich gebracht und der Natur weit weniger Schaden zugefügt, erklärt BN-Landesbeauftragter Richard Mergner.
Das Alternativkonzept sah vor, die Verbindungen Nürnberg-Lichtenfels-Probstzella-Jena-Berlin, München-Regensburg-Hof-Berlin, Nürnberg-Bayreuth-Hof-Berlin, Stuttgart-Würzburg-Erfurt-Berlin und Coburg-Hildburghausen-Suhl-Erfurt auszubauen. Damit hätten Reisende entlang aller fünf Routen einen Vorteil gehabt. Jetzt sei aber aller Ausbau auf diesen Strecken auf der Strecke geblieben, weil alles Geld in das Projekt München Berlin gepumpt worden sei, kritisieren die Naturschützer. Das Projekt VDE 8 gesamt sei zu Beginn der Planung 1993 mit 12,4 Milliarden D-Mark veranschlagt worden. Jetzt wird mit über zehn Milliarden Euro gerechnet. Dennoch teilt die Bahn selbst mit, man sei im Zeit- und Kostenrahmen geblieben. Zu Beginn der Planung war allerdings noch von einer Fertigstellung im Jahr 2000 die Rede gewesen.
Hubert Weiger kommt daher zu dem Schluss: "Das Beschleunigungsgesetz hat keine Zeitersparnis gebracht, aber verhindert, dass Alternativen überhaupt geprüft wurden."
Die Kosten-Nutzen-Analyse der Strecke wurde auch durch Güterzüge positiv gerechnet, die ebenfalls auf den Schienen des ICE unterwegs sein sollen. Daran hat Verkehrsexperte Karlheinz Rössler so seine Zweifel, zumindest was die zunächst gerechnete Zahl angeht. Von 200 Zügen am Tag sei wohl nicht mehr die Rede. Doch auch niedrigere Planungen scheinen ihm nicht realistisch. Der Grund: Gebühren, die für Güterzüge berechnet werden. Sie richten sich nach den Erstellungskosten der Strecke, auf der sie rollen sollen. Weil der Kilometer der Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt aber rund 30 Millionen Euro gekostet hat, müsste je Güterzug mit rund 1200 Euro mehr gerechnet werden, als auf ihren bisherigen Routen. Dazu seien die Güterzüge langsamer unterwegs, weil sie ständig an Überholbahnhöfen halten müssten, um einen ICE passieren zu lassen. Auch auf der Strecke Ingolstadt-Nürnberg sei mit Güterzügen der Nutzen hoch gerechnet worden. Bis heute sei aber in den elf Jahren ihres Bestehens noch kein Güterzug dort gefahren, so Rössler.
Die Fertigstellung des Projekts - 26 Jahre nach Beginn der Planung - steht für den Bund Naturschutz "beispielhaft für ein unsinniges und Natur zerstörendes Prestigeprojekt der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung."
Eine Naturzerstörung, die sich nach Einschätzung der Naturschützer auch nicht ausgleichen lässt. Vielfach sei festzustellen, dass Ausgleichsmaßnahmen zu spät oder nicht in der angekündigten Weise umgesetzt worden seien. Dadurch sei oft die angestrebte Wirkung nicht erreicht worden.
Für Hubert Weiger steht daher fest: "Wir müssen mit unserem Land wieder vernünftiger umgehen und endlich Ausbau vor Neubau setzen." Er fordert unter dem Stichwort "Bürgerbahn" eine Verkehrspolitik, die Zugfahren attraktiv für die Mobilität in der Fläche werden lässt und nicht nur Ballungszentren miteinander verbindet. Dafür könne auf den Ausbau des innerdeutschen Luftverkehrs und der Fernverkehrsstraßen verzichtet werden. Die Bahn müsse dann aber auch zu alten Werten wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zurück finden, die verloren gegangen seien: "Wenn man heute pünktlich sein will, dann muss man immer einen Zug früher nehmen, weil man nicht weiß, ob man immer den Anschlusszug erwischt", so Weiger, der nach seinen Worten viel mit der Bahn unterwegs ist.
Kurz vor der Eröffnungsfahrt auf der Strecke, die ihre Gegner trotz jahrzehntelanger Bemühungen nicht haben verhindern können, resümiert Weiger: "Es ist für uns kein Projekt zum Jubeln, aber wir können aus den Fehlern lernen, die hier gemacht worden sind."