Wie sich beim Coburger Festival "Klanggrenzen" Musik und Malerei wechselseitig beflügeln und die Schalterhalle einer Bank als Konzertsaal bewährt.
Seltsame Dinge geschehen an diesem Abend. Räume verwandeln sich, Farben begegnen Klängen, Worte zaubern Bildern herbei - Bilder von fernen Welten. "Ich fühle Luft von anderem Planeten" heißt es mit Versen von Stefan George in seinem Gedicht "Entrückung" im letzten Satz von Arnold Schönbergs 1. Streichquartett. "Entrückung" lautet auch das Motto beim vorletzten Abend des Festivals "Klanggrenzen" in
Coburg, das die Begegnung von Musik und Malerei als Ausgangspunkt für ein ungewöhnliches Programm an ungewöhnlichem Ort nimmt.
Denn für einen Abend verwandelt sich der gläserne Schalterraum der VR-Bank-Filiale am Theaterplatz in einen exklusiven Kammermusiksaal. Musen und Mammon - wie vertragen sie sich? In diesem Fall akustisch verblüffend gut. Der Klang jedenfalls ist klar, ohne unangenehm scharf zu werden.
"Unter dem Packeis"
Für dieses spezielle Programm hat sich das Festival "Klanggrenzen" mit der Coburger Galerie in der Remise verbündet und den in Bayreuth lebenden Maler Wieland Prechtl als Inspirationsquelle mit ausgewählten Werken nach Coburg geholt.
"Unter dem Packeis" hat Prechtl sein großformatiges Gemälde betitelt, das die Besucher am Eingang begrüßt. Prechtls Bild zeigt tatsächlich genau das, was der Titel verspricht, ohne fotorealistisch banal zu werden - einen Blick durch klares Wasser hinauf zum Eis, gemalt in hellen, frostig kühlen Farben.
Die jungen Musiker des Aramis-Trios um den Geiger und Coburger Konzertmeister Martin Emmerich sind die künstlerischen Väter des "Klanggrenzen"-Festivals. Heiner Reich, Cellist des Trios, eröffnet das Programm mit der ersten der sechs Cellosuiten Johann Sebastian Bachs. Mit souveräner Technik und feinem Gespür für lebendig atmende Phrasierung lässt Heinrich Reich die G-Dur-Suite Bachs wunderbar natürlich fließen.
Als lebendigen, klangschön gespielten musikalischen Dialog interpretieren Daniela Steinmetz und Andreas Hilf das Duo für Violine und Viola KV 424 von Wolfgang Amadeus Mozart.
Arnold Schönbergs 1. Streichquartett bildet den gewichtigen Abschluss des Programms.
Festival-Streichquartett
Für das 1908 vollendete 2. Streichquartett Schönbergs hat sich eigens ein Festival-Streichquartett formiert mit Martin Enmerich und Daniela Steinmetz (Violinen), Andreas Hilf (Viola) und Heiner Reich (Violoncello).
"Luft von anderem Planeten"
Mit großem Engagement, mit intensivem Ausdruck gelingt dem Quartett eine erstaunlich schlüssige Interpretation - auch in den beiden Schluss-Sätzen, in denen eine Gesangsstimme mit Stefan Georges Versen hinzutritt. Kora Pavelic beeindruckt die Zuhörer mit ihrer Ausdruckskraft und ihrer eindringlichen Gestaltung nachhaltig. "Ich fühle Luft an anderem Planeten" - Stefan Georges Verse verwandeln sich an diesem Abend auf suggestive Weise in Klang.
Rund um das Festival "Klanggrenzen"
Ausstellungs-Tipp Studio-Ausstellung Wieland Prechtl - imaginäre Landschaften, VR-Bank-Filiale am Theaterplatz (bis 12. August)
Öffnungszeiten während der Schalterstunden Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag 8.30 bis 16.30 Uhr, Donnerstag 8.30 bis 18 Uhr
Wieland Prechtl, 1955 in Bayreuth geboren, ist mit zahlreichen künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Besitz vertreten - von der Bayerischen Staatsgemäldesammlung in München über die Museen der Stadt Bamberg und die Regierung von Oberfranken bis zum Landkreis Bayreuth. Er wurde bereits mit einer Reihe von Preisen bedacht. Prechtl tritt mit Malerei in Acryl, Öl, Kreise und Mischtechniken auch mit Skulpturen hervor. Mit zahlreichen Ausstellungen ist Prechtl im fränkischen Raum und darüber hinaus vertreten. Im Kunstverein Coburg war er im Frühjahr 2014 zu Gast.
Festival Beim interdisziplinären Kammermusikfestival Klanggrenzen stehen musikalische Werke in Wechselwirkung mit den Kunstformen Literatur, Film und Bildender Kunst. Diese Grenzverletzung führt zu spannenden Kontrasten und ungewohnten Kombinationen. Rund um das Festival finden zahlreiche Kinder- und Jugendkonzerte statt. "Klang. grenzenlos!" heißt das Motto, mit dem die Musiker des Festivals durch erfahrene Musikpädagogen begleitet in zahlreiche Bildungseinrichtungen in Coburg gehen (Infos online unter www.klanggrenzen.de)