Ausgeprägter Hang zum Makabren

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Stefani Knöll im Depot des Kupferstichkabinetts. Foto: Carolin Herrmann
Stefani Knöll im Depot des Kupferstichkabinetts.  Foto: Carolin Herrmann

Die Kunstsammlungen auf der Veste Coburg haben eine neue Leiterin des Kupferstichkabinetts. Stefanie Knöll freut sich aufs Forschen in der bedeutenden Sammlung. Mit den Besuchern will sie in intensiven Dialog treten.

Das Kupferstichkabinett der Kunstsammlungen auf der Veste gehört zu den bedeutendsten Sammlungen Europas. Die - geschätzt - 220 000 Grafiken haben seit 1. November eine neue Herrscherin. Oder eher Dienerin. Denn allein in die Verwaltung all der Dürers, Rembrandts, Rubens, Cranachs... einzudringen, ist eine Herausforderung. In der Grafiksammlung stecken noch viele Geheimnisse der Kunstgeschichte. Von der Schönheit dieser geradezu unermesslichen Bildwelten gar nicht zu sprechen.
Stefanie Knöll heißt die neue Leiterin des Coburger Kupferstichkabinetts. Sie ist die Nachfolgerin der im Sommer nach 25 Jahren in Ruhestand getretenen Christiane Wiebel-Roth. Gestern wurde Knöll vom Direktor der Kunstsammlungen, Klaus Weschenfelder, der Öffentlichkeit vorgestellt.


Eine große Ehre

"Es ist für mich eine große Ehre, hier forschen zu dürfen", unterstreicht die 1975 in der Nähe von Tübingen geborene Wissenschaftlerin den hohen künstlerischen und kunsthistorischen Wert der seit Herzog Franz Anton (1750 - 1806) gewachsenen Coburger Sammlung.
Stephanie Knöll setzte sich im ausgeschriebenen Verfahren unter 22 Bewerbern durch. Sie überzeugte den entscheidenden Ausschuss der Landesstiftung, dem als Vorsitzender der Coburger Oberbürgermeister Norbert Tessmer und unter anderem Regierungspräsident Wilhelm Wenning angehören. Klaus Weschenfelder freut sich über die hohe akademische Qualifikation seiner neu en Mitarbeiterin an maßgeblicher Position. Stefanie Knöll hat sich eben an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf habilitiert.
Die beachtliche Publikationsreihe der Kunsthistorikerin weist sie vor allem als Spezialistin für das Makabre aus. "Alles was mit Tod, Sterben, Bestattung zu tun hat, fasziniert mich", sagt Knöll hintergründig lächelnd. Ihre Dissertation 2002 verglich Professoren-Grabmäler des 17. Jahrhunderts in Oxford, Tübingen und Leiden. Etwas arg abseitig? "Es ging darum, wie Menschen sich ihre Vergänglichkeit bewusst machen und gleichzeitig ihren Nachruhm, ihr Weiterleben versuchen zu gestalten."


Lebenslust und Todesfurcht

Mit solcher Kenntnis landete sie dann am Museum für Sepulkralkultur in Kassel. 2007 wurde Knöll Kustodin der Grafiksammlung "Mensch und Tod" der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Das seit dem Mittelalter besonders gepflegte Totentanz-Motiv, Lebenslust und Todesfurcht, Frauen, Sünde, Tod, Sterbekunst beschäftigten sie seither.
Was Stephanie Knöll für die Coburger Position empfahl, war zudem ihre Ausstellungserfahrung. Denn selbstverständlich sollen die Schätze des Kupferstichkabinetts auch weiterhin in wohlüberlegter Themenauswahl und sinnfällig der Öffentlichkeit präsentiert werden. "Ich möchte intensiv mit den Besuchern der Veste in Dialog treten", betont Knöll. Sie ist auch didaktisch ausgebildet und war an der Düsseldorfer Uni in der Lehre tätig. "Die Vermittlung von Kunstgeschichte liegt mir sehr am Herzen."
Pech, dass es nach der Sonderausstellung "Kunstvolle Waffen des Orients - Ausgewählte Blankwaffen der Sammlung Werner Uhlmann vom Maghreb bis nach Indien", die am 17. Dezember eröffnet wird, erst Mal keine Gelegenheit mehr für schöne Ausstellungen auf der Veste geben wird. Denn umfangreiche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen stehen an, unter anderem wird die Glassammlung völlig neu gestaltet. In der gedeckten Batterie wird das neue Artilleriemuseum eingerichtet. Und für 2017 muss die große Landesausstellung "Ritter, Bauern, Lutheraner. Süddeutschland um 1500" vorbereitet werden.
Das wird Stephanie Knöll aber nicht zurückhalten. "Wir haben einen wunderbaren Studiensaal, in dem wir einiges tun können. Wir haben die Reihe "Museum bewegt", und ich bereite ein neues Format vor", weckt sie die Erwartung. Einmal im Quartal möchte sie "Das besondere Blatt" samt spezifischer Führung dazu präsentieren. Zudem möchte sie nächstes Jahr die Kunstsammlungen mit eigenen Veranstaltungen am deutschlandweiten Wochenende der Grafik beteiligen.


Coburger Sammlungsgeschichte

Inhaltlich will die neue Grafik leiterin den Blick auf die spe zielle Coburger Sammlungsgeschichte lenken. "Franz Friedrich Anton hat schon altdeutsche Grafik gesammelt, als noch keiner daran dachte." Generell hat sie ein Faible für altdeutsche und niederländische Kunst. Zu Hans Holbeins Bildern des Todes, von denen die Kunstsammlungen eine Erstausgabe von 1535 besitzen, könnte es nächstes Jahr eine Tagung geben.
Stephanie Knöll hat sich in Rödental niedergelassen. Kunst und Lesen nehmen auch in ihrem Privatleben den größten Teil der Zeit ein. Mit ihrem Mann, der ebenfalls Kunsthistoriker ist, freut sie sich darauf, "diese ungemein reiche Gegend hier" kennenzulernen. Kirchen und Museen anschauen also in der Freizeit. Was denn sonst.


Stefanie Knöll wurde 1975 in der Nähe von Tübingen geboren. Sie studierte Kunstgeschichte, englische und deutschen Literatur in Tübingen und an der Oxford Brookes University. 2002 Promotion in Kunstgeschichte an der University of Sussex. 2015 Habilitation im Fach Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 2002 bis 2004 Wissenschaftliche Volontärin am Museum für Sepulkralkultur Kassel. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Stadtmuseum Tübingen (2004 bis 2005) und am Institut für Kunstgeschichte in Düsseldorf (2005/2006). Seit 2007 Kustodin der Graphiksammlung "Mensch und Tod" der Universität Düsseldorf.
Unter anderem zeichnete sie verantwortlich für folgende Ausstellungen: "Zum Sterben schön - Alter, Totentanz und Sterbekunst von 1500 bis heute", die in Köln, Düsseldorf und Recklinghausen zu sehen war. "Narren - Masken - Karneval" 2009 in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf und anderenorts. "Der Tod und das Meer" 2013/2014 in Flensburg und Hamburg.