In seiner 110-jährigen Geschichte hat sich der ASV 06 Neustadt oft für Integration und Gemeinschaft eingesetzt.
Der ASV 06 Neustadt feiert in diesem Jahr sein 110. Vereinsjubiläum. In der Hauptsparte Fußball verbrachte er den Großteil seines Daseins am unteren Rand des deutschen Ligensystems. Dennoch blickt der Verein auf eine erfolgreiche Geschichte, vor allem in gesellschaftlicher Hinsicht, zurück.
Sogar einen Historiker haben sie engagiert. Robert Schäfer soll die Geschichte des Klubs - passend zum Jubiläum - aufarbeiten. Einige Fakten und Bilder hat er bereits gesammelt. Trotzdem gibt es noch viel mehr für ihn zu tun. Bis ins Jahr 1906 geht die Historie des heutigen Arbeitersportvereins zurück. Damals wurde er als "FC Arminia Neustadt" gegründet, berichtet Schäfer. In den 1920er-Jahren trat der Verein dem sozialdemokratischen "Arbeiter-, Turn- und Sportbund" bei. Dies wurde ihm im Dritten Reich zum Verhängnis. 1933 verboten die Nazis den Verein wegen der Nähe zur Sozialdemokratie, bis 1947 der "Volkssportverein Neustadt" neu gegründet wurde.
"Wir haben oft eine Vorreiterrolle eingenommen", sagt Philipp Greiner (29), der Vereinsvorsitzende, stolz. Das war schon von Beginn an so, denn der ASV war wohl der erste Fußballverein im Coburger Landkreis, meint Schäfer. Zumindest aber ist er der "älteste noch existierende", legt er sich fest. Handball, Faustball, Turnen, Damengymnastik und sogar einen Spielmannszug gab es im Laufe der Zeit. Überlebt hat bis heute nur der Fußball.
Italienische Kameradschaft
Zu einer Zeit, als Frauenfußball noch für Hohn und Spott in der von Männern dominierten Sportwelt sorgte und bundesweit sogar noch verboten war, zeigte sich der ASV wesentlich offenherziger und gründete 1970 eine der ersten Damenmannschaften Deutschlands, bestätigt der Historiker. Die Frauen waren eigentlich die Handballdamen des VfL Neustadt, sagt Greiner. Irgendwann sei dann die Idee aufgekommen, Fußball zu spielen, und der ASV habe sich letztendlich dazu bereit erklärt, eine Mannschaft zu beherbergen.
Pionierarbeit hat der Verein auch in der Integration geleistet. Ein Team, das nur aus italienischen Gastarbeitern bestand, nahm der ASV 1976 als dritte Mannschaft in den Spielbetrieb auf. Die Italiener haben damals bei Siemens gearbeitet und in der Stadt gelebt, erzählt Greiner. Dann hieß es, sie würden gerne Fußball spielen und die Stadt suchte dafür einen Verein und wurde beim ASV fündig. Bis in die Achtziger hatte die südländische Truppe Bestand.
Zum Jubiläum soll es ein Traditionsspiel geben mit möglichst vielen von ihnen. "Alle, von denen wir wissen, dass sie noch hier sind, werden eingeladen", sagt Greiner. Schon im letzten Jahr gab es ein solches Treffen. "Wir haben positives Feedback bekommen", versichert er, daher glaube er, "dass es damals eine gute Kameradschaft war." Möglicherweise ließe sich ein solches Projekt mit Flüchtlingen wiederholen. "Einer kommt immer aufs Training, der Ahmed", bemerkt der Zweite Vorsitzende Uwe Schulz (49). Sogar einen Ausweis hat er schon angefordert. Allerdings kann die Bewilligung bis zu acht Wochen dauern, sagt Schulz und es sei noch nicht klar, ob Ahmed überhaupt bleiben darf.
Über dieses Thema hat er sich schon Gedanken gemacht, sagt Greiner und verweist dabei auf das Jubiläumsmotto "Tradition, Gemeinschaft, Integration". Dennoch sei der oft unklare Status der Menschen ein schwieriger Punkt, aber "wenn bei uns jemand Fußball spielen will, ist er herzlich willkommen", bekräftigt Schulz.
Der Tiefpunkt kam 2006
Er blickt zurück auf die sportlich erfolgreichste Zeit im Fußball, als der Klub in den Achtzigern und Neunzigern in der damaligen A-Klasse (heute Kreisklasse) spielte und 1989 der Sportplatz gebaut wurde. "Die Leute hatten eine andere Mentalität vom Fußball. Da war im Verein noch Leben", schwärmt Schulz. Ganz anders im Jahr 2006: "Als ich zum Verein zurückgekommen bin, war das brutal hier. Eine Saison lang 18, 25, 27 Stück bekommen - das war der Tiefpunkt." Davon hat sich der ASV mittlerweile etwas erholt.
Seit September gibt es wieder ein Jugendteam. "Das ist eine kleine Sensation für uns", sagt Greiner, denn eine eigene Jugend hatte es jahrelang nicht gegeben. Künftig soll es einen Gesamtjugendleiter geben, erklärt Schulz, der für alle Jugendmannschaften und die oft komplizierten Verwaltungsaufgaben zuständig ist.
Was das Sportliche betrifft, ist der Vorstand wieder optimistisch: "Wir haben jetzt wieder eine gute, sehr gute Mannschaft", meint Schulz. Das Team steht aktuell auf dem zweiten Platz der B-Klasse 3. "Unser Ziel ist der Aufstieg - ganz klar", verrät Schulz. Sollte es klappen, soll sich der Verein, wenn es nach seinem Vorstand geht, erst mal etablieren und dann vielleicht wieder mit jungen Leuten in die Kreisklasse aufsteigen. Mit dem sportlichen Erfolg erhofft sich Greiner auch mehr Mitglieder. Zurzeit hat sich die Zahl bei etwa 120 eingependelt, sagt er. Seine Pläne aus dem letzten Jahr, die Flutlichtanlage auf LED aufzurüsten musste er ad acta legen, da dies finanziell nicht zu stemmen war, erklärt Greiner. Auch eine Grundwasserbohrung, um den Platz besser zu bewässern, sei zunächst abgelehnt worden. Dennoch soll das Vereinsgebäude saniert werden. Eine Modernisierung und ein Anbau sind bereits geplant.