Wird der Urzeit-Friedhof zur Mülldeponie?

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Was aussieht wie ein Wesen aus dem Film "Alien", ist der präparierte Kopf eines Temnodontosaurus. Stefan Eggmaier (rechts) hat das Urvieh in der Tongrube Mistelgau entdeckt. Für Joachim Rabold, Leiter des Urwelt-Museums Bayreuth, ist es ein Herzstück der Ausstellung. Foto: Nützel
Was aussieht wie ein Wesen aus dem Film "Alien", ist der präparierte Kopf eines Temnodontosaurus. Stefan Eggmaier (rechts) hat das Urvieh in der Tongrube Mistelgau entdeckt. Für Joachim Rabold, Leiter des Urwelt-Museums Bayreuth, ist es ein Herzstück der Ausstellung. Foto: Nützel

In der Tongrube Mistelgau entdecken Paläontologen immer wieder Saurierskelette. Ein Geo-Erlebnispark wie im hessischen Messel sollte Wissenschaft und Tourismus vereinen - doch das Projekt scheitert am Unterhalt.

Im weltberühmten Messel stellen sie gerade die "süße Essenz des Geo parks im Glas" vor. Gruben-Honig, eine Leckerei aus dem Unesco-Weltnaturerbe im hessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg. Marketing als Brotaufstrich. Wo heute das Produkt der Bienen abgefüllt und an Besucher verkauft wird, haben sie mal bituminösen Tonstein, Erz und Braunkohle abgebaut. 110 Jahre lang. Das Tongestein wurde verschwelt und so umgangssprachlich zu Ölschiefer. Als sich das nicht mehr lohnte, sollte die Grube mit Müll zugekippt werden. Ende Gelände?

Nein, wie die Historie weist. Die Parallelität der Ereignisse zwischen Mistelgau und Messel ist für Joachim Rabold, dem Leiter des Bayreuther Urwelt-Museums, nicht von der Hand zu weisen: beide Fundstätten sind Industriebrachen (in Mistelgau war es nicht der Ölschiefer, sondern ein Vorprodukt zur Ziegelherstellung); beide sind bis zum Rand voll mit Überbleibseln einer Fauna aus menschheitsferner Zeit; über beiden baumelt(e) das Damoklesschwert der Vermüllung. Anders aber als in Hessen scheint im Kreis Bayreuth keiner an eine Erfolgsgeschichte Marke Messel zu glauben.

"Unsere Region könnte etwas ähnlich Außergewöhnliches haben, freilich nicht zum Nulltarif. Vorweisen an exquisiten Bergungen können wir jetzt schon einiges." Rabold deutet mit ausladender Geste auf die unter Glasplatten geschützten Preziosen, die im ersten Stock des Urwelt-Museums in der Bayreuther Kanzleistraße hängen. Hinter ihm ein Flachrelief: ein Sammelsurium aus Wirbeln, Rippen, Kieferknochen, eingebettet in Gips. Stenopterygius, Fischsaurier, rund 180 Millionen Jahre alt, rund drei Meter lang. Links daneben ein prähistorisches Krokodil. Die Schuppen sind plastisch herauspräpariert aus dem Tonmergel, in dem das Urviech im Lauf der Jahrmillionen Kreide gefressen hat.

Bei Baggerarbeiten entdeckt

Der jüngste spektakuläre Fund, kürzlich in der Tongrube gehoben, harrt noch seiner Aufbereitung. Präparator Stefan Eggmaier, ein gelernter Schreiner aus Kulmbach und in Sachen Fossilienkunde ein besessener Autodidakt mit vorzüglichen Expertisen, hatte den Fischsaurier nach Baggerarbeiten entdeckt und mühsam geborgen.

Mühsam ist ein Stichwort, das Eggmaier und Rabold begleitet, wenn es um "ihre" Tongrube geht. Bei Oberfrankens Jägern vergrabener Schätze ist die Kostenfalle zugeschnappt. 1,8 Millionen sind veranschlagt gewesen, um das Areal zum Geo-Erlebnispark auszubauen - mit Besucherzentrum, einer Informationsplattform und jeder Menge Schnittstellen zwischen wissenschaftlichem Arbeiten und touristischer Erschließung. 1,8 Millionen, die sogar zugesagt waren aus diversen Förderquellen.

Letztlich, so Rabold, waren die Betriebskosten der Killer für das Projekt. "Es fehlte an der Bereitschaft vor allem in der Landespolitik, die veranschlagten Folgesummen von 200.000 Euro jährlich zu stemmen." Der Wissenschaftler senkt den Kopf - Ausdruck für die tiefe Enttäuschung der vergangenen Tage. "Über Jahre haben wir das Konzept erstellt, uns um Zusagen bemüht von Seiten der Wissenschaft bis hin zum Ministerium. Wir hätten uns vorstellen können, einen Zweckverband zu gründen, der als Betreiber der Grube in Erscheinung tritt. Von einer Stiftung und von Gönnern war auch bereits die Rede."

Eine Riesenchance vertan

Dann wischt der Angestellte der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns mit der flachen Hand durch die Luft. "Alles vom Tisch mit einem Schlag. Und eine Riesenchance für das Umland vertan."
Da kommt Rabold wieder auf Messel zu sprechen und die Erfolgsgeschichte dieses einstigen Tagebaus, wo jetzt jährlich bis zu 60.000 Gäste durch die Erdgeschichte flanieren. Und Geld mitbringen. Eigentümer übrigens ist das Land Hessen. "Wenn der Freistaat sich in Mistelgau einkauft, wäre das natürlich eine tolle Option. Oder wenigstens ließe sich das Gelände für mindestens fünf Jahre pachten. Dann könnten wir zumindest beruhigt weitersuchen. Aber ich weiß auch: Mistelgau ist weit weg von München."

Immerhin einen engagierten Satellit hat Rabold in der Landeshauptstadt - und zwar in der Person von Walter Nadler. Der Bayreuther CSU-Landtagsabgeordnete hat auch nach den gescheiterten Gesprächen die Tongrube Mistelgau nicht aufgegeben. "Nirgendwo sonst in Franken wurden Flugsaurier entdeckt. Weitere bedeutende Funde sind zu erwarten", formuliert es der Politiker in seinem Antrag an die Staatsregierung. Nadlers Vorschlag: Bayern kauft der Gemeinde Mistelgau das 6,5 Hek tar große Gebiet ab.

80.000 Euro investiert

Die Kommune hatte 2009 einen Euro pro Quadratmeter bezahlt und rund 80.000 Euro in Sicherungsmaßnahmen investiert. Nadler hält den Preis für akzeptabel. "Wenn man die bisher verauslagten Gelder auf den Kaufpreis draufschlägt, wird es für die Gemeinde kein Draufzahlgeschäft."

Und wenn die Interessenten für eine Bauschuttdeponie schneller sind? Joachim Rabold weiß um die Begehrlichkeiten. "Die ersten Firmen stehen schon in den Startlöchern." Er könne es der Gemeinde nicht einmal verübeln, wenn sie nach Jahren des Zuschießens wieder mal Geld auf der Habenseite verbuchen wolle. "Dann fahren nicht Touristen und Fossiliensammler zur Grube, dann brettern die schweren Lastwagen durch den Ort." Und kippen ein Stück Erdgeschichte zu.