Anne Haug ist ganz auf Brasilien fixiert

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Die Bayreuther Triathletin Anne Haug ist ganz auf die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien fixiert. Foto: imaog
Die Bayreuther Triathletin Anne Haug ist ganz auf die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien fixiert. Foto: imaog
Anne Haug. Foto: Christian Schuberth
Anne Haug. Foto: Christian Schuberth
 
Sponsor Jürgen Schulz vom gleichnamigen Radsportfachgeschäft in Neuenmarkt. Foto: Christian Schuberth
Sponsor Jürgen Schulz vom gleichnamigen Radsportfachgeschäft in Neuenmarkt. Foto: Christian Schuberth
 

Die Bayreuther Triathletin hat mit 29 Jahren den Durchbruch geschafft. Sie wurde bei den Olympischen Spielen in London als Elfte beste Deutsche, danach Vize-Weltmeisterin und auch noch zur Triathletin des Jahres gewählt. Nun ist sie ganz auf die nächsten Spiele 2016 in Brasilien fixiert.

Wir befinden uns mitten im Wohngebiet in Neuenmarkt. An ein unscheinbares Einfamilienhaus ist ein kleiner Radsportladen angebaut. Eigentlich ist er im Keller. Wer würde schon vermuten, dass sich dort die Deutsche Triathlon-Nationalmannschaft die Klinke in die Hand gibt?

Heute schaut mal wieder Anne Haug vorbei. Die Triathletin des Jahres 2012 lässt sich und ihr Sportgerät vermessen. Bike-Fitting nennt man das, was Jürgen Schulz in der Szene so bekannt gemacht hat, dass zu ihm sämtliche Top-Triathleten, unter anderem Olympia-Sieger Jan Frodeno, kommen. Beim Bike-Fitting werden die Rennräder - grob gesagt - genau den Körpern der Athleten angepasst.

Auf dem "Prüfstand" steht gerade das High-Tech-Sportgerät, mit dem Anne Haug im Sommer in London über olympischen Asphalt gerast ist. Elfte ist sie da geworden und damit beste Deutsche. Es war der Durchbruch für die Bayreutherin - und das im Alter von schon 29 Jahren. Mit ihrem Sieg zum Abschluss der Weltmeisterschaftsserie in Auckland (Neuseeland) und Platz 2 in der WM-Gesamtwertung setzte Anne noch eins drauf. Leser eines Fachmagazins wählten sie erst kürzlich zur "Triathletin des Jahres" - eine Auszeichnung, die die Bayreutherin vor 800 Gästen entgegennehmen durfte und die sie "sehr stolz gemacht" hat.

Im abgelaufenen Jahr ist Anne Haug für Wettkämpfe und Training drei Mal um die Erde geflogen. Jetzt, Ende des Jahres, kommt traditionell die Phase der Regeneration. Und dann fährt Anne ihr Pensum wirklich drastisch zurück: "Ich bin in den letzten drei Wochen nur drei Mal gejoggt und zwei Mal geschwommen", erzählt die Diplom-Sportwissenschaftlerin. Im Interview verrät sie, dass sie ihr "Kampfgewicht" von 49 Kilogramm derzeit um fünf Kilo überschritten hat. "Aber das trainiere ich im neuen Jahr locker wieder weg", meint sie.

Anne Haug, warum mussten Sie 29 Jahre alt werden, um ins Triathlon-Rampenlicht zu rücken?
Anne Haug: Weil ich unheimlich spät angefangen habe. Meinen ersten Triathlon habe ich erst mit 20 Jahren gemacht. Mein Papa ist Sportlehrer und hat immer darauf geachtet, dass ich zunächst ein möglichst breite Bandbreite an Sportarten mache. So habe ich mit Judo, Tennis und Badminton angefangen und war 2000 sogar Mixed-Weltmeisterin im Indiaca. Für den Triathlon wäre es natürlich besser gewesen, ich hätte früher mit dem Schwimmen angefangen. Aber alles hat wohl seinen Sinn im Leben. So habe ich halt erst mein Studium abgeschlossen und ein normales Leben geführt.

Waren Sie auch schon mal beim Mönchshof-Triathlon in Kulmbach am Start?
Ja, aber nur in der Staffel. Da bin ich den Halbmarathon gelaufen, und wir sind sogar Deutscher Meister mit dem Team Icehouse geworden!

Sie sprechen von einer Märchen-Saison - aber gleichzeitig davon, das ihre Wettkämpfe alles andere als perfekt waren. Sind Sie so perfektionistisch?
Ich glaube, man muss perfektionistisch sein, wenn man ganz nach oben will. Sonst entwickelt man sich rückwärts. Wenn man das Beste vom Besten erreichen will, muss man sehr konsequent sein, viel auf sich nehmen. Wenn ich etwas mache, will ich es gut machen.

Auf was sind Sie heuer am meisten stolz: Platz 11 bei Olympia, Rang 2 in der ITU-Weltserie oder den Titel Triathletin des Jahres?
Sportlich gesehen war Olympia meine beste Leistung, auch wenn Platz 11 meine schlechteste Platzierung der gesamten Saison war. Ehrungen sind Wertschätzungen, über die man sich natürlich freut.

Sie ärgern sich, dass viele nur die Ultradistanz als den echten Triathlon ansehen. Woran liegt das?
Die Menschen suchen halt immer neue Herausforderungen. Früher war es für viele ein Ziel, einmal einen Marathon zu laufen, jetzt ist der Ironman die Faszination. Viele Hobbysportler denken, einen Kurz-Triathlon schaffe ich doch locker. Für mich geht es aber nicht darum, dass ich ihn schaffe, sondern wie ich ihn schaffe. Beim Kurztriathlon ist zudem die Leistungsdichte wesentlich höher, beim Ironman kämpft man mehr gegen sich selbst.

Also sieht man Anne Haug so schnell nicht beim Ironman auf Hawaii?
Nein, das steht derzeit nicht zur Diskussion. Zumindest nicht, solange ich schnell genug für die Kurzdistanz bin.

Haben sich Ihre großen Erfolge 2012 auch finanziell schon richtig gelohnt?
Leider nein, aber man macht Triathlon auch nicht, um reich zu werden. Es ist einfach eine Leidenschaft. Heuer habe ich zumindest schon so viel verdient, dass ich nicht mehr von meinen Eltern abhängig bin, die mich jahrelang finanziert haben. Derzeit stehe ich in Verhandlungen mit einem größeren Unternehmen aus Bayreuth.

Was kostet eine Saison?
Ich bekomme zum Glück meine Ausrüstung von Sponsoren wie Jürgen Schulz gestellt, der mir ein Rennrad im Wert von etwa 8000 Euro sponsert. Neben dem Material muss ich aber für Flüge, Übernachtungen, Trainer und ähnliches etwa 30 000 Euro kalkulieren. Ich habe zwar heuer rund 100000 Dollar Preisgeld verdient, aber davon ist nach Abzügen gerade mal die Hälfte übrig geblieben.

2013 ist wieder eine normale Triathlon-Saison - ohne Olympia. Haben Sie die Befürchtung, dass der Triathlon und damit auch Sie wieder aus dem medialen Fokus verschwinden?
Nein, wir sind gut aufgestellt durch die WM-Serie, die von ARD und ZDF live übertragen wird. Ich bin auch nicht so darauf aus, Medienpräsenz zu haben, sondern meine Leistung zu bringen. Wenn sich jemand interessiert, ist es schön, wenn nicht, dann nicht.

Bei Olympia 2016 in Brasilien sind Sie 33 Jahre alt - und dann noch für eine Medaille gut?
Es gibt ein biologisches Alter und ein Trainingsalter. Mein Trainingspensum ist noch nicht ausgereizt, ich kann noch an Umfängen und Intensität schrauben. Vor allem im Schwimmen will und muss ich mich noch verbessern. Es wird überhaupt immer schneller werden, denn in Rio sind dann viele junge Sportler am Start, die sich richtig auf Triathlon spezialisiert haben.

Haben Sie schon einen Plan B für die Zeit nach der Karriere?
Nein, denn dann kann man sich nicht voll auf Plan A konzentrieren. Sicherheit gibt mir aber, dass ich ein abgeschlossenes Studium und den Rückhalt meiner Eltern habe. Vielleicht gehe ich mal in die Richtung Leistungsdiagnostik, was ich in meinem freiwilligen sozialen Jahr am Biathlon-Stützpunkt in Ruhpolding schon mal gemacht habe.

Sie stammen aus Bayreuth, haben Ihren Hauptwohnsitz in München, starten für den TV Erlangen in der Triathlon-Bundesliga und trainieren zumeist in Australien. Wo sind Sie eigentlich zu Hause?
Ganz klar in Bayreuth, wo meine Eltern und Freunde wohnen. In München bin ich nur etwa 20 Tage im Jahr. Ab Januar trainiere ich wieder drei Monate in Australien, weil man da einfach die besten Bedingungen findet. Zum Leben wäre aber Australien nichts für mich.

Weihnachten wird bei Ihren Eltern in Bayreuth gefeiert. Ganz traditionell - oder "Gans light"?
Ich lebe für acht, neun Monate extrem asketisch. Wenn ich mal zu Hause bin, lasse ich die Leine locker. Dann wird gegessen, was Mama kocht. Alkohol ist aber tabu, den habe ich noch nie gemocht.

Das Gespräch führte Christian Schuberth.