Als erstes der drei Wagner-Frühwerke hatte in der Bayreuther Oberfrankenhalle "Rienzi" Premiere .
Damit ein Ereignis Größe habe", schreibt Friedrich Nietzsche im Kapitel 33 seiner "Unzeitgemäßen Betrachtungen" über Richard Wagner in Bayreuth, "muss zweierlei zusammenkommen: der große Sinn derer, die es vollbringen, und der große Sinn derer, die es erleben." Wie das Wagnerjahr 2013 in Bayreuth zum Ereignis hätte werden können, sagt sich leicht: Eine Intendanz mit Mut und großem Sinn setzt im Festspielhaus endlich alle Wagner-Opern, auch seine drei Frühwerke, auf den Spielplan - und die ganze Welt blickt gebannt auf die Stadt, deren Name ein Synonym für Wagner ist.
Stattdessen lädt die BF Medien GmbH, die von Katharina Wagner geleitete Tochterfirma der Festspiele, in Kooperation mit der Oper und dem Gewandhausorchester aus Wagners Geburtsstadt Leipzig, vor den Festspielen zu den drei Frühwerken in die Oberfrankenhalle ein - in einer Stadt wohlgemerkt, die immerhin drei Theaterbauten ihr eigen nennt (wovon aktuell immerhin zwei nutzbar sind). Gegeben werden drei auf Mehrzweckhallentauglichkeit heruntergedimmte Torsi: szenisch "Rienzi" und "Das Liebesverbot", konzertant "Die Feen".
Die billigsten Seitenplätze in der Oberfrankenhalle sind für 60 Euro zu haben, ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass man fürs gleiche Geld im akustisch ungleich besseren Leipziger Opernhaus dazu noch eine präzis einstudierte Inszenierung zu sehen bekommt und die teuersten Plätze 68 Euro kosten. Beim "Rienzi", der am Sonntag Premiere hatte, wird besonders zugelangt: In der 1. Preiskategorie kostet eine Karte 320 Euro, für den Premiumbereich in noch etlichen Reihen davor soll man sogar 500 Euro pro Stuhl berappen. Vip-Schilder zeigen unmissverständlich an, worum es hier geht.
Sponsorenwerbung geht vor Bevor der Besucher seinen schwer zu findenden Platz erreicht, erwarten ihn im Foyer Verkaufs- und Informationsstände eines T-Shirt-Herstellers und einer Firma für Kompressionsstrümpfe, welch letztere Wagnerinszenierungen erst zum Genuss machen sollen. Es handelt sich dabei um Haupt- und Nebensponsoren, die damit ernüchternd den Ausverkauf der Festspiele illustrieren. Nur in einem Punkt hat die Location Oberfrankenhalle die Nase vorn: ein Paar Bratwürste mit Senf sind für nur 2,50 Euro zu haben.
Es fehlt die Konzentration Schon beim Geburtstagskonzert am 22. Mai im Festspielhaus war mir aufgefallen, dass das Schielen der Festspielleiterinnen nach einem neuen, auch auf Events ausgerichteten Publikum unangenehme Begleiterscheinungen hat: Es fehlt plötzlich die gemeinschaftliche Konzentration, die Stille vor der Aufführung, das Gefühl der großen Erwartung. Stattdessen fällt bei "Rienzi" gleich zu Beginn so laut ein Proseccoglas zu Boden, dass Dirigent Christian Thielemann erbost den oder die Verursacherin fixiert.
Es kommt noch schlimmer. Nur ein Klingelruf ist vielleicht zu wenig, und offenbar verstehen nicht alle Besucher, dass man rechtzeitig zurück im Zuschauerraum sein muss. Nach der zweiten Pause kommen so viele Nachzügler, dass der zum Hausmeister degradierte Dirigent nochmals das schon gelöschte Orchesterlicht hochfahren lässt. Er kommentiert das Geschehen, bekommt für seine Nachsicht Applaus. Aber Thielemann würde, wenn er nur könnte, den Leuten doch lieber ins Gesicht springen.
Die versprochene Verbesserung der Akustik hat am Sonntag erst in der zweiten, kürzeren Hälfte des Abends funktioniert. Gut eindreiviertel Stunden lang, bis zur ersten Pause, hörte sich das Orchester mit Ausnahme der Streicher von der 14. Parkettreihe aus insgesamt eher dumpf und mulmig an, und keine der Sänger- und Chorstimmen konnte sich so entfalten, dass man geneigt sein durfte, von Gesangskunst zu sprechen. Erfreulicherweise änderte sich das, womöglich zu Lasten des Bühnenbilds von Matthias Lippert, der mit seinem Versuch, die Oberfrankenhalle und das antike Rom auf einen Nenner zu bringen, in nichtssagender Stadttheater-Beliebigkeit landet.
Das Volk als Handlungsträger Matthias von Stegmann hatte die undankbare Aufgabe, in wenig Probenzeit eine Inszenierung für nur drei Aufführungen auf die Beine zu stellen, die mit der Leipziger Produktion offenbar nur die umfangreichen musikalischen Kürzungen, ein paar Solisten, Chor und Orchester gemein hat. Als erkennbare Regieidee ist bei dieser großen Choroper mit vielen Tableaux zu verzeichnen, dass er es sich verkneift, den Titelhelden in eine faschistoide Ecke zu stellen und stattdessen das Volk als Handlungsträger zum Zentrum macht - in Kostümen, bei denen Thomas Kaiser aus den Fünfzigern schöpft.
Jubel für Daniela Sindram Von den Solisten wurde an erster Stelle zu Recht Daniela Sindrams Adriano bejubelt, während der ökonomisch singende Robert Dean Smith als Rienzi zu wenig Stimmfarben einbrachte und Jennifer Wilsons Irene eher klischeehaft schrillte. Solide in kleineren Rollen Tuomas Pursio, Carsten Wittmoser und Timothy Fallon. Das Orchester war nicht immer so hochkonzentriert wie Dirigent Thielemann, bei den Chören wünschte man sich, da Übertitel fehlen, größere Wortverständlichkeit.
Ist die BF-Medien GmbH nicht eigentlich gegründet worden, um die Produkte der Bayreuther Festspiele zu vermarkten, um dann die Gewinne den Festspielen wieder zu zuführen? Oder dann doch eher, um jetzt eigene Veranstaltungen zu organisieren? Angesichts der Tatsache, dass die Folgeaufführungen der Frühwerke jetzt mit verbilligten Karten gefüllt werden müssen, stellt sich die Frage, wer das sich anbahnende Defizit später ausgleicht? Die BF-Medien GmbH? Die Stadt Bayreuth? Oder gar die Bayreuther Festspiele selbst, indem sie evtl. schon in den Etat eingestellte Gewinne der BF-Medien GmbH abschreiben muss? Eine Frage für die Vorsitzenden der Gremien: Reg.Präs. Wilhgem Wenning als Vorsitzenden der Stiftung, Frau OBM Merk-Erbe als Geschäftsführern der Stiftung, Toni Schmid als Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Festspiel GmbH und nicht zuletzt an Kathtarina Wagner, in Personalunion Geschäftsfürherin sowohl der Bayreuther Festspiele als auch der BF-Medien GmbH. Eine unternehmerische und künstlerische Eignung, wie sie die Stiftungssatzung für die Festspielleitung einfordert, sollte an der Bilanz dieser Unternehmungen überprüft werden!