Hundeglück und Kriegsdebakel in Seybothenreuth

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Foto: Matthias Hoch
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Wo heute Hunde Ferien machen und Bayreuth-Pendler ihr Domizil aufgeschlagen haben, erlebten bayerische Soldaten vor 153 Jahren im Kampf gegen die Preußen eine schwarze Stunde.

Der Name weckt von Anfang an die Neugier. Wer von Bayreuth die Bundesstraße 22 entlang nach Osten in Richtung nördliche Oberpfalz fährt, kommt nach einer knappen Viertelstunde vorbei am Ort Seybothenreuth. Just da, neben der B 22, hatte er eingeschlagen, unser Pfeil.

Seybothenreuth. Ein Name, wie es ihn nur einmal gibt in Franken, in Deutschland, wohl weltweit.Worauf er zurückzuführen ist? Die ersten Seybothenreuther, die wir treffen, zucken mit den Schultern. Auch Linda Mucha weiß es nicht. Die Rentnerin mit dem Berliner Dialekt wohnt seit 20 Jahren hier. Ihr Haus fällt sofort auf. Nicht, weil es einmalig ist. Im Gegenteil. Es gibt viele dieser Häuser am sogenannten Burgstallring, der einzigen Ringstraße im Ort. Schmal sind sie, gerade mal vier Meter breit, alle mit Spitzdächern und kleinem Vorgarten.

Kleine Reihenhäuser auf dem Land? Dort, wo Platz normalerweise keine Rolle spielt? Ungewöhnlich. "Die sehen kleiner aus als sie sind", sagt die ältere Dame und lächelt. Ende der 1990er Jahre hätten sie und ihr verstorbener Mann so ein Häuschen gekauft - von den Amerikanern. Diese hatten die Häuser in den 1980er Jahren für ihre in Grafenwöhr stationierten Soldaten und deren Familien errichtet. Küche, Toilette und Waschraum im Erdgeschoss, Schlafzimmer und Dusche im 1. Stock. ganz oben ein Bad und zwei Räume mit schrägen Wänden: insgesamt 130 Quadratmeter Wohnfläche. "Wir sind damals aus beruflichen Gründen hierhergezogen, weil die BAT-Zigarettenfabrik in Berlin zugemacht hat", erzählt Mucha. "Die Ruhe war für uns Berliner ziemlich ungewohnt."

Mucha winkt ihrem Nachbarn. Diethard Kneisel hat zumindest eine Vermutung, was den Ortsnamen angeht. "Seybothenreuth, das hängt mit Sauboden zusammen", sagt er. Es gebe im Übrigen historisch gesehen noch das Schloss, das älteste Gebäude des Ortes, in Privatbesitz. "Und da oben irgendwo auf dem Hügel ist so ein Denkmal von einer Schlacht", ergänzt Mucha. "Ich kann nicht sagen, für was es steht." Bevor wir weitergehen, lobt die Rentnerin noch die Verkehrsanbindung. "Nach Bayreuth sind es mit der Bahn zwei Stationen. In elf Minuten ist man dort."

"Ich hasse Autofahren"

Am Bahnhof ist um 11.47 Uhr wenig los. Nur Maria Ruppenstein wartet im Unterstellhäuschen auf den Zug. "Ich fahre in meine Heimat, nach Bad Staffelstein", erzählt sie. Die Liebe habe sie nach Seybothenreuth verschlagen. Seit 2012 lebe sie hier mit ihrem Mann, der aus Seybothenreuth stammt. Der Agilis-Zug hat schon drei Minuten Verspätung. Das ermöglicht uns, weiter zu plaudern. Als sie noch nicht im Ruhestand gewesen sei, sei sie jahrelang von hier mit der Bahn nach Staffelstein zur Arbeit gefahren, drei Stunden täglich. "Ich hasse Autofahren", sagt Ruppenstein. "Ich habe zwar ein Auto, aber wenn ich es vermeiden kann, damit zu fahren, vermeide ich es."

Der kleine Agilis-Zug kommt und hält. Maria Ruppenstein steigt ein, als Einzige. Danach fährt der Zug ab Richtung Bayreuth. In einer halben Stunde wird der nächste eintreffen.

Wir fahren die Hauptstraße entlang und suchen das Schloss, von dem im Gespräch bei den "Amerikaner-Häusern" die Rede war. Das Haus mit dem Wappen über der Tür muss es wohl sein. Als wir aussteigen, werden wir von etwas anderem abgelenkt. Gegenüber ist eine Hundepension. Inhaber Andreas Pfitzer bittet uns auf Nachfrage in den Garten. Zwölf Hunde verschiedener Rasse und Größe sind anfangs so skeptisch wie wir. Doch nach kurzer Zeit verstummt das Bellen von Berner Senner, Huski, Spitz oder Mischling.

"Der Hund ist ein Rudeltier"

"Davon lebe ich. Das ist ein 24-Stunden-Job", sagt der 63-Jährige. Seit fünf Jahren bietet der gelernte Mediengestalter diese Hundedienstleistung. Zwölf Euro am Tag, 20 Euro mit Übernachtung. "Ich brauche keine Werbung mehr machen. Ich habe sogar Kunden in Würzburg oder Chemnitz. Überall gibt es Hundepensionen, aber die wollen mich", erzählt er. Die Hunde kommen bei Pfitzer nicht in Zwinger, sondern verbringen ihre "Ferien" in ständiger Gemeinschaft. Nachts dürfen sie mit im Haus schlafen. "Der Hund ist ein Rudeltier", erklärt Pfitzer. Er schaue sich aber einen Hund immer eine halbe Stunde lang an und entscheide dann, ob er in die Gruppe passe. Zwölf Hunde seien schon das Maximum. Tiere und Pfleger wirken zufrieden. "Das hier kann ich auch noch machen, wenn ich 65 Jahre und älter bin," sagt Pfitzer.

Nach dem tierischen Abstecher haben wir Glück, dass im Schloss jemand zu Hause ist. Lydia und Andreas Preißinger haben das historische Anwesen aus dem 15. Jahrhundert, das seit 1901 im Familienbesitz ist, vor rund 15 Jahren saniert. Seitdem lebt das Paar mit seinen beiden Kindern drin. Die Fassade leuchtet hellgelb in der Sonne. "Wir sind keine Adeligen. Meine Urgroßeltern waren Landwirte und haben das gekauft", erzählt der 40-Jährige.

Was es mit dem Denkmal auf sich hat, das wir später noch auf dem unscheinbaren Goldhügel finden werden, erzählt Preißinger anhand einer Ortschronik. Am 29. Juli 1866 gab es in Seybothenreuth ein Gefecht zwischen Preußen und Bayern. Und das, obwohl der sogenannte deutsche Bruderkrieg, in dem Preußen und Österreich - die Bayern auf der Seite der Österreicher - aneinandergeraten waren, seit der Niederlage der Österreicher bei Königgrätz längst entschieden war. Das 4. Bataillon des königlich Bayerischen Infanterie-Leibregimentes hatte jedenfalls gegen die Preußen keine Chance.

Bleibt als letztes Rätsel der Name Seybothenreuth. "Nein, von Sau kommt das nicht", sagt Preißinger. Er blättert in der Chronik und zeigt die Seite mit einer Sage. "Vor vielen Jahrhunderten sollen Wirnt und Seibot, die nahen Siedler von Würnsreuth und Seybothenreuth" sich am Goldhügel getroffen haben, steht dort geschrieben. Herr Seibot war demnach Namensgeber.