Seit 2009 rollt die zweite Crystal-Welle über Bayern. Fahnder beschlagnahmen immer größere Mengen an der Grenze zu Tschechien. Das alarmiert Mediziner, denn das Suchtpotenzial des Wirkstoffs Methamphetamin ist gigantisch. Oberfranken gilt als Einfallstor der Szene.
1940 hieß der Stoff Panzerschokolade, Stukka-Tablette oder Göring-Pille. Eine Wunderwaffe zum Schlucken, verabreicht zur körperlichen Ertüchtigung deutscher Soldaten und zur Beseitigung der Angst im Blitzkrieg gegen Polen. Denn gegen die Furcht vor dem Feind half Pervitin: ein Dragee zur Dämpfung von Phobien bei gleichzeitiger Erhöhung der Schlagkraft. Luftwaffe und Heer bezogen allein im zweiten Quartal 1940 über 35 Millionen Pillen; später zog die Reichsgesundheitsführung das Präparat aus dem Verkehr. Schädlich, weil extrem abhängig machend, lautete damals schon der Befund. Hauptbestandteil von Pervitin: Methamphetamin.
Neu ist der Stoff also nicht. Heute lässt er als "Crystal Meth" die Alarmglocken schrillen bei Medizinern, Drogenfahndern, Gesundheitsbehörden und Eltern. Die erhoffte Wirkung ist bei Konsumenten immer noch ähnlich wie die aus Weltkriegstagen: angst- und schmerzfrei sein, länger durchhalten können - wenn auch nicht für den nächsten Feldzug, sondern wahlweise das Party wochenende, die Mathe-Klausur oder die millionenschwere Verhandlung mit dem schwierigen Firmenkunden.
Pervetin ist nicht mit Crystal zu vergleichen "Es wäre fatal, Pervitin mit Crystal vergleichen zu wollen", sagt Roland Härtl-Petri und tippt auf eine Zahlenkolonne mit Angaben in Milligramm. Der leitende Arzt der Drogenabteilung am Bayreuther Bezirkskrankenhaus hebt die Brauen. Das, was Literat Heinrich Böll bei Schreibblockaden eingepfiffen hat oder die Hausfrau der Fünfziger gegen die Frühform des Burn-out am Herd, sei eine Tablette mit einer vergleichsweise harmlosen Wirkstoffkonzentration gewesen. "Wir reden bei einer geschnupften Line Crystalpulver von der bis zu 50- fachen Menge an ,therapeutischer' Dosis", sagt der Mediziner.
Die nasale Aufnahme ist mittlerweile Standard - selbst in gehobenen Kreisen, wo Schnupfen früher als "Junkie-Verhalten" verschrieen war. Crystal ist salonfähig geworden. Der Stoff heißt so, weil er unschuldig weiß glitzert wie Schneekristalle. Den Effekt macht das Hydrochlorid. Beigemengt sind kleinste Glassplitter; die fügen der Nasenschleimhaut winzige Schnittwunden zu - über die der Wirkstoff schneller in die Blutbahn gelangt. Es dauert keine zehn Minuten und der Konsument fühlt sich euphorisiert. Hunger und Durst, Müdigkeit und Antriebslosigkeit scheinen wie weggeblasen. Es stellt sich eine Art Superman-Gefühl ein.
Mit diesen gefühlt Unbesiegbaren bekommen es dann die Drogenfahnder der Polizei an der Grenze zu Tschechien zu tun. "Für unsere Beamten ist die Konfrontation bei Kontrollen nicht ungefährlich", sagt Bernhard Kreuzer, Krimininalhauptkommissar am bayerischen Landeskriminalamt. "Das Mittel putscht extrem stark auf, das Aggressionspotenzial gegenüber den Uniformierten steigt."
Oberfranken gilt als Einfallstor für Crystal Die Zahlen, die Kreuzer vorlegt, verlangten eigentlich nach einer deutlichen Erhöhung der Polizeipräsenz. "Unsere Kollegen in Hof und Wunsiedel wissen nicht, wo sie anfangen sollen." Oberfranken gilt als Einfallstor für Crystal. Registrierten die Kontrolleure 2010 noch 1100 ertappte Schmuggler, erhöhte sich diese Zahl 2011 auf 1800. Das laufende Jahr dürfte diesen Wert erneut überbieten. Die Gesamtmenge an sichergestelltem Methamphetamin beziffert Kreuzer auf rund 13 Kilogramm. "Das ist nur die Spitze des Eisbergs." Eindecken können sich deutsche Kunden relativ unbehelligt auf den Vietnamesenmärkten. "Bei unseren Nachbarn ist der Besitz bis zwei Gramm eine Ordnungswidrigkeit, hier ein Straftatbestand."
Zurecht, wie Roland Härtl-Petri sagt: "Crystal ist ein Nervengift, das beim ersten Versuch abhängig macht." Er selber betreut pro Jahr rund 200 Patienten. Die leiden unter Psychosen, debilen Zuständen, gravierendem körperlichen Verfall. "Leider gibt es noch kein Methadonprogramm." Er selber setzt auf hochdosiertes Koffein als Ersatz. Und macht Betroffenen Hoffnung: "Es ist belegt: Das Gehirn kann sich regenerieren - wenn man rechtzeitig aufhört."
Dann sollte dies im Bericht auch so wiedergegeben werden. So wie es jetzt geschrieben ist, könnte man denken, dass er ein Wahnsinniger ist und man müsste mal seine Fachkompetenz ordentlich untergraben.
Das erklärt einiges.
Und bitte Amphetamin von Methamphetamin unterscheiden. Da liegt ein gravierender Unterschied vor.
Herr Härtl-Petri meinte mitnichten, Meth-Abhängige mit Methadon zu behandeln. Er deutete damit lediglich an, dass es im Fall Crystal noch keine - analog zu Methadon bei anderen Drogen - funktionierende Amfetamin-Substitution gäbe.
Die Vorstellungen bzw. das Vorgehen von Herrn Härtl-Petri, gegen diese Sucht, ist meiner Meinung nach, alles andere als gut.
Das Crystal Problem kenne ich und es ist schlimm, wenn man Leute sieht, die daran zu Grunde gehen. Mittlerweile, macht das Methamphetamin nicht einmal mehr bei der high-society halt. Es ist ein Problem in allen Gesellschaftsschichten. Eine Therapie nach den Vorstellungen von Härtl-Petri ist fatal. Eine Substitution mit Methadon ist der größte Schwachsinn den ich jemals gehört habe. Methadon ist ein vollsynthetisches Opioid. Und hat keines Falls eine unterstützende Wirkung im Entzug von N-Methylamphetamin. Ja, es wird sogar noch eine neue Sucht geschaffen. Crystal und Methadon haben eine inversive Wirkung. Damit löst man überhaupt kein Suchtproblem. Wie schon gesagt, man schafft ein neues. Koffeine, ebenso ein Nervengift, hat zwar auch eine aufbauende Wirkung, wird aber recht ungleichmäßig vom Körper genutzt und wieder ausgeschieden. Hier schafft man nur wieder Löcher im Wohlbefinden und fördert einen Rückfall.
Man müsste diese Sucht eigentlich mit einem Amphetamin-Derivat behandeln. Hier könnte z.B. auf Methylphenidat zurück gegriffen werden. Es hat ebenso eine vergleichbare, aber wesentlich schwächere und besser kontrollierbare Wirkung und könnte helfen einen Patienten bei der Entwöhnung zu unterstützen, was ja das eigentliche Ziel sein sollte.
Methylphenidat, in der Masse besser als Ritalin bekannt, wird eigentlich zur Behandlung von AD(H)S oder Narkolepsie verwendet. Man wird wohl eine höhere Dosierung benötigen, aber man kann den Wirkungszeitraum wesentlich besser einschätzen als die von Koffein. Das beste daran ist, dass man die Betroffenen aus der Illegalität holt. Eine Resozialisierung und der vollständige Entzug ist so, definitiv einfacher als mit Methadon. Aber ich denke, dass die Pharmalobby einfach den lukrativsten Weg vorgeben wird und viel zu viel Einfluss auf Menschen wie Herrn Härtl-Petri haben. Vorsicht die Gier geht um.