"Völlig falsches Signal": Affäre um "Abriss des Jahres" - Grünen-Politikerin widerspricht Darstellung der Stadt

5 Min
"Abriss des Jahres" kommt aus Franken - "echtes Systemversagen"
Ein im Jahr 1802 erbautes Fachwerkhaus im Bayreuther Stadtteil Rödensdorf in Oberfranken. Das Haus wurde 2023 abgerissen.
"Abriss des Jahres" kommt aus Franken - "echtes Systemversagen"
Brigitte Trausch/dpa

Die denkmalpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen hat der Stadt Bayreuth nach der Wahl des "Abriss des Jahres" Behördenversagen vorgeworfen. Die Stadt reagierte mit einer Stellungnahme, welcher die Politikerin nun widerspricht.

Update vom 18.01.2024, 18.51 Uhr: Hätte es Fördermittel für eine Sanierung des abgerissenen Hauses gegeben?

Die denkmalpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, Sabine Weigand, hat die Stadt Bayreuth für ihre Stellungnahme zum "Abriss des Jahres" scharf kritisiert. "Meine Äußerungen zum Abriss des herausragenden Fachwerk-Denkmals in Rödensdorf haben die zuständige Stadt Bayreuth zu einer öffentlichen Stellungnahme auf ihrer Homepage veranlasst", so die Landtagsabgeordnete. Sie setzte sich für den "Erhalt der gebauten Heimat" ein, sei fälschlicherweise als "Vertreterin des Landesdenkmalschutzes" dargestellt worden. "Das ist der Stadt Bayreuth durchaus bekannt", betont Weigand.

Zuvor hatte die Landtagsabgeordnete der Stadt als Unterer Denkmalschutzbehörde im Fall des abgerissenen Fachwerkhauses Tatenlosigkeit vorgeworfen und von Behördenversagen gesprochen haben. "Wie in der städtischen Stellungnahme ganz richtig zu lesen ist, war die Untere Denkmalschutzbehörde über viele Jahre mit dem Baudenkmal in Rödensdorf befasst und konnte den sukzessiven Verfall die ganze Zeit über verfolgen", sagt Weigand. "Leider hat man nicht schnell und nicht konsequent genug gehandelt, um das Schlimmste zu verhindern und eines der schönsten Bauernhäuser in Oberfranken zu erhalten."

Dabei habe die Untere Demkmalschutzbehörde laut Pressemitteilung "maximale Rückendeckung" für die "dringend zu ergreifenden Maßnahmen" bekommen. Der Verein "Rettet die Fachwerk- und Sandsteinhäuser! e.V." habe 2019 eine Petition zur Rettung des 1802 erbauten Hause beim Bayerischen Landtag eingreicht. Ein Jahr später sei der zuständige Landtagsausschuss für Wissenschaft und Kunst zu dem einstimmigen Ergebnis, dass der Eigentümer des Baudenkmals zum Erhalt und zur Rekonstruktion der bereits verlorenen Teile verpflichtet werden muss. 

"Doch auch nach der Entscheidung des Landtags hat die Stadt Bayreuth nichts erreicht und sah weiter dem Verfall zu", sagte Weigand. Im Juli 2021 habe sie sich einen persönlichen Eindruck von der Situation machen wollen. "Ich habe zu diesem Ortstermin auch Vertreter der Stadt Bayreuth eingeladen", erklärt die Politikerin. "Leider nahm niemand teil."

Ihr sei bewusst, dass ein Vorgehen der Kommunen gegen Denkmalverfall schwierig sei, wenn sich Eigentümer wie in Rödensdorf hartnäckig verweigern würden. Trotzdem biete das Bayerische Denkmalschutzgesetz Kommunen aber auch in solchen Fällen durchaus Handlungsmöglichkeiten. Zwar verhängte die Stadt Bayreuth im Vorfeld nach eigenen Angaben mehrere Zwangsgelder gegen den Eigentümer, "aber selber handelte sie nicht, um das Gebäude vor dem weiteren Verfall zu bewahren", so Weigand. "Einen Teil der Strafzahlungen stundete sie dem Eigentümer sogar. Das ist nicht konsequent und sendet das völlig falsche Signal."
 
Die Behauptung der Stadt Bayreuth, sie wäre auf den Kosten sitzen geblieben, bezeichnete die denkmalpolitische Sprecherin als "merkwürdig". Eine Notsicherung sei für eine Kommune kein finanzielles Risiko und auch Fördermittel für eine Sanierung des über 200 Jahre alten Fachwerkhauses hätte es gegeben. "Sowohl das Land als auch die Bezirke halten finanzielle Unterstützung für Denkmalsanierungen bereit. Vielleicht hätte sich in Anbetracht der Hochwertigkeit des Denkmals auch die Oberfrankenstiftung eingebracht, die Großartiges im Bereich Denkmalpflege leistet", erklärte sie. "Ich gehe davon aus, dass die Stadt rückblickend genau analysiert, was nicht gut gelaufen ist und was sie künftig besser machen kann, um Denkmalverfall zu verhindern. Ich unterstütze da als denkmalpolitische Sprecherin immer gerne", betont Weigand.

Update vom 16.01.2024, 18.44 Uhr: Stadt weist Vorwurf von Behördenversagen zurück

Nachdem ein über 200 Jahre altes aus Bayreuth zum "Abriss des Jahres" gewählt worden ist, hat die Stadt Stellung nun Stellung bezogen. Zuvor soll Sabine Weigand, die denkmalpolitische Sprecherin bayerischen Grünen, der Stadt Bayreuth als Unterer Denkmalschutzbehörde in dem konkreten Fall Tatenlosigkeit vorgeworfen und von Behördenversagen gesprochen haben.

Dieser Vorwurf entbehre jeder Grundlage, wie ein Blick in die Chronologie des Falls belege, heißt es dazu in einer Stellungnahme der Stadt. Bereits in den Jahren 2008/2009 sei die Untere Denkmalschutzbehörde mit dem Baudenkmal in Stadtteil Rödensdorf befasst gewesen. Der Zustand des Fachwerkhauses sei damals noch gut gewesen. "Nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2013 erfolgten mehrere Besprechungen mit dem neuen Besitzer und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege im Hinblick auf eine geplante Instandsetzung des Baudenkmals", so die Stadt. "Auf der Grundlage eines Bestandsgutachtens sollten 2017 mit dem Eigentümer konkrete Schritte zur Instandsetzung und ein Finanzierungskonzept besprochen werden. Hierzu kam es jedoch nicht, denn von nun an scheiterten jegliche Versuche der Stadt, mit dem Eigentümer diesbezüglich Kontakt aufzunehmen."

"Abriss des Jahres" kommt aus Bayreuth - baulicher Zustand von Haus soll sich zunehmend verschlechtert haben

Da sich der bauliche Zustand zunehmend verschlechtert habe, seien Ende 2017 und im Mai 2018 Notsicherungsmaßnahmen angeordnet und vom Eigentümer nicht ausgeführt worden. Lediglich die Zwangsgelder habe er bezahlt. Für die Erhaltung der Bausubstanz des Anwesens wären nun Sicherungsmaßnahmen auf Kosten der Stadt zugekommen, heißt es. Finanzielle Unterstützung durch den Landesdenkmalschutz habe es nicht gegeben.

Bei einem Ortstermin mit dem Landesamt für Denkmalpflege Ende November 2018 sollen das Dach und das rückwärtige Zierfachwerk einsturzgefährdet gewesen sein - auch die Bausubstanz sei verschlechtert gewesen. Eine Begehung des Fachwerkhauses sei zu diesem Zeitpunkt laut der Stadt Bayreuth nicht mehr möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund habe Landesamt für Denkmalpflege festgestellt, dass jegliche Sicherungsmaßnahmen verzichtbar seien. Der marode Bestand könne nicht mehr gesichert werden. "Seitens der Stadt als Unterer Denkmalschutzbehörde waren damit die üblichen rechtlichen Möglichkeiten erschöpft, auf den Eigentümer einzuwirken", sagte Oberbürgermeister Thomas Ebersberger.

Versuche, den Eigentümer zu einem Verkauf des 1802 erbauten Hauses zu bewegen, seien nicht erfolgreich gewesen. Auch die Möglichkeit einer Enteignung sei in Betracht gezogen, aber wieder verworfen worden. "Letztlich musste das Gebäude abgerissen werden, da es stark einsturzgefährdet war und damit eine unmittelbare Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellte. Das Fachwerk selbst wurde gesondert fachgerecht eingelagert", schreibt die Stadt. Sie habe die Sanierung mit öffentlichen Mitteln nicht leisten können. Kommunalrechtlich sei es ihr aufgrund der schwierigen Haushaltslage auch verwehrt, in solchen Fällen öffentliche Mittel einzusetzen.

Stadt sieht Versäumnisse von Investor

"Letztlich kann und darf es nicht sein, dass eine Kommune allein Versäumnisse eines privaten Investors finanziert", betont Ebersberger. Es entbehre daher nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet mit der Landtagsabgeordneten Weigand eine Vertreterin des Landesdenkmalschutzes der Stadt mangelndes Engagement vorhalte, obwohl sie in die Verfahren einbezogen war.

Ursprungsmeldung vom 11.01.2024, 14.19 Uhr: "Abriss des Jahres" kommt aus Franken - "echtes Systemversagen"

"Trauriger Gewinner": Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege hat ein vor mehr als 200 Jahren erbautes Fachwerkhaus in Oberfranken zum "Abriss des Jahres" gekürt. Obwohl es als Baudenkmal geschützt gewesen sei, sei das 1802 erbaute Haus im Bayreuther Stadtteil Rödensdorf 2023 abgerissen worden, teilte der Verein am Donnerstag (11. Januar 2024) in München mit. Eines der schönsten Fachwerkhäuser im östlichen Oberfranken sei so ohne Not zugrunde gegangen, sagte der stellvertretende Vorsitzende und Bezirksheimatpfleger von Oberfranken, Günter Dippold.

"Ein Eigentümer, der die Sozialverpflichtung von Eigentum nicht anerkennt, trifft auf Behörden, die über viele Jahre hinweg allzu nachsichtig und nachgiebig, wohl auch nachlässig waren. Es handelt sich um ein echtes Systemversagen", so Dippold. Mehr als 350 Menschen haben sich bei der vom Verein organisierten Abstimmung demnach für das Fachwerkhaus in Oberfranken ausgesprochen. Der Verein hatte zwölf abgerissene Gebäude in Bayern zur Wahl gestellt, um auf den Verlust von Denkmälern und aus seiner Sicht erhaltenswerter Gebäude aufmerksam zu machen. Heuer hatten sich rund 1400 Menschen an der Abstimmung beteiligt.

Auf Platz zwei der Wahl zum "Abriss des Jahres" landete der Ostflügel der Heil- und Pflegeanstalt in Erlangen, erbaut im Jahr 1846. Die Nationalsozialisten hatten in dem Gebäude viele Patienten auf sogenannten Hungerstationen getötet. Der Abbruch des Gebäudes begann im Mai 2023. Im vorigen Jahr hatte der Verein die Nürnberger Radrennbahn zum "Abriss des Jahres" bestimmt.