"Wir müssen den Opfern die Angst nehmen"

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Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr - hier bei der Pressekonferenz im Ordinariat - gibt im Gespräch mit unserer Zeitung weitere Informationen zum Thema Missbrauch. Foto: Dominik Schreiner
Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr - hier bei der Pressekonferenz im Ordinariat - gibt im Gespräch mit unserer Zeitung weitere Informationen zum Thema Missbrauch.  Foto: Dominik Schreiner

Die Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr ist Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Bamberg. Betroffene melden sich auch 2018 bei ihr.

Eine 300 Seiten-Studie, die kaum einer gelesen hat, ist in aller Munde: Die "MHG-Missbrauchsstudie" hat Fakten aus der katholischen Kirche dokumentiert, die in der Öffentlichkeit erst einmal auf Zahlen reduziert werden. Die sind allerdings erschütternd genug, um weitreichende Konsequenzen von den deutschen Bischöfen zu fordern.

Auch das Erzbistum Bamberg bleibt vom Sturm der Empörung nicht verschont. Während Erzbischof Ludwig Schick in der Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda weilte, stellte sich Generalvikar Georg Kestel den Medienvertretern und präsentierte die regionalen Zahlen aus der Studie. 1711 Personalakten von Priestern und Diakonen aus dem Zeitraum 1946 bis 2015 wurden untersucht. In 41 Personalakten (2,4 Prozent) wurden Hinweise auf sexuellen Missbrauch und Grenzverletzungen entdeckt. 88 Opfer sind zu beklagen.

Generalvikar Kestel schwört auf die Bibel, dass im Zuge der Untersuchungen nichts an den Personalakten manipuliert, nichts daraus entfernt wurde. Ob dies in früheren Jahren geschehen sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden, räumt er ein. Und auch nicht alles stehe in den Akten, denn "Opfer sprechen spät".

Keine Frage des Alters

Diese Erfahrung bestätigt Eva Hastenteufel-Knörr, die als externe Rechtsanwältin seit 2011 Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Bamberg ist. In einem Exklusiv-Gespräch mit unserer Zeitung wirbt die Anwältin darum, Opfern die Angst zu nehmen, sich zu melden: "Sie haben auch Angst wegen der Machtstruktur in der Kirche und vor Sanktionen durch die Täter und sind häufig traumatisiert", weiß Eva Hastenteufel-Knörr. Sie erlebe immer wieder, dass sich weit überwiegend ältere Betroffene an sie wenden. So wie in diesen Tagen eine 80-jährige Frau, die in ihrer Kindheit sexuelle Gewalt im kirchlichen Bereich erfahren musste. "Ich möchte mit dem Missbrauch in meinem Leben abschließen", habe die alte Dame die Kontaktaufnahme begründet. "Wegen Scham, Ohnmacht, seelische Belastung konnte sie nicht früher darüber sprechen", so die Missbrauchsbeauftragte.

Eva Hastenteufel-Knörr, bei der sich Opfer kostenlos und auf Wunsch anonym beraten lassen können, belässt es nicht beim Zuhören und Vermitteln von therapeutischer Begleitung. Wenn Betroffene "stabil sind und Namen nennen, informiere ich die Bistumsleitung". Anhörungen von Opfern und Beschuldigten folgen. Bestätigt sich der Verdacht, wird in strafrechtlich relevanten Fällen umgehend die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet: "Seit 1999 gab es insoweit 22 Fälle, wegen Verjährung wurden die Verfahren zumeist eingestellt oder der Beschuldigte ist verstorben", fasst Hastenteufel-Knörr zusammen.

Und sie sagt auch, dass von diesen 22 Tätern nicht alle Priester gewesen sind. Bis ins aktuelle Jahr 2018 melden sich Opfer von Grenzverletzungen durch haupt- und ehrenamtliche Laien im kirchlichen Bereich: "Beschuldigte sind Männer und Frauen." Im Jahr 2017 gab es sechs entsprechende Meldungen, im Jahr 2018 sind es bisher vier. Zwei Priester gehören zu den Beschuldigten.

Präventionsprogramm

Missbrauch beginnt bei verbaler Anmache, geht über Angrapschen bis zur Vergewaltigung: "Der einfachste Hinweis - auch ohne Beweis - reicht für eine Erfassung in der Personalakte", hatte Generalvikar Kestel in der Pressekonferenz gesagt. Rechtsanwältin Hastenteufel-Knörr sieht denn auch eine gewachsene Sensibilisierung in der Öffentlichkeit generell für Missbrauch. Sie nennt die "Nähe-Distanz-Problematik", die die umfassende Präventionsmaßnahme des Erzbistums Bamberg sowie die anderen Diözesen angegangen sei: "Keine andere Institution leistet nach meinem Kenntnisstand bisher Ähnliches".

Um Missbrauchsfälle durch kirchliche Mitarbeitende zu vermeiden, setzt das Erzbistum Bamberg auf ein umfassendes Präventionsprogramm. Alle Mitarbeitenden, die Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben, werden geschult zu Themen wie Grundwissen über sexualisierte Gewalt, Wahrnehmung von Grenzen, Täterstrategien, Verhalten bei vermuteten Grenzverletzungen, Achtsamer Umgang oder Maßnahmen zur strukturellen Prävention.

"Seit Beginn der Präventionsmaßnahmen ist die Sensibilität für Grenzverletzungen und übergriffiges Verhalten deutlich gestiegen", sagt die Präventionsbeauftragte im Erzbischöflichen Ordinariat, Monika Rudolf. Inzwischen sei fast das gesamte pastorale Personal geschult. Ab 2020 seien zudem Auffrischungsveranstaltungen geplant. "Prävention ist ein dauerhafter Prozess", betont Rudolf.

Kirche übernimmt Kosten

Missbrauchsbeauftragte Eva Hastenteufel-Knörr ermutigt ausdrücklich Betroffene, sich zu melden und Hilfen einzufordern: "Am Geld muss nichts scheitern", erklärt sie und weist darauf hin, dass das Erzbistum etwa die Kosten für therapeutische Maßnahmen übernimmt, die von den Krankenkassen nicht getragen werden. Die Anwältin weiß aber auch, dass es den Opfern nicht um Geld geht, sondern um Anerkennung ihres Leids. Um Wertschätzung. Erst dann müsse über Anerkennungszahlungen gesprochen werden, die landesweit vereinheitlicht werden sollten, so Hastenteufel-Knörr.

Den Blick weiten

Die Rechtsanwältin ist nicht nur "Bischöfliche Beauftragte der Erzdiözese Bamberg für die Prüfung von Verdachtsfällen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst". Sie überprüft auch Verdachtsfälle des Missbrauchs erwachsener Schutzbefohlener: behinderte und alte Menschen, Pflegebedürftige, psychisch Kranke. "Auch diesen Menschen gegenüber gibt es Grenzverletzungen und Gewalt durch kirchliche Mitarbeiter." Eher selten, "aber es ist wichtig, den Blick zu weiten".

Kontakt Bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch, für erste Fragen und Orientierungshilfen stehen zur Verfügung:

- Rechtsanwältin Eva Hastenteufel-Knörr, Telefon 0951/40735525, E-Mail: kanzlei-hastenteufel@t-online.de

- Präventionsbeauftragte Monika Rudolf, Telefon 0951/5021640, E-Mail monika.rudolf@erzbistum-bamberg.de

- Notruf bei sexualisierter Gewalt, Telefon: 0951/9868730, E-Mail: notruf@skf-bamberg.de

- Kriminalpolizeiinspektion Bamberg, Telefon: 0951/9129480

- Für Opfer gibt es des Weiteren eine professionelle, außerkirchliche Unterstützung im möglichen Strafverfahren. Psychosoziale Prozessbegleiter betreuen intensiv während des gesamten Strafverfahrens. Kontaktdaten und weitere Informationen sind in der "Liste der in Bayern anerkannten psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter" (= web-Adresse) zu entnehmen.