Wie sicher sind die Kirchweihbäume?

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Will und will nicht größer werden - egal, aus welcher Perspektive man es fotografiert: das auf 6,5-Meter gekürzte Exemplar bei der Sand-Kirchweih. Foto: Sabine Christofzik
Will und will nicht größer werden - egal, aus welcher Perspektive man es fotografiert: das auf 6,5-Meter gekürzte Exemplar bei der Sand-Kirchweih. Foto: Sabine Christofzik
 
Scheßlitz setzt auf Riesen. Da braucht man einen ungewöhnlichen Standpunkt, um einen solchen Giganten ganz abbilden zu können. Archivbild: Timo Stöhr
Scheßlitz setzt auf Riesen. Da braucht man einen ungewöhnlichen Standpunkt, um einen solchen Giganten ganz abbilden zu können.  Archivbild: Timo Stöhr
 

Ein hoher Kirchweihbaum hat das Zeug zum Prestigeobjekt. Aber er ist um einige Tonnen schwerer als ein kurzes Exemplar. Wo lauern die Gefahren und wer haftet im Fall des Falles?

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. "Ist der niiiiedlich!" feixt ein lederbehoster, silberhaariger Sandkerwa-Besucher den Stamm hinauf bis zur Krone. Weit in den Nacken muss er den Kopf nicht legen: Sechseinhalb Meter kann man auch aus dem Augenwinkel fixieren.

Bei Bambergs großer Besucherattraktion erntete Spott auch, wer den Schaden nicht hatte - sondern nur das Schadensrisiko verkleinerte. Dem neuen Sicherheitskonzept Rechnung tragend, ließen die Sandkerwa-Verantwortlichen vor der Kirchweihbaum-Aufstellung am Stamm die Säge ansetzen. In die Höhe gewuchtet wurde ein Bäumchen. Zielscheibe für Spötter und Kritiker. Garantiert nur ein langer Kirchweihbaum ein schönes Fest?


Tödlicher Unfall in Mittelfranken

Groß war die Bestürzung nicht nur in Franken, als Ende Juli eine 59-jährige Frau in Moosburg bei Feucht von einem beim Aufstellen weggerutschten Kirchweihbaum erschlagen wurde. Auch in Hochstadt (Gemeinde Weßling, Kreis Starnberg) ist heuer der 36 Meter lange Maibaum beim Umstecken der Holzstangen ins Rutschen geraten und zu Boden gestürzt. Passiert ist zum Glück nichts.

Der "Bonsai" vor der Bamberger Elisabethenkirche war - verglichen mit den viele Tonnen schwereren Prunk-Bäumen - im Nullkommannichts in die Senkrechte gebracht. Die größten Gefahren gehen nicht vom (teilweise monatelang) stehenden Stamm aus, sondern von der Prozedur des Aufrichtens.


Spitze stürzt zu Boden

Vor drei Jahren ist in Hirschaid die Spitze des Kirchweihbaums abgebrochen, als dieser fast schon gerade stand. "Der muss oben einen Riss gehabt haben, den man nicht gesehen hat, und beim Auspendeln ist es dann passiert", erinnert sich Bürgermeister Klaus Homann. "Die Baumkrone, die runtergefallen ist, war garantiert schwerer als einen Zentner. Gottseidank ist niemand zu Schaden gekommen. Das hätte schlimm ausgehen können."

Auch Fälle, dass die Baumspitze abgebrochen ist, bevor das Baumholkommando den Stamm überhaupt aus dem Wald herausgebracht hat, gab es in Hirschaid schon. In Gaustadt dagegen hat 2014 jemand den Baum absichtlich beschädigt und die Krone angesägt.

Je erfahrener das Aufstellteam ist, desto leichter ist es den Verantwortlichen ums Herz. In Hirschaid erledigen seit mehr als 40 Jahren federführend die Familie Hofmann, genannt "Kaller", und die Kärwäschbum diese Aufgabe.

"Wir schauen schon drauf, dass keiner in der Mannschaft betrunken ist", sagt Klaus Homann. "Ganz konsequent sind da die Seigendorfer. Eigentlich heißt es ja, bei 45 Grad Baumneigung wird angestochen. Das wollte ich machen, bekam jedoch zu hören, ,es gibt kein Bier, bevor der Baum nicht steht'".

 




Nicht ohne Motorsägenführerschein Mit alkoholisierten Teilnehmern im Baumholtrupp hat gelegentlich auch Matthias Jessen, Leiter des Forstreviers Hallern dorf , zu tun. "Das ist einfach gefährlich, sowas!" Und einfach einen Baum "ummachen", das gibt es bei ihm nicht. "Ich verlange von jedem, der einen Kirchweihbaum im Gemeindewald fällt, den Motorsägenführerschein. Er muss Sachkunde nachweisen können und über die nötige Schutzausrüstung verfügen," sagt Jessen. "Wer die Säge ansetzt, macht das nämlich auf eigene Gefahr."

"Wichtig ist, dass der Baum weich fällt und nicht etwa auf einen Wurzelstock aufprallt - denn dann könnte es sein, das er seine Sollbruchstelle weg hat. Daran entlanggehen und sorgfältig anschauen sollte man ihn in jedem Fall. Ist der Stamm erstmal verladen - meistens wird er auf zwei unabhängig voneinander fahrenden Achsen transportiert, kann ihm eigentlich nicht mehr viel passieren."


Nicht nur Männersache

Kirchweihbaum-Aufstellen ist nicht unbedingt nur reine Männersache. In Memmelsdorf haben heuer auch Frauen die 22 Meter hohe Fichte vor der Kirche mit in die Höhe gestemmt. Für diesen Kraftakt ist die Feuerwehr zuständig. Der Kommandant ist auch der "Capo" der Aufsteller. Die schwerste Arbeit haben - das ist pure Physik - diejenigen, die hinten stehen und die langen Stangen bedienen. Vorn wird hauptsächlich das Gewicht gehalten.

"Das Schieben ist nicht das große Problem", erläutert Thomas Hofmann, Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr und Veranstalter der Kerwa. "Auf das richtige Führen der Stangen kommt es an. Man muss schauen, dass man gleichmäßig arbeitet und den Bodenkontakt nicht verliert."

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Erfahrung gibt es gelegentlich doch kleine Unfälle. In Königsfeld ist im vergangenen Jahr einem Mitglied der Aufrichtemannschaft eine "Schwalbe" (Stange) auf den Kopf gefallen. Er musste zum Arzt.


Die Feuerwehr handelt als "Beauftragte"

"Das ist über die Gemeindeunfallversicherung geregelt", sagt Bürgermeisterin Gisela Hofmann. "Bei uns stellt die Feuerwehr den Baum auf. Es handelt sich um eine Brauchtumsveranstaltung und die Wehr handelt - diese Entscheidung hat der Gemeinderat vor einigen Jahren getroffen - im Auftrag der Kommune. Deshalb sind eventuelle Schäden über die Gemeindehaftpflicht abgedeckt."

Denkt daran jemand, der einen "zu kurz geratenen" Kirchweihbaum bespöttelt? "Dann lieber gar keinen Baum" oder "Man kann ja nächstes Jahr den Baum von einem Pflastermaler auftragen lassen", war in Kommentaren auf infranken.de zu lesen.

Angesichts der Tatsache, dass in Scheßlitz ein 32-Meter-Baum von der Kerwa kündet, warf ein Facebooknutzer die Frage in den Raum, ob denn "Schäätzer Leben weniger wert" seien als Bamberger.


Wer haftet?

Zur Haftungsfrage informiert Klaus Hendrik Potthoff, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereich "Rehabilitation und Entschädigung" bei der Kommunalen Unfallversicherung Bayern: "Wenn das Aufstellen und Abbauen eines Mai- oder Kirchweihbaums unmittelbar im Auftrag der Gemeinde geschieht, stehen die dabei beteiligten Personen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Gemeinde tritt in diesem Fall als Unternehmer auf, die Helfer werden arbeitnehmerähnlich, das heißt hier vor allem weisungsgebunden tätig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gemeinde ist damit nicht nur verantwortlich für die sichere Durchführung aller Arbeiten. Sie muss auch dafür sorgen, dass die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen - insbesondere die Unfallverhütungsvorschriften - beachtet werden.

Mitglieder von Burschenschaften oder anderen Organisationen sind übrigens beim Baumaufstellen nur dann gesetzlich unfallversichert, wenn sie - wie die anderen Helfer auch - im offiziellen Auftrag der Gemeinde tätig werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII). Die bloße Duldung durch die Gemeinde reicht für den Versicherungsschutz nicht aus.

Das Bundessozialgericht hat in einem Fall Versicherungsschutz anerkannt, in dem eine Gemeinde für die einzelnen Ortsteile Maibäume zur Verfügung gestellt, die zu deren Aufstellung erforderlichen Löcher ausbetoniert und den Helfern beim Aufstellen aus der Gemeindekasse einen Umtrunk spendiert hatte. Die für das Aufstellen der Maibäume Verantwortlichen hatten von der Gemeinde schriftliche Aufträge erhalten. Die Tätigkeit der Helfer wies dabei die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auf."