Wie geht es am Babenbergerring in Bamberg weiter?

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Das Ladenzentrum ist in doppelter Hinsicht ein Sanierungsfall. Nach einer Brandstiftung Anfang Dezember muss nicht nur das Konzept gründlich überarbeitet werden. Fotos: Ronald Rinklef
Das Ladenzentrum ist in doppelter Hinsicht ein Sanierungsfall. Nach einer Brandstiftung Anfang Dezember muss nicht nur das Konzept gründlich überarbeitet werden. Fotos: Ronald Rinklef
Apothekerin Chirstien Paul beklagt das Ausbleiben der Laufkundschaft
Apothekerin Chirstien Paul beklagt das Ausbleiben der Laufkundschaft
 
Elsa und Fritz Braun erzählen von besseren Zeiten des Ladenzentrums.
Elsa und Fritz Braun erzählen von besseren Zeiten des Ladenzentrums.
 

Der Stadtteil Südwest droht zu verkommen, wenn nicht gezielt gegen gesteuert wird. Das fürchten Bewohner. Sie sehen auch die Politik gefordert. Das Konzept aus den 1970-er Jahren, mit einem Ladenzentrum als Herzstück, hat sich offensichtlich überlebt.

"Es war ja mal schön hier, ein Superviertel!" Wehmut schwingt in der Stimme von Marietta Düsel mit, wenn sie sich daran erinnert, dass man früher im Babenberger Viertel fast alles bekam, was man brauchte.

Heute ist das anders: Apotheke und Sparkasse halten noch die Stellung. Alle anderen Läden haben kapituliert oder sind zwangsweise geschlossen: Seit der Brandstiftung in der Nacht zum 8. Dezember im Ladenzentrum ist die Versorgungslage im Stadtteil noch schlechter geworden.

Bis dahin gab es immerhin eine Bäckereifiliale, einen Getränkemarkt, einen Friseur und ein italienisches Lokal. Wann und ob diese nach Abschluss der laufenden Sanierungsarbeiten wieder aufmachen - darüber können die Leute im Stadtteil derzeit nur spekulieren.

In Sorge um das Viertel

"Wir wissen gar nichts!" beklagen Elsa und Fritz Braun.
Das trotz seines Alters von 80 und 83 Jahren vitale Ehepaar zog 1973, als zweite Familie, in ein Haus in Bamberg-Südwest. Sie hätten die Nahversorgung immer geschätzt und die Kaufleute auch bewusst unterstützt, berichten die Brauns.

Obwohl sie noch in der Lage sind, mit dem Auto andernorts einzukaufen, setzen sie sich dafür ein, dass am Babenbergerring wieder eine funktionierende Infrastruktur entsteht. In einem Leserbrief appellierte die 80-Jährige kürzlich an die Joseph-Stiftung und an die Stadt, tätig zu werden. Von vielen Nachbarn sei sie auf ihre Wortmeldung angesprochen worden, sagt die Frau.
Von der Joseph-Stiftung, der neben knapp 300 Mietwohnungen auch das Ladenzentrum gehört, und aus dem Rathaus habe es keine Reaktionen gegeben.

"In Kürze etwas Großes"

Intern befasse man sich nicht erst seit dem Brand mit den Problemen des Gewerbezentrums, versichert auf Nachfrage der Pressesprecher des kirchlichen Wohnungsbauunternehmens, Bernhard Schneider. Angeblich ist "absehbar, dass sich in Kürze Großes tut". Konkrete Informationen für die Öffentlichkeit werde es frühestens nach der nächsten Sitzung des Stiftungsrats Mitte Februar geben.

Obwohl die Wirklichkeit eine andere ist, bewirbt die Joseph-Stiftung ihre Mietobjekte in Südwest im Internet immer noch so, als ob dort alles Bestens wäre: "Ein Nahversorgungszentrum mit Sparkasse, Frischemarkt, Metzgerei, Bäckerei, Getränkemarkt, Schreibwarenladen, Reisebüro, Friseur, Drogerie, Apotheke, Allgemeinarzt mit Naturheilkundeverfahren und Zahnarzt machen für den Alltag ein eigenes Auto überflüssig."

Das gab es tatsächlich alles einmal. Nicht zuletzt wegen der guten Infrastruktur entschied sich vor über 30 Jahren auch Laszlo Vaskovics mit seiner Familie in das Viertel mit Altenburg-Blick zu ziehen. Wie sich der Stadtteil seit einigen Jahren verändert, bereitet dem ehemaligen Professor für Soziologie an der Bamberger Uni Sorge.

Er mahnt: Wo die Infrastruktur schleichend weg fällt, steige die Unzufriedenheit der Menschen und damit auch das Konfliktpotenzial. Die Gefahr sei gerade in einem so heterogen zusammengesetzten Stadtteil da.

Nicht nur die größte Vermieterin sieht der emeritierte Hochschullehrer in der Pflicht: Er findet, die Stadt müsste tätig werden, damit das Viertel unabhängig von wirtschaftlichen Interessen wieder attraktiv wird.

Im Rathaus scheint diese Botschaft schon angekommen zu sein. Das signalisiert Claus Reinhardt, der Sprecher des Baureferats. Er berichtet von Briefen besorgter Anwohner; auch die Freien Wähler beantragen beim Oberbürgermeister, dass sich der Bau- und Werksenat mit der Zukunft des Gebiets befasst.

Die Kommune werde prüfen, was sie tun kann, sagt Reinhardt zu. In erster Linie sei aber die Joseph-Stiftung gefordert. Seine Kritik umfasst auch die Außenkommunikation des Unternehmens. OB Andreas Starke will dies angeblich in Kürze bei einem Treffen mit dem Vorstand des Wohnungsbauunternehmens ansprechen.

Die Joseph-Stiftung lässt sich vorerst nicht in die Karten schauen. Ihr Sprecher deutet an, dass an einer "Versorgung nicht nur für das leibliche Wohl" gearbeitet wird: "Es geht um eine komplette Neuordnung der linken Seite", also der verwaisten Ladenzeile.

"Es wird Zeit, dass was gemacht wird, vor allem für uns Alte!" findet die 81-jährige Marianne Wirth. Senioren, die wie sie nicht mehr mobil und auf kurze Wege angewiesen sind, sind die Haupt-Leidtragenden des Niedergangs im Gewerbe- und Dienstleistungszentrum. Auf die Frage, wie sie sich versorgt, antwortet die Frau mit dem Rollator vielsagend: "Wenn ich meine Töchter net hätt'. . .!"

Fatale Entwicklung

Wer mobil ist bekommt alles an der alten Würzburger Straße. Die Stadt hat mit der Ausweisung dieses Gewerbegebiets versucht, Versorgungslücken in Südwest zu schließen. Sie schuf aber zugleich eine Konkurrenz, die den letzten kleinen Händlern am Babenbergerring das Überleben noch erschwerte.

Es ist eine fatale Entwicklung: Mit jedem Geschäft, das verschwand, verlor das kleine Dienstleistungszentrum an Anziehungskraft. Davon können die letzten, die noch aushalten, ein Lied singen.

Zum Beispiel die Bäckerei Ohland. Sie wird ihre Filiale nach der durch das Feuer erzwungenen Schließung nicht mehr nutzen. Mitinhaber Hans Lamprecht macht gar kein Geheimnis daraus: Der Umsatz hat nach seinen Worten nicht einmal die Personalkosten gedeckt. Er betint zugleich, dass an der Miethöhe und der Vermieterin nicht liegt, wenn man aufhört.

Sparkasse will schließen

Auch in der Apotheke spürt man, dass sich die Leute anderweitig orientieren. Der letzte Magnet, wenn man so will, muss der Schlecker-Markt gewesen sein, glaubt man Apothekerin Chirstien Paul.

Sie berichtet von spürbar weniger Laufkundschaft, seit es Schlecker nicht mehr gibt. Der Zusammenhang ist für sie klar: "Wenn die Leute schon zum Einkaufen in die Stadt fahren müssen, dann gehen sie dort auch in die Apotheke." Paul bangt, dass auch noch die Sparkasse geht: "Dann kann ich auch zu machen. . ."

Ihre Sorge ist nicht unbegründet: Laut Direktor Konrad Gottschall wird sich die Sparkasse Ende 2014 aus Südwest zurück ziehen. Die Frequenz zeige schon länger nach unten und die nächste Zweigstelle sei nur 900 Meter entfernt. Bleiben sollen die Geldautomaten.