Telematik: Wenn das Auto Daten weitergibt

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Foto: Ronald Rinklef, Montage: Micho Haller
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Wolfgang Weiler Foto: M. Litzlfelder
Wolfgang Weiler Foto: M. Litzlfelder
 
 

Es ist der neue Kniff der Autoversicherer: Eine kleine Box zeichnet laufend das Fahrverhalten auf. Danach wird später der Beitrag kalkuliert.

Das Prinzip ist mit einem Satz erklärt: Sage mir, wie du fährst, und ich sage dir, was du dafür zahlen musst. Telematik-Tarif nennt sich diese Art von Autoversicherung. In einigen Ländern sind solche Tarife schon etabliert. Zehn Prozent der Autofahrer in den USA sind inzwischen über einen Telematik-Tarif versichert, lassen vom Versicherer ihr Fahrverhalten wie Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Bremsverhalten überwachen.


Sparkassen Direktversicherung als Pionier

Auch in Europa gibt es diese Tarife. In Italien etwa muss jeder Kfz-Versicherer mindestens einen Telematik-Tarif anbieten. Gemessen werden hier aber nur die gefahrenen Kilometer, weshalb in der Regel Wenigfahrer das Angebot nutzen.
Auch Deutschland ist kein weißer Fleck auf der Landkarte, was die Telematik in der Autoversicherung angeht. 2014 führte die Sparkassen-Direktversicherung als Erste so einen Tarif ein. Doch bislang wurde das revolutionäre System des Prämienreduzierens infolge von Datenpreisgabe in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Das könnte sich jetzt schlagartig ändern.


HUK-Tarif im dritten Quartal

Am Donnerstag präsentiert die Allianz in München, auf welche Art und Weise sie in den nächsten Wochen ihren Telematik-Tarif einführen wird. Die HUK Coburg steht ebenfalls kurz vor der Einführung. "Im dritten Quartal wird unser Tarif kommen. Unsere Mitarbeiter testen die Technik im Moment breitflächig", berichtet HUK-Vorstandssprecher Wolfgang Weiler.
HUK und Allianz - wenn die beiden größten deutschen Autoversicherer loslegen, dann werden die anderen wohl bald nachziehen. "Jeder sechste Pkw ist bei uns versichert", sagt Weiler. Marktführer HUK und die Allianz bringen es zusammen auf mehr als 18 Millionen Autoversicherungskunden in Deutschland.


Box wird im Motorraum eingebaut

Wie im Einzelnen Daten erhoben werden, in welchem Umfang gemessen wird und wo die Ergebnisse dann gespeichert sind, darüber hielten sich die beiden Versicherungsriesen bisher noch bedeckt.
Die Sparkassen-Direktversicherung lässt seit 2014 bei allen Kunden, die nach Telematik ihren Tarif berechnet haben wollen, eine kleine Box in der Größe einer Zigarettenschachtel mit Sim-Karte fest im Auto (zum Beispiel im Motorraum) verbauen. Das Teil (möglich wäre auch eine Telematik-App des Kfz-Versicherers auf dem Smartphone, welches dann über den Zigarettenanzünder mit dem Wagen verbunden wäre) greift während der Fahrt auf relevante Steuergeräte zu, speichert deren Daten und leitet sie per Funk an einen definierten Adressaten weiter.


Versicherung erhält keine Rohdaten

Dieser Dienstleister der Versicherung errechnet daraus sogenannte Scorewerte, die er der Versicherung übermittelt. "Aus Datenschutzgründen analysiert ein Dritter das Fahrverhalten. Wir werden keine Rohdaten bekommen, sondern immer nur die Scorewerte", betont HUK-Chef Weiler.
Beim Tarif der Sparkassen-Direktversicherung gehen die Daten anonym an eine Firma nach London, liegen also auch auf einem Server im Ausland. Der Autofahrer selbst kann alle seine Fahrdaten und Scorewerte jederzeit über das Internet oder auf der Smartphone-App nachvollziehen.


Kurze Zeit ist Unterdrücken möglich

"Gemessen werden die Geschwindigkeit, Bremsverhalten, Beschleunigen und Kurvenfahren", verrät Pressesprecherin Charlotte Gerling vorab etwas vom neuen Tarif der Allianz. "Dabei bewerten wir nicht jeden einzelnen Bremsvorgang, sondern schauen uns das gesamte Fahrverhalten auf den typischen Fahrstrecken der Kunden an. Das bedeutet, auch wenn ein Kunde für einen über die Straße laufenden Hund stark bremst, braucht er keine Angst zu haben, dass ihm das als aggressives Fahrverhalten negativ ausgelegt wird." Der Kunde habe auch aktiv die Möglichkeit, für kurze Zeit die Datenlieferung zu unterdrücken.


"Kfz-Versicherung wird teurer"

Die Allianz hat besonders Fahranfänger im Visier, also Personen, die in ungünstigen Schadenfreiheitsklassen eingestuft sind. Mit Telematik können sie vorsichtiges Fahren nachweisen und so ihre Prämie senken.
"Die Prämien für junge Leute sind in Deutschland subventioniert, weil die meisten von ihnen nicht selbst der Versicherungsnehmer sind", nimmt HUK-Chef Weiler Bezug auf das bisherige System, in dem unter anderem nach Typklasse des Fahrzeugs oder Wohnort des Versicherungsnehmers und weniger nach dem Risiko des Fahrers Beiträge erhoben werden. "Das Prinzip der Versicherung ist es aber nicht, eine Subventionierung herbeizuführen."
Verbraucherschützer sehen die Entwicklung kritisch. "Sollten sich Telematik-Tarife verbreiten, werden die herkömmlichen Kfz-Tarife teurer", prophezeit Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern.