Die Komödie "Frau Müller muss weg" bietet gestresste Eltern, überforderte Schüler und eine zwischen Selbstvertrauen und Zweifeln schwankende Lehrerin. Dem Stück fehlt es allerdings an Spannung und Tiefgang.
"Sie hilft uns bei Problemen, sie erklärt uns spannende Themen, sie will, dass wir klüger werden." Natürlich: Gemeint ist die gute Lehrerin. "Es ist deine Eintrittskarte zum Gymnasium, es macht ein bisschen Stress, es ist für deine Eltern wichtig." Den Schülern der Bamberger Gangolfschule ist klar: Das Übertrittszeugnis ist das wichtigste ihrer bisherigen Schulkarriere. Und damit das auch das Premierenpublikum von "Frau Müller muss weg" erfährt, flimmern diese Erkenntnisse, festgehalten im Stile der Ratesendung "Dingsda", zu Beginn des Schauspiels den Zuschauern als Videoclip von einer riesigen Leinwand entgegen; ein durchaus netter Einstieg in Lutz Hübners Komödie, die bis zum 28.
April am Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater zu sehen ist.
Der Plot des Stücks, 2010 in Dresden uraufgeführt, ist schnell erzählt: Die Eltern einer vierten Grundschulklasse sind mit der Lehrerin unzufrieden, die Noten der Kinder ohnehin zu schlecht, und das, wo doch alle unbedingt aufs Gymnasium sollen. Also entziehen sie, allesamt mehr oder weniger erfolgreiche Mittvierziger, der Pädagogin Müller das Vertrauen. Die beteuert immer wieder, wie sehr sie ihre Schüler doch liebt. Dann kreuzen sich die Wege: Plötzlich wollen die Eltern doch, dass Frau Müller bleibt; die allerdings möchte nun von sich aus kündigen, ihrer Prinzipien wegen. Zum Schluss gibt es eine, wenn auch recht vorhersehbare, Wendung.
"Frau Müller muss weg" lautet der Titel des Stücks, dabei ist die Lehrerin ohnehin mehr oder weniger absent, denn Iris Hochberger als Pädagogin Sabine Müller ist über weite Strecken nicht auf der
Bühne zu sehen. Dafür erhalten die Eltern und deren Neurosen reichlich Raum: Gerald Leiß spielt den 41-jährigen Patrick Jeskow, einen leidlich angesehenen Ingenieur aus Stuttgart, der sich im Zickenkrieg mit seiner Frau, der Übersetzerin Marina Jeskow, gespielt von Aline Joers, ergeht. Stephan von Soden als arbeitsloser Fernmeldetechniker Wolf Heider gibt einen sehr überzeugenden cholerischen Macho, der es mit der Sorge um seine Tochter Janine übertreibt.
Nadine Panjas als Museumspädagogin Katja Grabwoski, Mutter des Klassenprimus, will vor allem solidarisch mit den anderen Eltern sein. Das Dauergrinsen vergeht aber auch ihr mit der Zeit, eine glaubwürdige Wandlung. Die schnippische Elternsprecherin Jessica Höfel wird verkörpert von Alexandra Sydow.
Sie ersetzt in der Premierenvorstellung die erkrankte Ulrike Schlegel und wird für ihre überzeugende Interpretation einer taffen Beamtin mit Kontrollzwang und ihr spontanes Einspringen - nur zwei Tage Zeit waren für gemeinsame Proben - sowohl vom Publikum als auch von den Schausspielkollegen mit einigem Applaus bedacht.
Ausstatter Jens Hübner hat die Bühne in ein klassisches Grundschulzimmer verwandelt, gebastelte Kastanienmännchen, zu kleine Schultischchen und den Schatten eines Holzkreuzes an der Wand inklusive. Übergroße Stoffzahlen werden da schon mal zur Kuschelliege für die Affäre zweier Elternteile. Der Raum läuft auf eine Ecke zu, es entsteht eine Sogwirkung, ein Zwangsraum wird gebildet, gleich dem Zwangssystem Schule.
An der einen oder anderen Stelle hätte die Inszenierung von Gerhard Fehn allerdings mehr Raffung vertragen.
So erhält die Affäre zweier Elternteile breiten Raum, was der Spannung des Stücks nicht unbedingt zuträglich ist. Regisseur Fehn, gebürtiger Meininger, hat für aufmerksame Zuschauer außerdem ein wenig fränkisches Lokalkolorit in das Stück gebracht: So beschimpfen sich die Schüler gegenseitig als Doldis. Das Beiseite-Sprechen der Figuren, wenn sie nach vorne an den Bühnenrand treten, ein Lichtspot sie anstrahlt und ihre Stimmen per Lautsprecher verstärkt werden, um ihre Gedanken und Gefühle mitzuteilen, wirkt dagegen schon angestrengter. Doch es gibt auch Szenenapplaus: Jagen sich Leiß und von Soden wie Grundschüler durchs Klassenzimmer, also über die Bühne, fühlt sich das Publikum wohl an die eigene Schulzeit erinnert.
Das Stück "Frau Müller muss weg" aus der Feder von Lutz Hübner wird in Bamberg
inszeniert von Gerhard Fehn. Für die Ausstattung verantwortlich zeichnet Jens Hübner. Als Ensemblemitglieder wirken mit Iris Hochberger, Aline Joers, Nadine Panjas, Gerald Leiß und Stephan von Soden.
"Frau Müller muss weg" feierte am 16. März Premiere am E.T.A.-Hoffmann-Theater. Weitere Vorstellungen sind geplant für den 17., 20.-24. März sowie für den 6. und 7. und den 26.-28. April.
Jetzt bin ich wirklich froh, dass ich diesen kulturellen Beitrag nicht vor der Vorstellung gelesen habe! Einerseits möchte ich nicht, dass mir vorher jemand die Handlung erzählt, andererseits geht der Inhalt des Artikels am tatsächlichen Eindruck vorbei. "Dem Stück fehlt es allerdings an Spannung und Tiefgang."steht schon in der Überschrift. Gegenfrage: "Wer will das wissen?" Ich empfand das ganz und gar nicht so. Ich finde, dass es ein sehr gelungenes Stück ist. Bei den Schauspielern war ich mir bis zum Schluss nicht sicher, wer die Retterin in der Not war, so frisch war das Ganze gespielt. Mich hat die Vorstellung überzeugt. Sehr gelungen.
Auch gefällt mir das Bühnenbild hervorragend, denn es erinnert an eigene vergangene Zeiten. Gerade mit den abstrakten Bühnenbildern, mit ihren dargezeigten technischen Möglichkeiten, bereiteten mir schon Falten auf der Stirn.
Ich möchte an der Stelle nur sagen: "Glückwunsch!" - und dem Bamberger "schaus mal an".