Von der Aufgabe, in der Flüchtlingsfrage das Chaos zu überwinden

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Frank-Jürgen Weise sprach in der Universitätsaula über Flüchtlingspolitik. Foto: Andreas Thamm
Frank-Jürgen Weise sprach in der Universitätsaula über Flüchtlingspolitik. Foto: Andreas Thamm

Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, sprach in Bamberg.

Zum Festvortrag des Universitätsbundes in der frisch renovierten Aula kommt ein Ehrendoktor der Uni Bamberg. Vorrangig spricht Frank-Jürgen Weise am Mittwochabend aber nicht als solcher, sondern als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit und Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Der Titel seines Festvortrags: "Flüchtlingsbewegung und Arbeitsmarkt".

Herbert Lauer, Oberbürgermeister a.D. und Präsident des Universitätsbundes, würdigt Weise in seiner Begrüßung als entscheidenden Faktor in der Bewältigung einer "nie dagewesenen Herausforderung." Seit Weise im September 2015 die Leitung des BAMF übernommen habe, sei Enormes geleistet und das Chaos überwunden worden.

Weise präsentiert sich in seinem knapp einstündigen Referat als einer, der zupackt.
"Die Ausgangslage 2015 war nicht gut." Deutschland sei in den Aufgaben, die es angesichts der Weltlage zu bewältigen hat, nicht geübt gewesen. Die Daten der Geflüchteten durften nach damaliger Gesetzeslage nicht unter den föderalen Institutionen weitergegeben werden, die Ausländerbehörden waren nicht ausreichend vernetzt.

Die Bundesagentur für Arbeit habe sich aus Eigennutz in den Prozess eingeschaltet: Man habe wissen wollen, wer da wo her kommt - und was diese Leute können oder nicht können. "Die Konsequenz war: Dann machen Sie das eben." Weise hat sich die zusätzliche Arbeit selbst aufgehalst. Wohlgemerkt, so Lauer: "Ohne zusätzliche Bezahlung."

In der Folge sei ein Programm entwickelt worden, um das Chaos in den Griff zu kriegen und etwas zu tun gegen die Bilder von Menschen, die viel zu lange vor den Ämtern Schlange stehen und auch: Gegen den Eindruck in der Bevölkerung, die Politik habe die Situation nicht im Griff.

Weise nennt einige beispielhafte Maßnahmen, darunter die Einführung der Ankunftszentren und des Ankunftsnachweises als offizielles Dokument zur Identifikation der Flüchtlinge. "Da hat die Bundesdruckerei ihre alten Maschinen wieder herausgeholt", so Weise. Die Ankunftsnachweise entsprechen quasi den alten Personalausweisen. "Und das ist schön: Der Mensch hat dann eine Würde, einen Stolz, einen Ausweis."

Das neue Programm stellte das BAMF vor immense Probleme: "Unsere IT ist zusammengebrochen. Wir haben dafür nicht die Infrastruktur gehabt." Mit der Zeit wuchs die Anzahl der Beschäftigten im Amt von 2500 auf 6300. Rechnet man alle "Abordnungen" mit, arbeiten heute knapp 10 000 Menschen für und unter Frank-Jürgen Weise. "Jawohl", sagt er rückblickend, "das war eine Zumutung für die Beschäftigten. Aber der Auftrag, dafür zu sorgen, dass wir uns so präsentieren, wie man das von Deutschland erwartet, war einfach vorrangig."

Das ist der Leitsatz eines Obersts der Reserve, der sich der Aufgabe mit soldatischem Pflichtbewusstsein angenommen hat: Funktionieren muss es. "Wir haben kein Interesse daran, dass Menschen fliehen. Aber wenn sie da sind, muss man etwas machen."

1,6 Millionen Menschen seien zwischen 2013 und jetzt nach Deutschland gekommen, um hier Asyl zu beantragen, eine Million darf bleiben. Und ja, das sei viel, aber: "Das ist nicht der Notstand." Rund 300 000 pro Jahr seien nötig, um die demographische Entwicklung in Deutschland einigermaßen aufzufangen. Die Lösung des Fachkräftemangels sei die Zuwanderung aber nicht, zumindest nicht automatisch. "Asyl", so Weise, "ist zunächst humanitäres Recht und hat nichts mit Nützlichkeitserwägungen zu tun."


Positive Perspektive

Trotzdem sieht er, nach wie vor angestellt in der Bundesagentur für Arbeit, eine positive Perspektive. 70 Prozent derjenigen, die bleiben dürfen, sind erwerbsfähig, davon ist etwa die Hälfte jünger als 30. In enger Zusammenarbeit zum Beispiel mit den Handwerkskammern sollen diese Menschen für den deutschen Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Dies fange schon in der Bundesagentur an. Gemeint sind die Integrationskurse zu denen neben Sprachunterricht auch 100 Stunden "Werte in Deutschland" gehören: "Die sind verpflichtend. Dass die Leute dahin gehen, wird überwacht."

Die Zuhörer in der Aula dürfen sich am Ende des Vortrags vollumfänglich informiert fühlen, selbst wenn nicht sämtliche Zahlen hängen bleiben. Bei aller Werbung für sich und "seine" beiden Bundesämter, räumt Weise aber auch ein: Von der Million Anträge - dem Arbeitspensum des Jahres 2016 - werden nur etwa 700 000 bearbeitet werden. Der Rest muss ins erste Quartal 2017 geschoben werden. "Der Erfolg gehört den Beschäftigten, der Misserfolg mir."

Und natürlich darf im Fazit der Verweis auf den meistzitierten Satz der vergangen beiden Jahre nicht fehlen: "Wir schaffen das. Was soll sie denn sagen? Wir probieren es mal?" Weise versteht die Ansage der Kanzlerin als Auftrag an den öffentlichen Dienst - und als Beweis des Vertrauens in die Bürger. "Wir schaffen das, das heißt auch: Frank Weise, ran an die Arbeit."