V-Mann ist Kronzeuge in Bamberger Drogenprozess

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Ein Vorführfahrzeug der Polizei steht vor dem Bamberger Justizgebäude. Symbolfoto: Matthias Hoch
Ein Vorführfahrzeug der Polizei steht vor dem Bamberger Justizgebäude. Symbolfoto: Matthias Hoch

Elf Jahre lebte er in der Türkei, dann wurde der Bamberger ausgeliefert. Jetzt steht er wegen angeblicher Drogengeschäfte vor Gericht.

Weil der Vorsitzende Richter kaum sprechen konnte, dauerte der erste Prozesstag gegen Paul S. (Name von der Redaktion geändert) nur kurz. Umso langwieriger könnte sich das Strafverfahren gegen den 54 Jahre alten Bamberger gestalten, denn der Angeklagte streitet die Drogengeschäfte ab, die ihm die Staatsanwaltschaft anlastet.

Die Zweite Strafkammer des Landgerichts wird also auf Zeugen angewiesen sein, um die Wahrheit herauszufinden. Doch noch scheint fraglich, ob die Zeugen vor Gericht erscheinen und, falls sie kommen, ob sie sich dann noch erinnern können oder, so Vorsitzender Richter Manfred Schmidt, ob sie noch etwas "wissen wollen". Die S. angelasteten Straftaten gehen auf die Jahre 2003/2004 zurück; die Zeugen könnten manches vergessen haben oder so tun - sie gehören laut Schmidt alle dem hiesigen Drogenmilieu an.

Einzige Ausnahme ist ein Polizeibeamten, der 2004 als verdeckter Ermittler in der Szene agiert hat. Er ist der Kronzeuge der Anklage, braucht für seinen Auftritt vor Gericht aber eine Aussagegenehmigung des Innenministeriums. Und die lag zu Prozessbeginn noch nicht vor.


Aussage des V-Manns wichtig

Der V-Mann soll der Anklageschrift zufolge bezeugen können, dass S. im Mai 2004 in seiner Wohnung in Bamberg 1,3 Kilogramm Amphetamin besaß. Das synthetische Rauschgift soll zum gewinnbringenden Weiterkauf bestimmt gewesen sein.

Staatsanwalt Markus Reznik lastet dem Angeklagten weiter an, er habe Ende 2003 zwei oder drei Kilogramm Amphetamin bei einem Mann aus Aachen geordert, der ein voll ausgestattetes Rauschgift-Labor betrieb. Mit der Bestellung hätte sich der Bamberger "für das Weihnachtsgeschäft" eindecken wollen. Das Geschäft kam der Anklageschrift zufolge nur deshalb nicht zustande, weil der Aachener Dealer krank wurde.

"Dieses Verfahren dürfte eigentlich gar nicht stattfinden." Das sagte der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Gerold Gebhard aus Dörfles-Esbach, in einer ersten Stellungnahme. Er nannte die Anklage eine "Verdachtshypothese": Die Staatsanwaltschaft werfe seinem Mandanten etwas vor, "von dem sie gern hätte, dass er es getan haben soll".

Glaubt man seinen Worten, dann gibt es keine Beweise für die Täterschaft von Paul S.. Der 54-Jährige will seit einer Drogentherapie, zu der er 1999 in Bamberg verurteilt worden ist, sauber sein. Nähere Angaben zu den Vorwürfen machte er zunächst nicht.

Dafür bekamen die Prozessbeteiligten und Zuhörer Einblick in das bewegte Leben des gelernten Kfz-Mechanikers, der sich 1996 mit einem Gebrauchtwagenhandel selbstständig machte und von Oktober 2004 bis Mai 2015 in der Türkei lebte. Er habe dort nur eine Woche Urlaub machen wollen, sagte er. Aus acht Tagen wurden fast elf Jahre, weil er noch während des Urlaubs von seinem Rechtsanwalt erfahren, dass - wieder - gegen ihn ermittelt wird und ihm die Festnahme drohe. Daraufhin sei er in der Türkei geblieben. Sein Geld verdiente er sich mit dem Verleih von Autos und Jetskier an Touristen.


Verhängnis Heimweh

"Eine Art Heimweh" scheint ihm schließlich zum Verhängnis geworden zu sein. Er beantragte Ersatz für seinen verloren gegangenen Pass; was er bekam, war die Auslieferungshaft nach Deutschland. Er saß nach eigenen Angaben 41 Tage im Gefängnis, ehe er am 20. April 2015 ausgeliefert wurde. Seitdem verbüßt er die widerrufene Bewährung aus einer alten Verurteilung.

Auf Bitte des Vorsitzenden Richters schilderte S. die Verhältnisse in türkischen Haftanstalten. Das sei nicht mit Deutschland zu vergleichen, sagte er. In 32-Mann-Zellen würden 69 Männer hausen, alles sei verdreckt, keiner habe Teller, Besteck oder Tasse: "Du isst mit dem Weißbrot aus dem Topf."

Für die Hauptverhandlung sind bis Ende April drei weitere Tage angesetzt.