Das Strafverfahren gegen zwei mutmaßliche Drogendealer wurde nach Verlesung der Anklageschriften ausgesetzt. Das hatte einen ungewöhnlichen Grund.
Weil die Zweite Strafkammer des Landgerichts Bamberg am Donnerstag nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ist ein längerer Strafprozess, der gestern beginnen sollte, schnell zu Ende gewesen. Er wird nun am 7. Februar neu gestartet.
Angeklagt sind zwei 47 und 59 Jahre alte Brüder, die bis zu ihrer Festnahme im April 2016 in Forchheim und in Fürth gewohnt haben. Beiden wirft die Staatsanwaltschaft eine Vielzahl von Drogendelikten vor, außerdem soll jeder von ihnen unerlaubt Munition besessen haben. Beim Älteren hatte die Polizei darüber hinaus einen funktionsfähigen Revolver sichergestellt, für den der Mann eine waffenrechtliche Erlaubnis benötigt hätte. Der Jüngere verfügte der Anklage zufolge über große Mengen unterschiedlichster Chemikalien, nicht aber über die erforderliche Erlaubnis zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen.
Der 59-jährige Peter B. (Name von der Redaktion geändert) soll zwischen September 2007 und Frühjahr 2016 in zwölf Fällen Methamphetamin besorgt und einen Teil davon mit Gewinn im Raum Bamberg/Forchheim weiterverkauft haben. Sein jüngerer Bruder Michael (Name von der Redaktion geändert) wird des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in elf Fällen beschuldigt. Überwiegend soll es sich um die Droge Metamphetamin gehandelt haben, bekannt auch als Crystal. Beide Männer konsumierten es auch selbst.
Dealer hielten sie für Polizisten
Ein Riesengeschäft sollen die Brüder am 21. Oktober 2014 geplant haben. Gemeinsam mit einer dritten Person seien sie an jenem Tag von Forchheim aus mit dem Auto nach Tschechien gefahren, heißt es in den Anklageschriften, die Staatsanwalt Markus Reznik verlas. Das Trio hatte demnach 70 205 Euro dabei. Bei einem Einkaufspreis von 20 Euro je Gramm, der bei dieser Menge üblich sei, hätten sie mindestens 3,5 Kilogramm Metamphetamin erwarten können. Doch das erhoffte Geschäft scheiterte. Die vietnamesischen Drogenhändler, so ist in der Anklageschrift nachzulesen, hätten die Brüder für verdeckt operierende Polizeibeamte gehalten und ihnen deshalb nichts verkauft.
Ob die Angeklagten sich zu den umfangreichen Vorwürfen äußern werden, bleibt abzuwarten. Am Donnerstag kamen sie noch nicht zu Wort, weil das Verfahren überraschend schnell wieder zu Ende war.
Auslöser war die Besetzung des Gerichts, die einer der beiden Verteidiger von Michael B., Rechtsanwalt Jochen Kaller, rügte. Er monierte, dass eine Hilfsschöffin im Einsatz war und dass der Laienrichter, der eigentlich an der Reihe gewesen wäre, "nicht hinreichend entschuldigt" gewesen sei.
Nach einer Beratungspause, zu der sich die Zweite Strafkammer zurückzog, gab Vorsitzender Richter Manfred Schmidt der Besetzungs-Rüge statt. Er räumte ein, dass der Schöffe keinen im Sinne des Gesetzes triftigen Grund hatte, sich vertreten zu lassen.
Dazu muss man erstens wissen, dass sich eine Große Strafkammer grundsätzlich aus drei Berufsrichtern und zwei Laienrichtern, den Schöffen, zusammensetzt. Letztere werden langfristig zu ihren Terminen eingeteilt. Zweitens dürfen sie sich vom Schöffen-Einsatz nur aus einem wirklich wichtigem Grund entschuldigen. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) liegt ein Hinderungsgrund vor, "wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann".
Was der Gesetzgeber damit genau meint, erläuterte auf Anfrage Nino Goldbeck, der Pressesprecher am Bamberger Landgericht. Unabwendbare Umstände sind demnach zum Beispiel eine schwere Erkrankung; "unzumutbar" wäre die Teilnahme an einer Sitzung, an der ein Schöffe im bereits lang geplanten und gebuchten Urlaub ist.
Kein triftiger Grund
Im konkreten Fall lag weder der eine noch der andere Anlass vor. Vielmehr hatte sich der Schöffe entschuldigt, um an einer Fortbildungsveranstaltung teilnehmen zu können. Wohl erst auf Rückfrage des Vorsitzenden Richters stellte sich am Donnerstag heraus, dass es sich um eine freiwillige Schulung gehandelt hat und dem Mann weder finanzielle Nachteile noch solche im beruflichen Fortkommen entstanden wären, wenn er der Veranstaltung fern geblieben wäre.
Dass sich die personelle Zusammensetzung einer Strafkammer ändert, kommt immer wieder vor. Dann weist der Vorsitzende Richter die Verfahrensbeteiligten daraufhin und fragt, ob sie Einwände gegen die Besetzung haben. Das ist die große Ausnahme. Am Donnerstag war es der Fall.
Wenn sich die Gebrüder B. ab 7. Februar erneut vor dem Landgericht verantworten müssen, werden zwei neu berufene Schöffinnen oder Schöffen über sie zu Gericht zu sitzen.