Hat er seine braune Vergangenheit hinter sich gelassen? So wie - in der Öffentlichkeit - seinen Namen? Die Lieder, die der Straßenmusiker mit dem Künstlernamen Moritz Rabe heute zum besten gibt, lassen nicht erahnen, dass er noch vor Jahren als Liedermacher Martin Rocktäschel rechtsextremes Liedgut skandierte, dass er eine Größe war in der Neonazi-Szene, dass er strafrechtlich verfolgt wurde.
Bis auf den Widerstand gegen die Obrigkeit - die Bußgeldbescheide der Stadt Bamberg - scheint er nach außen einen Schlussstrich unter seine frühere Gesinnung gezogen zu haben. Ein geläuterter Aussteiger, der sich losgesagt hat?
So einfach, so geräuschlos steigt man allerdings nicht aus dieser Szene aus. Man streift die Weltanschauung nicht ab wie eine Weste. Extreme Ideologien sitzen mindestens so fest wie Zwangsjacken. Man verlässt eine Kameradschaft nicht wie eine Krankenkasse. Verbrüderung gibt es nur bei gleicher Gesinnung. Wer sich von der rechten Ideologie trennt, trennt sich in der Regel von allem. Von der Existenz ebenso wie von seinem sozialen Umfeld. Aus engen, radikalen Freunden werden erbitterte, gewaltbereite Feinde.
Mit dem Ausstieg positioniert man sich gegen eine Szene, deren stärkste Waffe die Verbreitung von Angst ist. Eine Waffe, die man früher selbst führte, deren Wirkung man kennt. Ein Bumerang, der zielsicher den Aussteiger einzuholen sucht.
Als Verräter des Milieus gebrandmarkt tauchen Aussteiger deshalb entweder in die Anonymität ab und flüchten damit vor den Gesinnungsgenossen. Oder sie treten die Flucht nach vorne an, gehen in die Öffentlichkeit, um auf diese Weise dort auch Schutz zu suchen vor den radikalen Weggefährten von einst.
Das Verschwinden von der Bildfläche Mitte 2000, der öffentlich gebrauchte Künstlername: Im Lebenslauf von Martin Rocktäschel alias Moritz Rabe ist im Ansatz das Flucht-Muster des Abtauchens erkennbar. Die unverhohlene Verbrüderung mit einem ehemaligen Weggefährten im Jahr 2011, ein über Jahre hinweg defensiver Umgang mit der rechten Vergangenheit schüren dagegen Zweifel.
Es obliegt nun ihm - ob Rocktäschel oder Rabe -, sein Publikum zu überzeugen, dass er sich von seiner rechten Vergangenheit losgesagt hat. Dass dies durchaus möglich ist, wenn man offensiv mit Fehlern umgeht, zeigt das Beispiel eines frischgebackenen oberfränkischen Landtagsabgeordneten. Ihm haben die Wähler seine rechte Jugendsünde verziehen.