Tricksen, Tarnen und Täuschen

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Der Prozess gegen drei Männer und eine Frau nähert sich seinem Ende. Symbolfoto: Daniel Karmann/dpa
Der Prozess gegen drei Männer und eine Frau nähert sich seinem Ende.  Symbolfoto: Daniel Karmann/dpa

Handelt es sich beim inneren Zirkel der "WWT" ("Weiße Wölfe Crew") um eine kriminelle Vereinigung? Die Verhandlung befindet sich auf der Zielgeraden.

Das Verfahren vor dem Landgericht Bamberg gegen drei Männer und eine Frau wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Sachbeschädigung und verbotenen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen geht auf die Zielgerade. Der "harte Kern" der Weiße Wölfe Terrorcrew (WWT) soll vor drei Jahren Sprengstoffanschläge geplant und eine ganze Reihe weiterer Straftaten begangen haben.

"Ich hab der Polizei großen Mist erzählt. Es war gelogen, erfunden und übertrieben. Vor mir braucht keiner Angst haben." Alles habe sich nur in Gedanken abgespielt, konkrete Pläne, mit Sprengstoff-Attentaten gegen eine Asylbewerber-Unterkunft und ein linkes Szene-Café in Bamberg vorzugehen, habe es nicht gegeben. Als Thomas H. (Name geändert) diese Zeilen schreibt, da sitzt er im Oktober 2015 in Untersuchungshaft. Die beiden Briefe, die an seine Ehefrau gerichtet sind, wird diese nie erhalten.

Kontaktsperre

Das weiß Thomas H., denn es besteht eine Kontaktsperre, seine handbeschriebenen Blätter werden von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Was nicht so schlimm ist, denn im Grunde ist es die Anklagebehörde, die Thomas H. in seinem Sinne beeinflussen will. André Libischer und seine Kollegen sollen denken, sie hätten harmlose Bürger vor sich, und keine gefährlichen, gewaltbereiten Kriminellen rechtsextremistischen Hintergrundes.

"Wir wollten nur Aufsehen erregen. Wir sind keine Terroristen und wollten es nie sein." Zumindest in diesem Punkt hat Thomas H. recht, denn ein zweiter NSU sind die vier Angeklagten nicht. Ihnen sind keine Menschenleben zum Opfer gefallen. Dazu wurden sie früh genug von den Ermittlungsbehörden gestoppt. "Sie haben in den Jahren 2014 und 2015 viele Anzeigen gesammelt," rückt Beisitzer Nino Goldbeck die Idylle zurecht. "So gewaltfrei kann es dann ja nicht gewesen sein."

Was an diesem Verhandlungstag auffällt, sind die Versuche, die Gruppe als Geselligkeitsverein kleinzureden. Die gefährlichen, in Deutschland nicht zugelassenen Kracher habe man in größeren Mengen in Polen für die Silvesterfeier des ganzen Bekanntenkreises besorgt, die Schießübungen mit einem Schnellfeuergewehr in Tschechien seien ein Urlaubsspaß gewesen, die Sprengübungen in der Flur bei Kemmern lautstarke Lausbubenstreiche. Man habe sich nur getroffen, um miteinander zu trinken, Musik zu hören und Party zu feiern. "In der Skin-Szene wird halt fleißig gebechert."

Kein Meinungsführer?

Über gewaltsame Aktionen gegen die linke Antifa sei nicht gesprochen worden. Einen Meinungsführer habe es bei der WWT nicht gegeben. Mitunter ging es zu Demonstrationen nach Unterfranken und zu Rechtsrock-Konzerten "irgendwo im Osten". Immerhin nannte man sich nach der Rechtsrock-Band "Weiße Wölfe", die in ihren Liedern von brennenden Asylantenheimen, "Juden für ein Freudenfeuer" und der "Antwort Zyklon B" singen.

Die zahlreich auftretenden Zeugen, allesamt ehemalige Mitglieder oder Sympathisanten der seit 2016 vom Bundesinnenminister verbotenen WWT, machen es dem Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt nicht leicht. Meistens können oder wollen sie sich nicht erinnern, sie winden sich und lügen, sie verweigern die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten, oder sie wollen erst einmal ihre Ehefrau fragen. Als Begriffe wie "Kindsköpfe", "Sprüchbeutel" oder "Kindergarten" fallen, es gar heißt "die WWT hatte nicht viel Gewicht in der Szene", sehen drei der Verteidiger, Joachim Voigt, Dieter Widmann und Thomas Gärtner (alle Bamberg), ihre Strategie bestätigt.

Das Tricksen, Tarnen und Täuschen hat bei der WWT indes System. Gab es doch die Anweisung, keine Straftaten in WWT-Kleidung zu begehen, nicht aufzufallen. Dann mieteten zwei Mitglieder unter ihrem eigenen Namen eine Wohnung an, ausgerechnet in "Gau-Stadt". Die Vermieterin des "Stammheims" überließ den ideologisch Gleichgesinnten die Räume für einen Euro Miete im Monat. Dort im "Nationalen Zentrum" traf man sich.

Einer redet Tacheles

Nur einer, ein Aussteiger aus der rechten Szene, spricht offen über die Strukturen der WWT, die deutschlandweit agiert hatte. Er zeigt die Querverbindungen zu den Partien "NPD", "Die Rechte" und "Der III. Weg" auf, zu Fußball-Hooligans in Nürnberg und München, und zu Gruppierungen wie "Bamberg wehrt sich", "Hirschaid wehrt sich" und den Wutbürgern von "Wügida".

Die größte Hürde bleibt indes der Nachweis, dass es sich beim "inneren Zirkel" der WWT um eine kriminelle Vereinigung gehandelt hat. Also ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen über einen längeren Zeitraum, mit verteilten Rollen, um ein gemeinsames, höheres Interesse zu verfolgen. Dies gelingt in anderen Zusammenhängen, etwa bei Banden, die Diebstähle oder Einbrüche begehen, nur in ganz wenigen Fällen.