Roland Schimmelpfennigs "Push Up 1-3" ist ein Drama um konkurrierende Angestellte. Das "Theater im Gärtnerviertel" (TiG) spielt es im Kolping-Center neben der Ottokirche.
Nein, es ist keine Komödie, die da in den kargen Büroräumen des Kolping-Centers vom "Theater im Gärtnerviertel" gespielt wird, wenn auch das Publikum zu Beginn hoffnungsfroh gluckst. Doch die Protagonisten in Roland Schimmelpfennigs "Push Up 1-3" sind kaum komische, eher bemitleidenswerte Kreaturen. Obwohl man sich fragt: Warum macht ihr das, ihr Deppen? Steigt aus, etwas Besseres als dieses Leben findet ihr überall!
Doch vielleicht sind diese von Ehrgeiz zerfressenen, eindimensionalen Top Dogs so gehirngewaschen, dass sie aus dem Korsett selbst geschaffener Zwänge, aus diversen Süchten und neoliberaler Selbstoptimierung nicht mehr herausfinden? Regisseurin Nina Lorenz sah Parallelen zu Franz Kafkas Erzählung "Forschungen eines Hundes" von 1922, in dem ein Vierbeiner - hier grandios gespielt von Stephan Bach - über sein Dasein philosophiert und doch nicht weiterkommt: Seine Aporie, sein unlösbares Problem ist, dass er die Existenz
von Menschen nicht wahrnimmt.
Von Hunden und Menschen
Ganz ähnlich die Figuren in "Push Up". Drei Paar-Konstellationen rangeln um einen Platz im kapitalistischen Sehnsuchtsort, der Unternehmensfiliale in Delhi. Da sind Angelika (Ursula Gumbsch) und Sabine (Heidi Lehnert). Die Ältere ist mit dem ominösen "Kramer" liiert, dem obersten Boss, und unterstellt der Jüngeren sexuelle Dienstleistungen im Dienste des Fortkommens (diese alte Mär ist eine der Schwächen des Stücks), die gibt es zu, und nix ist es mit Sabines Reise nach Delhi. Da hatten Robert (Stephan Bach) und Patrizia (Heidi Lehnert) "den besten Sex ihres Lebens" und bleiben sich doch fremd wegen Neid und Konkurrenz, bis schließlich Robert Patrizias Konzeptpapier auffrisst.
Und Frank (Martin Habermeyer) zieht den Kürzeren trotz eines qualvollen Fitnesstrainings, weil er dem internetsüchtigen, aber wesentlich jüngeren Hans (Benjamin Bochmann) nicht gewachsen ist.
Doch da ist noch eine andere, diesmal eine untere Ebene. Oben sitzt das Publikum eng, zweigeteilt durch eine allerdings nicht durchgezogene Mauer. An der Front hängt eine Videoleinwand, auf der sich das Innenleben der neurosengebeutelten Figuren spiegelt, die unten, im Kolping-Gebrauchtmöbellager, sich auf Sofas fläzen, ihre Konsumsucht und Einsamkeit gestehen oder undefinierbares Gemüse in sich hineinstopfen. Eine pfiffige Regieidee, die Lorenz sehr dosiert einsetzt und die deswegen nicht nervt. Zudem läuft besonders Ursula Gumbsch in Großaufnahme zu großer Form auf.
Auch das übrige Ensemble agiert beherzt hautnah am Publikum.
Stephan Bach ist ja immer ein Phänomen, doch auch seine Kolleginnen und Kollegen legen in Mehrfachrollen auf der winzigen Bühne, die durch mit Papierschnipseln gefüllte Säcke als Büro stilisiert ist, mächtig los. Und wurden alle durch enormen Schlussapplaus belohnt. Bleibt das hineingeschnittene dramatisierte Kafka-Stück mit dem Hund, zuletzt
den Hund
en im Pelz. "Wie fremd und stumm und mit einer gewissen Feindseligkeit sie aneinander vorübergehen", sagt der Vierbeiner einmal. Wie wahr! Aber braucht's das? Diese Außenansicht verkorkster Individuen?
Schimmelpfennigs narratives Theater ist zwar einigermaßen konsumierbar angerichtet worden. Aber es ist keine Lösung in Sicht, alles dreht sich im Kreis. Die kleinen Leute in der Portiersloge mit Szenen am Anfang und Ende leben bescheiden und beschränkt.
Möchte man jedoch so leben? Vor der Premiere war die große Frage, ob sich das kleine TiG mit seinen bescheidenen Mitteln nicht verhoben hat. Nein, hat es nicht, sondern die Herausforderung mit Bravour gemeistert. Aber stellenweise war es verdammt knapp.
Weitere Vorstellungen 14., 15., 18., 22., 25., 29., 30., 31. Oktober, 5./6. November
Spielstätte Kolping-Center, Siechenstr. 69
Karten Betten-Friedrich, Ob. Königstr. 4, Tel. 27578, bvd, Tel. 9808220