Terror-Kettenbrief an Schulen: Das sagt das Kultusministerium [Kommentar]

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Symbolfoto: dpa
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Ein Aufruf über WhatsApp sorgt für Ärger: Schüler sollten schwarz gekleidet der Trauer über die Opfer von Paris und dem Protest gegen Bundeskanzlerin Merkel Ausdruck verleihen. In Franken aber machte nicht jeder einfach so mit.

Ein mysteriöser Aufruf sorgte für Aufregung an Frankens Schulen. Über den Nachrichtendienst Whatsapp kursierte unter Jugendlichen eine Meldung, in der es unter anderem um den Terroranschlag in Paris ging. Anscheinend nutzten die Verfasser dieses Attentat, um Propaganda gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Asylpolitik zu machen.

Eltern in der Region zeigten sich via Facebook überrascht über diese Meldung. So schrieb eine Mutter aus dem Landkreis Kulmbach, dass ihr Sohn auch diesen Kettenbrief erhalten habe. "Er hat sich aber dagegen entschieden und trägt eine dunkelblaue Jeans und einen dunkelblauen Pullover", fügte die Mutter an. Eine andere machte deutlich, was sie von solchen Aufrufen hält: "Meine Kinder haben sich bewusst gegen diese Anweisung entschieden. Und ich finde diesen Brief auch total schwachsinnig."

Am Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasium machte dieser Aufruf die Runde unter den Jugendlichen. Studiendirektor Jürgen Schlauch erklärte gegenüber dieser Zeitung: "Wir haben dem vorgebeugt und die Schüler darüber informiert. Wir haben deutlich gemacht, dass mit so einem Aufruf keinerlei Solidarität mit den Opfern des Anschlags gezeigt wird, sondern sich das ganze gegen die Kanzlerin richtet. Es ist wichtig, mit den Schülern darüber zu sprechen."

An den Mittelschulen im Landkreis Bamberg gab es gestern zumindest keine Scharen von schwarz-gekleideten Jugendlichen. Barbara Pflaum, Direktorin des Bamberger Schulamtes, meinte: "Ich war an drei Mittelschulen in Strullendorf, Memmelsdorf und Scheßlitz und dort fiel mir nichts auf."

Wer dieses Anschreiben verschickt, steht bislang nicht fest. Fragwürdig ist auf jeden Fall die Art und Weise, wie versucht wird, die Flüchtlings-Politik der Kanzlerin mit den schrecklichen Ereignissen in Paris zu verknüpfen. Sogar in Hannover meldete eine Mutter den Umlauf der Nachricht.
Derartige Kettenbriefe sind im Übrigen kein Einzelfall. Im Jahr 2013 wurden Jugendliche in Niedersachsen von einer bizarren Todesdrohung auf ihren Handys verunsichert, die ebenfalls per WhatsApp wie ein Kettenbrief weitergereicht worden war. Damals riet das Landeskriminalamt Kindern und Jugendlichen, die Nachricht direkt zu löschen, damit sie sich nicht weiter verbreitet.


Dubioser Aufruf auf WhatsApp und Facebook findet keinen Widerhall an den Gymnasien in Stadt und Landkreis Coburg

"Es war kein Thema. Unsere Schüler kamen heute ganz normal gekleidet zum Unterricht", sagt Katja Kühne, zweite Realschulkonrektorin von der Realschule 1 am Glockenberg in Coburg. Es habe auch keine Aktionen nach den Aufrufen auf WhatsApp und Facebook gegeben, erklärte sie dem Tageblatt auf Anfrage. Und damit steht sie stellvertretend für die Schulleitungen der vier Coburger Gymnasien und des Neustadter Arnold-Gymnasiums. Im Albertinum hat man von dem Aufruf in den Nachrichten gehört, aber "aufgefallen, dass mehr Schüler ganz in Schwarz gekleidet gekommen sind, ist uns nichts", teilt das Sekretariat nach Rücksprache mit Oberstudiendirektor Stefan Adler mit.

Ähnlich ist es am Gymnasium Ernestinum und am benachbarten Alexandrinum. OStD Herbert Brunner vom Alexandrinum erhielt den Aufruf von einer Elternbeirätin am Montag per E-Mail zur Kenntnis. Der erste Teil des im Internet verbreiteten Aufrufes, zum Zeichen der Anteilnahme nach den Anschlägen von Paris am Dienstag ganz in Schwarz in die Schule zu gehen, sei nicht zu kritisieren. Aber der Zusatz, dass dann vielleicht auch Angela Merkel ihre Flüchtlingspolitik überdenke, sei sehr wohl eine politische Aussage. Das sei an den Schulen nicht möglich. Resonanz auf den Aufruf habe es nicht gegeben.

Burkhard Spachmann, Leiter des Casimirianums, konnte ebenfalls nicht mehr als üblich dunkel gekleidete Schüler registrieren. "Darüber hinaus haben wir heute einen Gesundheitstag an der Schule und da sind die Schüler sportlich und bunt gekleidet." Nicht verkneifen konnte sich der Schulleiter einen Hinweis auf die fehlerhafte Interpunktion des Aufrufes, der geschickt die Terroranschläge mit der Flüchtlingspolitik zu verquicken verstehe. Am Arnold-Gymnasium in Neustadt bei Coburg hat der Aufruf nach Angaben des stellvertretenden Schulleiters Jochen Dotterweich keine Spuren hinterlassen.



Die Situation in Forchheim:

Weder im Herder-Gymnasium noch an der Traitteur-Mittelschule gibt es Schüler oder Lehrer oder Mitarbeiterinnen in den Sekretariaten, die etwas mit dem Kettenbrief- Thema anfangen können. "Meine Tochter kommt regelmäßig schwarz gekleidet in die Schule", erzählt eine Sekretärin. Und auch im Ehrenbürg-Gymnasium Forchheim blieb die WhatsApp-Geschichte ohne Resonanz: "Das ist kein Thema bei uns.", sagt Schulleiter Karl Fuchs. Nichts dergleichen sei "bekannt oder beobachtet worden".


Die Stellungnahmen aus Kulmbach zum WhatsApp-Kettenbrief

Joachim Meier, Leiter des Beruflichen Schulzentrums in Kulmbach, hatte morgens in den Radionachrichten von dem halbseidenen Aufruf gehört. "Bei unseren Schülern war der Kettenbrief offenbar kein Thema, jedenfalls schien niemand der Aufforderung Folge geleistet zu haben, sich aus Solidarität oder Protest oder was auch immer schwarz zu kleiden." Meier rät, bei dem Thema Langmut zu bewahren. "Es wird in den nächsten zwei, drei Tagen sicher noch einen Hype um das Thema Terror geben, aber dann wird auch der langsam abebben."

Auch aus dem Caspar-Vischer-Gymnasium war zu vernehmen, dass sich die Mädchen und Jungen wie üblich gekleidet hatten: blaue Jeans und farbige Oberteile statt schwarzer Uniformität auf Zuruf. Allerdings bestätigten Schüler der Unter- und Mittelstufen, dass die Nachricht über die so genannten "Klassen-Chats" weiterverbreitet wurde. Der Aufforderung gefolgt ist niemand. Ein Achtklässler brachte es auf den Punkt: "Was soll der Scheiß? Das hat doch gar keinen Sinn!"

"Mir ist nichts aufgefallen. Und wenn was gewesen wäre, dann hätte uns die Schülermitverantwortung informiert", bestätigt Horst Pfadenhauer, Schulleiter des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasiums, auf BR-Nachfrage. Und ergänzt: "Unsere Medien-Scouts an der Schule sind genau wegen solcher dubiosen Mitteilungen aus den sozialen Netzwerken sensibilisiert und vermitteln das entsprechend an die Schüler weiter."
Die Gymnasiasten seien selbst bis in die Unterstufe "sehr weit", so Pfadenhauer, was den richtigen Umgang mit derlei fragwürdigen Benachrichtigungen aus dem Netz angeht.

Zufällig, so Pfadenhauer, fand gestern am MGF ein pädagogischer Thementag statt - in dem es auch speziell um den Aspekt Medienkompetenz an Schulen ging. Das Gymnasium hatte dazu Jochen Koubek zu Gast. Der Professor ist Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Medienwissenschaft und Digitale Medien an der Universität Bayreuth und referierte vor dem Lehrerkollegium.


Die Situation in Bad Staffelstein:

Paul Tschran geht in die siebte Klasse der Viktor-von-Scheffel-Realschule in Bad Staffelstein und hat über seine Mutter von dem Kettenbrief erfahren. Sie hat es im Radio gehört und ihren Sohn darauf angesprochen. Doch Paul selbst hat davon noch nichts gewusst. Und dieses Bild zieht sich weiter durch die Realschule in Bad Staffelstein.

Als Schülersprecherin Ina Rommel über Dritte von diesem Kettenbrief informiert wurde, hat sie sofort mit anderen Schülersprechern aus dem Landkreis Kontakt aufgenommen. "An anderen Schulen haben manche den Kettenbrief bekommen. An unserer Schule wüsste ich jetzt nichts davon", sagt die Zehntklässlerin. Auch ihrem Rektor Heinz Zech ist nichts zu Ohren gekommen. "Wir hatten heute morgen eine Veranstaltung mit 130 Schülern. Da ist mir jetzt auch nicht aufgefallen, das mehr Schüler als sonst in Schwarz gekleidet waren", meint der Realschuldirektor. Ina Rommel und ihr Klassenkamerad Max Pixner können das auch nicht bestätigen. "Es waren heute nicht mehr Schüler schwarz gekleidet als sonst auch", meint Ina.

Die beiden sind sich auch einig, wie sie reagiert hätten, wenn sie den Kettenbrief bekommen hätten: Einfach ignorieren und sofort löschen. "Wir sind alt genug, um so etwas zu verstehen. Jüngere Klassen sind dafür anfälliger", meint Max Pixner. Der Siebtklässler Paul Tschran gibt zu, dass er kurz überlegt hat, das, was er über den Kettenbrief gehört hat, weiterzuschicken und der Aufforderung darin zu folgen. "Ich fände es nicht schlimm, wenn wir uns schwarz anziehen würden", sagt er. Da stimmen ihm auch die beiden Älteren zu. "Aus Respekt wäre das eine schöne Geste", meint Max Pixner.

Wäre da nicht der letzte Satz in der Nachricht: "Mit etwas Glück, wenn alle mitmachen, merkt vielleicht auch mal Angela Merkel, dass es so nicht weitergehen kann." Als den drei Realschülern dieser Satz vorgelesen wird, werden besonders die beiden Zehntklässler stutzig. "Das klingt nach einem rechtsradikalen Hintergrund", meint Max Pixner. "Das ist sehr schlecht. Wir gehen auf die 18 zu und dürfen bald wählen. Deswegen beschäftigen wir uns damit", ergänzt Ina Rommel. Doch viele jüngere Schüler würden diesen politischen Hintergrund nicht verstehen. Auch ihr Schulleiter sieht das ähnlich: Wenn es nur darum ginge, seine Trauer sichtbar auszudrücken und ein vertrauenswürdiger Absender hinter der Nachricht stehen würde, würde nichts dagegen sprechen, schwarz gekleidet zur Schule zu kommen. Wer dieses Anschreiben verschickt hat, steht bislang jedoch nicht fest. Fragwürdig ist auf jeden Fall die Art und Weise, wie versucht wird, die Flüchtlings-Politik der Kanzlerin mit den schrecklichen Ereignissen in Paris zu verknüpfen. Sogar in Hannover meldete eine Mutter den Umlauf der Nachricht.

In Bad Staffelstein scheint der Kettenbrief auch an anderen Schulen die Jugendlichen nicht erreicht zu haben. Reinhold Zellmann, Rektor der Adam-Riese-Schule, ist nichts bekannt. Normalerweise würden seine Schüler ihm von so etwas erzählen. Doch gesagt hat heute im Unterricht niemand was. Das Herantreten an Schüler sieht er sehr kritisch. "Das kann politisch auch aus der anderen Ecke kommen. Und dann finde ich das absolut nicht gut."
Alfred Wittmann, Rektor der Pater-Lunkenbein-Schule in Ebensfeld hat auch nichts von dem Kettenbrief gehört. "Im Prinzip habe ich momentan nur Grundschüler hier. Die 8. Klasse ist auf Betriebspraktikum." Und dieses Alter wäre schließlich das Klientel für den Whatsapp-Kettenbrief.


In Bamberg nichts Auffälliges

Ob gelöscht oder ignoriert, die aktuelle WhatsApp-Nachricht hat jedenfalls nicht dafür gesorgt, dass die Lehrer plötzlich vor einer schwarz gekleideten Klasse standen. Das hätte man prinzipiell auch gar nicht verbieten können, wie Franz Eibl aus dem Schulreferat der Stadt anmerkt. "Es gibt keine Kleidervorschriften an bayerischen Schulen."

Ähnlich äußerte sich auch Martin Rohde, Schulleiter des FLG und gleichzeitig Sprecher der Bamberger Gymnasien. Er merkte jedoch an: Kritisch werde es, wenn Schüler beispielsweise mit einem Oberteil mit einem politisch extrem rechten oder linken Aufdruck in den Unterricht kämen.

Laut Ludwig Unger, Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, entscheidet im Zweifelsfall der Schulleiter - wenn etwa der "Schulfriede, der geordnete Schulbetrieb, die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags, das Recht der persönlichen Ehre oder die Erziehung zur Toleranz gefährdet wird", so der Wortlaut aus dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen.

Trägt jemand das Shirt einer Gruppierung, die verfassungsrechtlich verboten ist, würde der Schulleiter ebenfalls einschreiten, wie Ministeriumssprecher Unger mitteilte.

Einschreiten, das musste am Dienstag offenbar niemand, wie zumindest unsere Stichprobe ergab. Die Anfrage bezüglich der WhatsApp-Nachricht erreichte Martin Rohde direkt in einer Konferenz mit den Leitern der anderen Bamberger Gymnasien - die auch ohne den aktuellen Fall stattgefunden hätte. "Unsere Sekretärin teilte uns den Anruf mit und wir haben das Thema am Ende noch besprochen", so Rohde. Ergebnis: "Die Leiter der Bamberger Gymnasien lehnen die Aktion ab." Es handle sich um eine unzulässige Verquickung. Der Terror in Paris werde mit den Flüchtlingen in Verbindung gebracht.

Doch wie soll man nun mit dem Kettenbrief umgehen? Rohdes Vorschlag: Den Text mit den Schülern analysieren "und schauen, was dahinter steckt." Man könne, wie im Deutschunterricht, die Zielsetzung herausarbeiten "und ein Lehrstück draus machen".


Die Situation in Höchstadt:

Auch am Höchstadter Gymnasium machte dieser Aufruf die Runde unter den Jugendlichen. Konrektor Ulrich Günther erklärte gegenüber dieser Zeitung: "Herr Lohneiß und ich haben schon am Montag mitbekommen, dass dieser Kettenbrief kursiert. Als Ausdruck von Trauer und Anteilnahme haben wir nichts dagegen. Wenn es allerdings als Kritik gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gemeint ist, ist das nicht akzeptabel." Es sei besonders wichtig, mit den Schülern darüber zu sprechen. "Flüchtlinge sind selbst von Terror betroffen, deswegen kommen sie ja nach Deutschland."

Am Gymnasium, der Ritter-von-Spix-Schule sowie der Realschule Höchstadt waren gestern jedenfalls kaum schwarz-gekleidete Jugendliche in den Pausenhallen zu sehen. Bei manchen war es, wenn, dann sogar nur Zufall gewesen - ohne Bezug auf den Kettenbrief. Andere Schüler wussten dagegen gar nicht, dass ein solcher Kettenbrief überhaupt existiert. "Meine Schwester hat mir davon erzählt. Ich trage schwarz ausschließlich aus Solidarität zu den Opfern, nicht aus Protest gegen Angela Merkel", betont Martin Zorn (16), Gymnasiast aus Hemhofen. Auch Johannes Lange aus Wachenroth und Moses Mboizi (beide 16) tragen schwarz als Ausdruck ihrer Trauer.

In der Mittelschule war der Kettenbrief laut Rektor Michael Ulbrich überhaupt kein Thema. "Ein Schüler, den ich gefragt habe, hat die Nachricht zwar bekommen, es war allerdings überhaupt nicht nachzuvollziehen, von wem diese kam", erklärt Ulbrich. Am Montag wurde in den einzelnen Klassen über die Attentate ausführlich gesprochen und eine Schweigeminute eingelegt.

"Viele Schüler hat die Berichterstattung von den Attentaten in Paris getroffen. Sich allerdings nur zur Provokation oder politischen Agitation schwarz zu kleiden, ist nicht in Ordnung und nicht erlaubt", sagt Schulamtsdirektor Franz Schmolke.


Die Situation im Kreis Haßberge

Im Kreis Haßberge machte offenbar niemand den Unsinn mit. Unverständnis im Sekretariat des Regiomontanus-Gymnasiums in Haßfurt: "Ein Kettenbrief über Whatsapp?", "Das sind doch Kinder, warum werden die in so eine Diskussion reingezogen!", "Was soll denn so ein Aufruf?" - die drei Mitarbeiterinnen wunderten sich über den Kettenbrief, der seit Montag über den Messenger-Dienst WhatsApp verbreitet wird.

Klauspeter Schmidt, Direktor am Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern, kommentiert den letzten Satz (Merkel) des Kettenbriefs sofort: "Oh! Da wird der Hintergrund dieser Nachricht deutlich." Gehört haben weder die Direktoren der beiden Gymnasien im Landkreis noch Thomas Lux, Oberstudienkoordinator am Haßfurter Gymnasium, im Vorfeld vom WhatsApp-Kettenbrief.

Kettenbrief nicht im UmlaufEine Nachfrage in der Klasse 10c, in der Lux gerade Chemie unterrichtet, ergibt das gleiche Bild: Kein einziger Schüler trägt schwarz. Und: Nur eine einzige Schülerin hat den Brief überhaupt erhalten. "Aber ich lese Kettenbriefe nie", erklärt sie trocken.

Ob die Schüler denn in Schwarz gekommen wären, wenn sie von der Nachricht erfahren hätten? Einvernehmliches Kopfschütteln. Eine Schülerin meldet sich: "Ich finde, man kann Anteilnahme auch anders zeigen. Dafür muss ich mich nicht schwarz kleiden oder mein Profilbild bei Facebook mit der französischen Flagge hinterlegen." Einvernehmliches Kopfnicken.

Wieder geht ein Finger in die Höhe: "Ich glaube auch nicht, dass es den Menschen in Paris etwas bringt, wenn wir hier Schwarz tragen." - "Eben, das ist doch echt bisschen pseudo, nur um zu zeigen, wie betroffen man ist", bekräftigt ein weiterer Schüler.

Und wie sieht es aus mit dem letzten Satz der Nachricht - der Kritik an Angela Merkels Flüchtlingspolitik? Schulterzucken. Das eine habe doch mit dem anderen nichts zu tun. "Was hat denn die Merkel schon wieder gemacht?", fragt einer scherzhaft in die Runde. Kurzes Lachen. Mehr nicht.

Jan Batzner, Bezirksschülersprecher der unterfränkischen Gymnasien und Schüler am Eberner Gymnasium, versteht das große Interesse der Medien an der Sache nicht: "Mich wundert es, dass da so eine große Sache draus gemacht wird", sagt er. Und er erklärt: "Alle, die ich gesprochen habe, haben nur über die Presse von diesem Kettenbrief erfahren." Er hatte schon am Montag im Radio vom Kettenbrief gehört und sich am Dienstag gleich nach Schwarzgekleideten umgesehen - und keinen gefunden.

Schülersprecher Batzner ärgert sich vor allem über den ersten Satz, der da lautet: "Also das kam grad über die ganzen Schülersprecher zu mir".

Verfasser unbekanntBatzner hat bei anderen Schülersprechern herumgefragt und keiner hatte diese Nachricht bekommen. Außerdem gebe es Gerüchte, der letzte Satz mit dem Seitenhieb auf Angela Merkel sei erst später angefügt worden, weiß Klauspeter Schmidt. "Ich habe das Gefühl, dass viele versuchen, aus dem Anschlag etwas rauszuziehen. Man weiß ja gar nichts über den politischen Hintergrund oder die Verfasser dieser Nachricht", erklärt Bezirksschülersprecher Batzner.

Egal, von wem die Nachricht kam und welches Ziel der Verfasser verfolgt hat: Bei den Schülern im Landkreis kam der Kettenbrief - im doppelten Sinne - nicht an: Weder erreichte die Nachricht die Kinder und Jugendlichen, noch fühlten sie sich davon angesprochen.


Das sagt das bayerische Kultusministerium

Kritik "Es handelt sich um einen Text aus einem sozialen Medium, das an sich nicht Wirkungsfeld der Schulen ist", sagt Pressesprecher Ludwig Unger. Allerdings werden die Äußerungen durchaus kritisch gesehen.

Populistisch "Es ist natürlich wichtig, so eine ideologische Meldung kritisch zu hinterfragen", betont Unger. Hier werde der Terroranschlag in Paris einseitig populistisch mit der Politik der Bundeskanzlerin in Verbindung gesetzt. Besonders "infam" sei, dass "schwarz" als Farbe der persönlichen Trauer um einen nahestehenden Menschen hier zu populistischen Zwecken missbraucht werden solle.

Redebedarf Unger sieht sogar eine Chance darin, in Klassen oder zu Hause in den Familien über solche Themen zu sprechen: "Man darf sich nicht von solchen Texten einfangen und instrumentalisieren lassen", betont er.


Klärt die Kinder auf: Ein Kommentar von Redakteur Paul Frömel

Kommt nach dem Terror in den Straßen jetzt der Terror im Kopf? Darf ein Kettenbrief in sozialen Netzwerken das bewirken, was die schrecklichen Bilder aus Paris noch nicht bewirkt haben? Sollen wir zusehen, wie sich unsere Kinder in schwarze Kleidung hüllen und damit nicht nur Trauer, sondern auch einen stummen Protest gegen die Aufnahme von Hilfesuchenden zum Ausdruck bringen?

Die Botschaft der Verfasser dieses Aufrufs ist klar: Wer massenhaft Flüchtlinge in sein Land lässt so wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, der holt sich automatisch den Terror mit ins Haus.

Es ist verabscheuungswürdig, solche Ängste in den Köpfen von Schülern zu erzeugen, und sogar rechte Rattenfänger sollten sich für so etwas schämen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Furcht schon im Kinderzimmer breit macht, denn dann hätten sowohl die Terroristen als auch die als Patrioten getarnten Neonazis ihr Ziel erreicht. Wir müssen unseren Kindern erklären, dass die Menschen, die bei uns Hilfe suchen, meist vor Terroristen wie denen des Islamischen Staats auf der Flucht sind. Und, wie das aktuelle Beispiel zeigt, wir dürfen sie in sozialen Netzwerken nicht alleine lassen, sondern sollten mehr mit ihnen reden.